Sonntag, 14. August 2016

Eine Treppe in den Himmel über Berlin – die Musikrevue „The stairways to heaven“ auf der Großen Treppe, Schwäbisch Hall



Ich wollte noch von der „Musikrevue“ erzählen, die wir am Freitagabend (12.08.2016) zusammen mit E. und G. angeschaut haben. Der Titel entstammt dem berühmten Song der britischen Band Led Zeppelin aus dem Jahr 1971. Er wurde komponiert von dem Gitarristen Jimmy Page. Er spielt auch die Gitarren-Riffs und sein Freund, der Sänger Robert Plant, schrieb den Text und leiht dem Lied seine Stimme. In der SWR1-Hitparade, die seit ein paar Jahren immer in den Herbstferien stattfindet, erreichte der Song hintereinander immer wieder Platz 1. Er ist also weltbekannt.
Auf Wikipedia kann man nachlesen, wie das Lied entstand: Die Melodie fiel Jimmy Page während eines Aufenthalts in einem Bauernhaus in Wales in einer Nacht ein und Robert Plant erzählt, dass er den Text zu 80% in einem Zug niedergeschrieben habe.
„The first attempts at lyrics, written by Robert Plant next to an evening log fire at Headley Grange were partly spontaneously improvised and Page claimed, „a huge percentage of the lyrics were written there and then“. Jimmy Page was strumming the chords and Robert Plant had a pencil and paper. Plant later said suddenly, ‘my hand was writing  out the words ‘There’s a Lady is sure, all that glitters is gold, and she’s buying a stairway to heaven’. I just sat there and looked at them and almost leapt out of my seat.’ Plant’s own explanation of the lyrics was that it ‘was some cynical aside about a woman getting everything she wanted all the time without giving back any thought or consideration. The first line begins with that cynical sweep of the hand … and it softened up after that.” (https://en.wikipedia.org/wiki/Stairway_to_Heaven)
Zu dieser Zeit las Robert Plant in einem Buch des schottischen Volkskundlers und Okkultisten Lewis Spence (1874 – 1955). Der Autor war einer der ersten, der in seinem Buch „Occult Causes of the Present War“ (1940) über die okkulten Hintergründe des Zweiten Weltkrieges schrieb. Ansonsten beschäftigte Spence sich vor allem mit alten keltischen Mythen und Ritualen. Ich denke, das Lied und die „Lady“, das es besingt, sind Inspirationen aus dem keltischen Volksgeist. Die Frau, die von Gold glitzert und sich eine Treppe in den Himmel „kauft“, könnte die Fee Viviane („The Lady of the Lake“) sein, die schon den „enchanteur“ Merlin verzaubert hat.
Im Jahr 2014 hatte Treppen-Intendant Christoph Biermeier die Musikrevue „Summer of Love“ auf der Treppe inszeniert. Damals wurden Songs der 60er Jahre auf der Treppe gesungen. G. und E. hatten das Stück damals gesehen. Aber leider musste es, wie sie erzählen, wegen eines heftigen Gewitters abgebrochen werden. Nun hatten sich beide die Fortsetzung, „The stairways to heaven“, das bereits letztes Jahr auf der „Großen Treppe“ Premiere hatte, und zwar ausgerechnet am Jakobstag (25.07. 2015), als Geburtstagsgeschenk von mir gewünscht. Beide sind ja dieses Jahr 60 geworden. In „The Staiways to Heaven“ werden nun Songs der 70er und 80er Jahre gesungen, von denen ich die meisten kannte.
Nachdem es am Abend zuvor zu regnen begonnen hatte und auch noch am Freitagvormittag leicht regnete, hellte sich der Himmel am Abend auf und es blieb trocken. Im Südwesten begleitete der stille Halbmond, umrahmt von Mars und Saturn im Sternbild des Skorpion, die Show, die mit raffinierten Lichteffekten auf der in Dreiecksform über die Steintreppe gestülpten Metallictreppenkulisse einen starken Kontrast zu den leisen Gestirnen bildete.
Überhaupt fand ich die grelle Machart der Musikrevue dem inneren Thema nicht sehr angemessen.
Es geht in der Geschichte um ein Mädchen namens „Summer“ (gespielt von Walesca Frank), das am 9. November 1989 in der Begeisterung über die Öffnung der Mauer unglücklich stürzt und sich dabei tödlich verletzt. Nun wird Summer von Erzengel Gabriel (David Michael Johnson) gerufen und auf der „Himmelsleiter“ von Stufe zu Stufe nach oben geführt, bis sie selbst zu einem „Schutzengel“ wird, der vier Menschen auf ihren irdischen Wegen begleitet und sie von Irrwegen abzubringen und zu ihren wahren Aufgaben zu „inspirieren“ versucht.
Die Story dürfte in gewisser Weise von Wim Wenders‘ erstem Engel-Film, „Der Himmel über Berlin“, der kurz vor dem Mauerfall (1987) in die Kinos kam, inspiriert sein. Das umgekehrte Dreieck der Silbertreppe „zum Himmel über Berlin“ endet unmittelbar vor Sankt Michael in einem sich nach oben öffnenden Parallelogramm, das die Mauer symbolisiert. Ich bin zunächst ein wenig enttäuscht, weil diese stilisierte Mauer den Blick auf die wunderbare spätgotische Michaelsstatue verstellt, die ich so sehr liebe und die wie ein immer noch wirksamer Schutzgeist über die Stadt, ihre Menschen und die Inszenierungen auf der Treppe wacht.


 Aber am Ende der „Zeitreise“ , als die Geschichte wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt, öffnet sich die Mauer und der Blick ist für die, welche ihn kennen, frei auf den im Dunkel waltenden Sonnen-Engel, der auch der Seelenführer nach dem Tode ist. Der Erzengel Gabriel, der auch der Inspirator Mohameds war, ist ein Monden-Engel und ist zuständig für die Geburt.
Also hier liegt einmal wieder eine spirituelle Verwechslung vor, die umso schwerwiegender ist, wenn man davon ausgeht, dass die Autoren dieser Revue sich ein bisschen mit Engeln beschäftigt haben. Aber gut: Mir ist bewusst, dass hinter dem Looking-for-Freedom-singenden Gabriel in Wirklichkeit die Statue des Erzengels Michael als der wahre Inspirator steht. Das Lied passt ja auch großartig zu ihm: Michael ist es, der das große Risiko innerhalb der Evolution auf sich genommen hat, den Menschen die Freiheit (freedom) erfahren zu lassen. Dabei hat er in der Doppelheit der Verführer – Ahriman und Luzifer – zwei mächtige Widersacher. Die beiden spielen für die, die sie kennen, mächtig mit bei der Revue und dem Weg der vier Protagonisten. Immer wieder drohen diese, entweder nach links oder nach rechts abzudriften.
Da ist zum Beispiel Thomas (gespielt von Marc Lamberty), der sich schon 1972, dem Jahr, mit dem die Revue einsetzt, für Computer begeistert und gegen den Willen seiner Eltern nach Kalifornien reist, anstatt sein Abitur zu machen. Dort trifft er in einer Garage Steve Jobs und inspiriert den Gründer von Apple zum Smartphone, das in Form des I-Phones 2007, also 35 Jahre danach, tatsächlich „realisiert“ wird.
Die Begeisterung für die digitale Vernetzung der Menschheit ist, wie Andreas Neider in seinem bahnbrechenden Buch „Der Mensch zwischen Über- und Unternatur – Das Erwachen des Bewusstseins im Ätherischen und die Gefährdung der freien Kräfte“ nachweist, ein gigantischer Angriff auf die menschliche Freiheit durch den größten Gegner der „ätherischen Welt“, Ahriman. Konsequenterweise trifft Thomas in Kalifornien Jamie, der ebenfalls schwul ist. Die beiden verlieben sich ineinander und werden Partner. Aber diese Liebe ist vom Tode umweht. In drastischen Bildern wird der Tod Jamies dargestellt, der an Aids stirbt.
Auf der anderen Seite steht Heiner (gespielt von Brady Swenson), ein langhaariger Hippie, der noch nie in seinem Leben etwas gearbeitet hat („wer nie gearbeitet hat, kann auch nicht arbeitslos werden“) und sein Leben mit dem Anbau und Verkauf von Cannabis verdient. Er ist ständig bekifft und merkt deshalb nicht, wie sehr ihn Michaela (gespielt von Femke Soetenga, die auch schon die Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“ darstellte) liebt, die ihre Karriere als Bankkauffrau beginnt und später in Frankfurt und schließlich an der Wallstreet arbeitet. Heiners Lebensmotiv ist der „Genuss“, Michaelas „die Gier“. Beide Empfindungen sind „Einflüsterungen“ Luzifers.
Summer als Schutzengel gelingt es, die beiden von ihren Irrwegen zu befreien. Zum Schluss gestehen sie sich ihre Liebe.
Das dritte Paar der Revue sind der Ostberliner Matthes (Gerald Michel) und seine Westberliner Freundin Sabine (Johanna Spantzel). Beide finden nach dem Mauerfall endlich zusammen und heiraten.
Summer begleitet die sechs als siebente durch die Zeit. Dabei werden verschiedene Zeitereignisse wie zum Beispiel der Kniefall Willy Brandts in Warschau, der Deutsche Herbst 1977 mit den Anschlägen der RAF, der Gau des ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl im Jahre 1986 und schließlich der Mauerfall vom 9. November 1989 nachgespielt und von Songs jener etwa 17 Jahre begleitet. Neben vielen englischsprachigen Songs waren auch einige deutsche Lieder darunter: westdeutsche Lieder vom Sänger der Band „Ton, Steine, Scherben“, Rio Reiser („König von Deutschland“) oder ostdeutsche Lieder von Karat („Über sieben Brücken musst du gehen“).
Besonders lustig war die Inszenierung des Songs „Ein bisschen Frieden“ von der damals 17-jähigen Nicole, der Siegerin beim Eurovision Song Contest 1982: Nicole hatte eine riesige Pappgitarre um die Schulter hängen. Hinter ihr tanzten als Backgroundsänger drei „Putti“ mit nacktem Oberkörper, die auf ihren Minigitarren, die notdürftig ihr Geschlecht verdeckten, „schrammten“.
Das Spiel endete am Tag, an dem es auch begonnen hatte: am 9. November 1989. Nun hatte Summer ihre Aufgaben erfüllt: Nicht die Verführer hatten gesiegt, sondern die Liebe. Für uns Zuschauer auf der Erde (von Schwäbisch Hall) waren zweieinhalb Stunden vergangen, für die handelnden Figuren 17 Jahre, für die Engel, die aus der Ewigkeit in die Zeit wirken, kaum ein paar Minuten. Im Augenblick des Todes spult sich beim Verstorbenen sein gesamtes Leben rückwärts wie ein großes Panorama ab und der Mensch kann Bilanz ziehen. Seine „Taten und Gedanken werden ihm nachfolgen“, heißt es im Evangelium.
Ob der Mensch bei seinem Tode schon reif zum (Schutz-) Engel ist, wie es die Revue suggeriert, ist nicht unbedingt selbstverständlich. Dabei kommt es auf die Vorbereitung auf Erden an, die nur durch eine wirkliche Geistesschulung gelingen kann.  Aber soweit wollte die musikalische Revue, die vorwiegend der Unterhaltung diente, nicht gehen. Da hätten die Zuschauer nicht so schön mitsingen und mitklatschen können.


Ein bisschen enttäuscht waren wir, als die Revue zu Ende war und wir das Lied, auf das wir die ganze Zeit gewartet hatten, nicht hören durften: „ A Stairway to Heaven“. Vielleicht ist es in der vorangehenden Revue „Summer of Love“ gespielt worden, denn es entstand ja vor dem Jahr 1972, mit dem dieses Mal die Zeitreise begonnen hat.

Montag, 1. August 2016

ZAZ macht Mut - Zazimut. Ein Konzert in Ludwigsburg am 31.07.2016


Im Fernsehen auf 3SAT läuft eben die Verfilmung von "Wilhelm Tell" aus dem Jahre 1960. Eigentlich wollte ich mir den Film heute, am Schweizer Nationalfeiertag, anschauen, aber jetzt bin ich ganz bei ZAZ. Diese Sängerin ist nur ein Jahr älter als meine Tochter Raphaela, die ebenfalls singt. Vor etwa sieben Jahren ging ihr Stern am Musikhimmel auf. Nun habe ich sie mit Freunden in Ludwigsburg live erlebt. Es war ein phantastisches Konzert und eine richtig gute Show.
Diese Frau ist unglaublich: sie tanzt wie eine Mischung aus hyperaktivem Clown und Gummiball über die Bühne, wobei sie meistens Charleston-Schritte variiert. Dann wird sie wieder ganz ruhig und wirbt für ihre eigentliche Botschaft: eine bessere, menschlichere Gesellschaft und einen rücksichtsvolleren Umgang mit den Tieren und der Natur, für lokale Projekte unter dem Signum „Zazimut“. Da steckt auch das deutsche Wort „Mut“ drin. Das ist genau das, was auch Raphaela am Herzen liegt. Es ist die Hoffnung der Zukunft, wenn diese Generation die alten Dinosaurier vertreiben wird. Möge es ihnen besser gelingen als den Studenten und Hippies meiner Generation, die das schon einmal versucht haben.
Das Konzert fand im Innenhof des Ludwigsburger Schlosses statt. Es begann um 21.20 Uhr und dauerte knapp zwei Stunden. Ich hatte erst wenige ihrer Lieder im Radio gehört. Wenn ich mich recht erinnere, war „Dans ma rue“ das erste, dann „On ira“, in dem das Cafe Pouchkine in Paris erwähnt wird, das zweite, und ihr Hit „Je voeux“ das dritte.
Gestern beim Konzert waren viele Fans der Sängerin, die einige Lieder mitsingen konnten. Das Erstaunliche ist, dass es sogar bei ihrem Konzert in Moskau am 12. April diesen Jahres, das ich mir heute auf Internet ganz angeschaut habe, Menschen gab, die beim Lied „Je voeux“ mitgesungen haben. ZAZ hat aber auch immer wieder Russisch zum Publikum gesprochen. Da war wirklich eine starke gegenseitige Sympathie zwischen Moskau und Paris zu spüren. Hier der Link:
https://www.youtube.com/watch?v=ABtff323SR0 (Minute 1:33)
Dabei stammt die Sängerin, die mit bürgerlichem Namen Isabelle Geffroy heißt, gar nicht aus Paris, sondern aus Tours an der Loire, der Stadt, in dem der französische National-Patron begraben liegt: Saint Martin. Sie hat schon mit fünf Jahren beschlossen, Sängerin zu werden. Bekannt geworden ist die „neue Piaf“ mit gecoverten Chansons der großen französischen Sängerin, die mit 47 Jahren viel zu jung gestorben ist. An sie musste ich immer wieder denken, als ich ZAZ' Stimme gestern hörte. Aber die Piaf ist nicht meine französische Lieblingssängerin. Meine Favoritin war eine Zeit lang Barbara, aber seit einigen Jahren ist es Juliette Greco, die wir am 7. Februar in Paris hören und sehen durften. Jetzt also die jugendliche „Neuausgabe“, die aber viel mehr als eine „Neuauflage“ von Edith Piaf ist.
   
Diese neue Repräsentantin des in der wirtschaftlichen Agonie liegenden Frankreichs ist ein wahres Energiebündel, eine menschgewordene Note, ein Wunder. Alles an ihr ist Musik – und Poesie. Sie ist so authentisch und so gut, dass ich weinen möchte.