Dienstag, 25. Februar 2020

Ost-West-Gegensätze und unser tägliches Brot


Vorwerk-Thermomix-TM6-COOKIDOO-und-XXL-Zubehoer-Varoma-NEU-OVP-TM-6-Kochbuecher

Interessant war für mich gestern Abend, zu erleben, wie in Katharina K., der Vorwerk-Beraterin, und meiner Russischlehrerin Natalia B., zwei ehemalige Bäckerinnen aufeinander trafen, die beide darin übereinstimmten, dass das, was wir heute als unser „tägliches Brot“ beim Bäcker kaufen, nicht mehr das gleiche gesunde Brot wie früher ist. Natalia hat in der Ukraine als Leiterin in einer Großbäckerei gearbeitet, und ich sah, als sie den Teig zu Baguettes formte, dass sie eine innige Beziehung zum Brotbacken hat. Katharina war früher Verkäuferin bei einer Haller Bäckerei.
Unser Wirtschaftssystem führt dazu, dass auch das traditionelle Bäckerhandwerk sich dem „Markt“ anpassen muss: große Auswahl, billige Zutaten als Backmischungen und kaum noch Handarbeit.
Das ist auch das einzige Problem, das ich mit dem Thermomix habe: es ist zu viel Maschinenarbeit. Solche intelligenten Maschinen bestimmen immer mehr den Rhythmus unseres Lebens. Das Ergebnis ist, dass wir das Gefühl bekommen, immer weniger Zeit zu haben, obwohl wir scheinbar Zeit gewinnen. Der Stress nimmt zu.
Vielleicht ist das durch die Maschinen getaktete Leben eine der Ursachen, warum so viele Menschen ausrasten. Wir entfernen uns nicht nur von der uns umgebenden Natur, sondern auch von unseren Mitmenschen.
Natürlich sind auch der Computer oder das Smartphone solche intelligenten Maschinen, die uns Lebensqualität versprechen, aber in Wirklichkeit vom Leben und vom Mitmenschen isolieren.
Gestern hatte ich ein längeres Gespräch mit Dorothea über die Vorfälle von Hanau und Volkmarsen. Wir waren uns einig, dass so etwas wie Angst die Menschen ergriffen hat, vielleicht auch verstärkt durch die scheinbar unaufhaltsame Ausbreitung des Chorona-Virus, die jetzt schon in den norditalienischen Provinzen Venetien und Lombardei dazu geführt hat, dass mehrere Städte gesperrt werden mussten.
Geistig gesehen war es für uns in gewisser Weise einleuchtend, dass dieses Virus ausgerechnet in China ausbrach, im Land der Mitte, in dem sich nach Aussagen der Geisteswissenschaft im 3. Jahrtausend vor Christus das geistige Wesen Luzifer als Mensch verkörpert hat.
China hat vor etwa 30 Jahren begonnen, die ganze Welt mit seinen Billigprodukten zu überschwemmen. Der kommunistische Kapitalismus ist in dieser Zeit zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen. Wie sehr die chinesische Wirtschaft die Weltmärkte beherrscht, sieht man nun an den Börsen, die wegen des Ausfalls der chinesischen Produktion durch die Chorona-Krise weltweit abstürzen. Irgendeine Macht hat sozusagen Sand ins Getriebe gestreut und bremst die Weltwirtschaft an einem sensiblen Punkt aus, wenn man die Provinz Wuhan mit ihren elf Millionen Einwohnern als „Punkt“ bezeichnen möchte.
Luzifer ist zuständig für die menschliche Erfindungsgabe, für Genialität und Kreativität. Es hat fast fünftausend Jahre gedauert, bis das „Land der Mitte“, in dem das Papier, das Porzellan und die Nudeln erfunden wurden, sich nach dem Tod des „großen Vorsitzenden“ der chinesischen KP für die Welt geöffnet hat und heute in allen Kontinenten „mitmischt“, während es bis dahin in sich selbst zu ruhen schien. Das ist ein historisches Ereignis erster Größe und korrespondiert mit der vom westlichen Silicon Valley ausgehenden Revolution im Bereich der intelligenten Maschinen, vor denen Elon Musk, einer ihrer Erfinder, vor ein paar Jahren ausdrücklich gewarnt hat. Diese intelligenten Maschinen führen zu der ungeheuren Beschleunigung unseres Lebens, die wir Menschen kaum noch verkraften können. Google, Amazon und die „sozialen Netzwerke“ beherrschen nicht nur den Handel und die Kommunikation, sondern auch die Köpfe von immer mehr Menschen.
Wir fühlen uns gefangen im weltweiten Netz einer gewaltigen Spinne, die uns die Lebenskraft aussaugen möchte. Parallel dazu verlieren immer mehr Menschen den Sinn in ihrem Leben, weil sie nichts anderes als die Weltanschauung des Materialismus kennen gelernt haben. In der Geisteswissenschaft wird das Wesen, das dahinter steht, Ahriman genannt.
Die schöne neue Welt der schillernden bezahlbaren Produkte aus dem Osten und die Orwellsche Welt der intelligenten Maschinen aus dem Westen sind im Begriff, sich die Hände zu reichen und unsere Politiker, die offensichtlich nicht die geringste Ahnung von geistigen Wesen haben, klammern sich an hilflose Schlagwörter: Antisemitismus und Rassismus.
Natürlich kann man auch hinter diesen beiden Begriffen das Wirken der genannten geistigen Wesen erleben.
Der Begriff „Antisemitismus“ hängt mit der Angst vor einer Übermacht bestimmter Mächte zusammen, die hinter den Kulissen der Geschichte die Menschen zu steuern scheinen. Es handelt sich dabei um eine weltweit agierende, kaum greifbare Macht, die aufgrund ihrer Intelligenz manchem als unheimlich erscheint. Symbol für diese Macht ist das Hexagramm oder der „Davidstern“. Die Macht dieser Gruppe hat nicht im Osten, sondern im Westen ihre Zentren, beherrscht das Silicon Valley, Hollywood und die Börsen von New York und London. Sie strebt nach dem totalen Überwachungsstaat im Sinne George Orwells Roman „1984“. Hinter dieser Macht verbirgt sich das geistige Wesen, das sich zu Beginn dieses dritten Jahrtausends für seine Inkarnation vorbereitet.
Der Begriff des "Rassismus" hängt eher mit der Angst zusammen, dass in der globalisierten Welt die bisher selbstständigen Völker von fremden Völkern überformt werden. Diese „Fremden“ kommen vor allem aus dem Osten, aus arabischen Ländern, aber auch aus Afrika. Der Rassismus wendet sich aber nicht nur gegen diese Volksgruppen, sondern seit kurzem auch gegen die Chinesen, die verdächtigt werden, das Chorona-Virus einzuschleppen.
Die Rassisten wehren sich also gegen die „schöne neue Welt“, die ihnen die Anhänger einer Multikultur schmackhaft machen wollen: alle Rassen im Konsum freundschaftlich miteinander vereint. Dieser geradezu paradiesische Zustand hat viel von einer Illusion, ist aber vielleicht doch das Ziel einer zukünftigen Gesellschaft, die im Augenblick aber noch viele überfordert. Das Symbol für dieses zukünftige Paradies des Wassermann-Zeitalters könnte das Yin- und Yang-Zeichen sein.
Mit dem „Thermomix“, der jetzt in meiner Küche und bereits in etwas über neun Prozent der deutschen Haushalte steht, hält ein phantastisches Gerät in meinem Leben Einzug, das im besten Fall für mein eigenes „tägliches Brot“, vielleicht aber auch überhaupt für gesunde Ernährung sorgt.
Die geistigen Mächte, die hinter den modernen Entwicklungen stehen und bei vielen Menschen Angst erzeugen, können, wenn sie durchschaut werden, durchaus auch in den Dienst des Menschen treten. Dazu ist aber eine Weltanschauung notwendig und Voraussetzung, die das Geistige in der Welt erkennt und anerkennt.

Montag, 24. Februar 2020

Weltschmerz




Nun war ich also mit Hamid aus meinem Kurs, dem vor drei Jahren in der Uni-Klinik Würzburg ein bösartiger Tumor aus dem Gehirn operiert worden war, und der sich seitdem nicht mehr so gut konzentrieren kann und vieles vergisst, in Würzburg. Wir brauchten etwa eine Stunde Zeit für die Fahrt. Um 8.00 Uhr parkte ich das Auto vor der Klinik, um 8.30 Uhr musste er ins MRT; anschließend musste er mit seinem Arzt sprechen. Um 11.00 Uhr war er fertig.
Ich wartete geduldig und las in verschiedenen ausgelegten Zeitschriften, unter anderen in einer Ausgabe der Mode-Zeitschrift „Elle“ vom November 2017. Thema dieses Heftes war die Farbe „blau“. Ein Artikel hat meine Aufmerksamkeit besonders auf sich gezogen. Er ist überschrieben: „Ach, Welt...“ und handelt vom „Weltschmerz“. Die Autorin oder der Autor sagt, dass dieses Wort, das als typisch deutsche Seelenstimmung sogar in andere Sprachen übernommen wurde[1] zum ersten Mal von dem Dichter Jean Paul benutzt wurde. Ein moderneres Wort für diese Stimmung kommt aus dem Englischen zurück: der „Blues“.
„Der Blues ist nicht bleiern wie die Depression, nicht schmerzhaft wie die Trauer. Man kann in diese Tristesse royale lustvoll abtauchen wie in ein warmes Bad. Aber wehe, man schaut durch diese mitternachtsblau getönte Brille und der Blick fällt auf eine Gruppe aufgekratzter Menschen, die sich für das siebte Selfie in Pose werfen. Schon fühlt man sich wie ein Alien. Denn das Glück ist in unserer spaßverliebten Gesellschaft die Leitkultur du jour. Wer nicht gut drauf ist, dem droht der soziale Tod.“
Weil ich noch Zeit hatte, bis ich um 15.00 Uhr für meine Nachhilfeschüler zurück in Crailsheim sein musste, schlug ich Hamid, der wegen der durch die OP verursachten Konzentrationsschwierigkeiten immer wieder in Depressionen versinkt und weint, weil er seiner Frau kein „richtiger Mann“ und seinem 11-jährigen Sohn, der sich so sehr ein Schwesterchen wünscht, kein „richtiger Vater“ sein kann, vor, ein wenig durch Würzburg zu laufen. Ich nahm ihn mit in die Hofkirche der Residenz, nachdem uns ein Blick auf Tiepolos berühmtes Fresko im Treppenhaus verwehrt worden war, um ihm den barocken Glanz der Marmorsäulen, der weißen Statuen und der Fresken zu zeigen. Er wollte als tief gläubiger Muslim die Kirche, die hier eigentlich mehr ein Museum ist, gar nicht betreten. Ich musste ihn geradezu dazu „überreden“. Ich verstand, dass es ihm unangenehm war, und führte ihn deshalb anschließend nicht durch den Würzburger Dom, sondern an ihm vorbei bis zur Mainbrücke mit ihren Heiligen- und Fürstenstatuen aus grauem Sandstein.
Hamid erklärte mir, dass er sich früher, als er noch in einer kleinen Stadt bei Skopie gewohnt hat, Kultursendungen gerne im Fernsehen angeschaut hat. An diesem Rosenmontag aber schien er kein sonderliches Interesse an europäischer Kultur zu haben, vielleicht, weil er ganz andere Sorgen hatte. Er folgte mir eher wie ein Diener, der seinem Herrn einen Gefallen tun will. Ich spürte nicht die geringste Begeisterung.
Natürlich fragte ich mich bei diesem kurzen Ausflug in die barocke Residenzstadt, wie weit die Integration unserer muslimischen Mitbürger überhaupt gehen kann. Ich hatte zum wiederholten Mal erlebt, dass die meisten Menschen vom Balkan oder den arabischen Ländern wenig Sinn für europäische Kultur haben: das Essen gefällt ihnen nicht, von deutscher Literatur wissen sie nichts, von deutscher Geschichte kennen sie gerade den Namen Hitler.
Das wurde mir besonders bewusst, als ich 2016 mit meinem ersten Kurs, in dem ich vorwiegend akademisch gebildete Syrer, Iraker und Iraner unterrichten durfte, zu einer „Wilhelm-Busch-Ausstellung“ nach Schwäbisch Hall fuhr, nachdem wir schon im Kurs die ersten Zeilen dieser „Lausbubengeschichte“ rezitiert hatten. Die Kursteilnehmer waren also vorbereitet. Dennoch spürte ich bei den wenigsten einen echten Zugang. Bei einer recht strenggläubigen Muslimin, die selber Lehrerin war und drei Kinder hat, erlebte ich sogar offene Ablehnung. Sie meinte, dass man solch ein Buch mit Kindern nicht lesen dürfe.
Ich bin – offen gesagt – kein großer Freund der Religion des Islam, auch wenn ich ihn selbstverständlich toleriere wie jede andere ehrliche religiöse Überzeugung. Schon allein das Frauenbild Mohameds gefällt mir nicht. Auch das Verbot des Baus christlicher Kirchen in den meisten muslimischen Ländern finde ich ungerecht.
Ich bin ein religiöser Mensch und würde mich als Christ bezeichnen. Niemals würde ich mich jedoch deshalb als eine Art besserer Mensch über andere erheben wollen. Für mich gilt der Satz Christi: „Was ihr einem der geringsten eurer Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Ich mag nicht, wenn sich Menschen abfällig über andere Menschen erheben und sei es auch nur über ihre Meinung oder ihren Glauben. Andererseits kann ich Kritik akzeptieren, denn ich hinterfrage meine Ansichten jeden Tag. Ich habe die Wahrheit nicht gepachtet.
Deshalb finde ich es so unverständlich, dass intelligente Menschen ständig andere abkanzeln, die ihre Meinung offen vertreten. Ich bin kein Anhänger der AfD, aber ich achte die Menschen- und Bürgerrechtsartikel unseres Grundgesetzes als Grundlage unserer Demokratie. Wenn diese jedoch ausgehebelt werden, weil sich einige darüber hinwegzusetzen meinen, weil sie „Kante“ zeigen wollen und Angst vor einer „faschistischen Machtergreifung“ haben, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Wahl-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind hohe demokratische Güter. Wenn nun einer von einem Teil der Deutschen auf demokratische Weise gewählten Partei in vielen Städten durch die sogenannten „Antifaschisten“ Versammlungsräume verweigert werden, so kann ich das nicht mehr akzeptieren. Wenn diejenigen, die sich für etwas Besseres halten, die Abgeordneten der AfD als „Brandstifter“ und „Rassisten“ klassifizieren, so führt das nur zu einer Spaltung in unserem Land, die nichts Gutes für die Zukunft verspricht.
Wer ständig die Worte „Antisemitismus“ und „Rassismus“ im Munde führt, könnte tatsächlich dazu beitragen, dass genau diese Dinge in einer Art „selffulfilling prophecy“ in naher Zukunft unser Land bestimmen werden. Nicht die vielen, die ihren Mund nicht aufmachen, weil sie inzwischen Angst haben, ihre Meinung offen zu sagen, sind die „Bösen“, sondern jene, die meinen, sie seien die „Besseren“, indem sie in ihrer Selbstüberschätzung demonstrativ verbal „Haltung“ gegen rechts zeigen. Diese sich selbst für die „Anständigen“ Haltenden degradieren in Wirklichkeit die „Würde“ all jener Menschen, die sie zum „rechten Pack“ zählen. Schon allein dieser Ausdruck ist genauso diskriminierend wie die Bezeichnung „Faschist“ für den AfD-Politiker Björn Höcke.
Immer noch steht für mich der Mensch über seiner politischen Anschauung. Jeder Mensch hat eine Würde, die „unantastbar“ ist. Wer in seiner ideologischen Verblendung Menschen, die er gar nicht persönlich kennt, zu Feinden der Demokratie abstempelt, der ist für mich der wahre Feind der Demokratie.
Wenn es Menschen gibt, bei denen der „Weltschmerz“ angesichts solcher Einstellungen unerträglich wird, dass sie ihren Gefühlen in einer Wahnsinnstat Luft verschaffen, dann ist das unendlich tragisch, aber vielleicht auch eine Folge jener ständigen Isolierung und Diffamierung, die die „Anständigen“ seit ein paar Jahren betreiben.
Wie unhaltbar die sofort parate Formel vom „Rassismus“ des Täters von Hanau ist, sieht man schon daran, dass er in seiner totalen Verzweiflung die eigene Mutter getötet hat, also den Menschen, der ihm das Leben geschenkt hat. Es ist so wahnsinnig, dass es unendlich weh tut. Wenn man von Rasse im Sinne von genetischem „Material“ sprechen möchte, das von einer Generation auf die andere übertragen wird, dann wird man als echter Rassist nicht seine Mutter töten. Wenn man sich als Mitglied einer "überlegenen" Rasse für wertvoller als andere Menschen hält, dann wird man sich auch nicht selbst töten.
Ich bleibe dabei: Die Tat von Hanau war die Wahnsinnstat eines einzelnen, der den „Blues“ nicht mehr aushielt.



[1]  Ich denke dabei auch an ein anderes Wort, dass zumindest in den englischsprachigen Ländern bekannt ist, nämlich an das Wort „german angst“.

Samstag, 22. Februar 2020

Vor 77 Jahren wurde im Tode ein neues Menschengeschlecht geboren - zum Tod von Sophie und Hans Scholl und von Christoph Probst



Theodor Haecker von Richard Seewald

Lena liegt mit Fieber im Bett, schon den ganzen Tag. Sie kommt einfach nicht heraus aus dem Kranksein.
Ich habe aber die Tatsache genutzt, dass wir heute Nachmittag nicht einkaufen mussten und bin nach Forchtenberg gefahren, um an der „Denkarbeit Weiße Rose“ teilzunehmen, die die unermüdlichen Rosenliebhaber Renate  und Hans-Jürgen Deck an diesem 77. Todestag der zwei Geschwister Sophie und Johannes Scholl und ihres Freundes Christoph Probst, vorschlugen. Ich kann nur immer wieder dankbar sein, wenn ich erleben darf, was diese beiden Persönlichkeiten für das positive Gedächtnis an die drei Märtyrer der NS-Zeit und des menschenverachtenden Regimes beitragen. Am 22. Februar 1943 endeten die jungen Leben unter der Guillotine des NS-Regimes.
Das Motto, dass Renate und Hans-Jürgen ihrem mehrteiligen Gang durch das Gedenkjahr voranstellen, lautet: „Die weiße Rose ist die Überwindung des Unerklärlichen“ – ein Satz, über den auch ich noch nachdenken muss.
Um 14.00 Uhr begann der Rundgang, an dem zunächst etwa fünfundzwanzig, mir zum Teil schon bekannte Menschen teilnahmen, beim barocken Teehaus jenseits des durch den ergiebigen Regen der letzten Tage angeschwollenen Kochers in den Kocherwiesen, umgeben von einem kleinen, noch recht kahlen Gärtlein.
Mein erster Eindruck: ein wahres Zwergenhaus.
Da ich eine Umleitung benutzen musste, traf ich eine Viertelstunde zu spät ein und konnte nur noch die allerletzten Worte, die Renate sprach, hören. So liefen wir gemeinsam über den Kocher zum Würzburger Tor, dem früheren Wirkensort von Renate und Hans-Jürgen. Vor der Stadtmauer versammelten wir uns kurz in einem Gärtchen, in dem für die nächsten Jahre bis zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl im Jahre 2021 ein Rosengarten eingerichtet werden soll. Hans-Jürgen liest eine kurze Geschichte von Manfred Kyber vor, den die Scholls auch sehr gern lasen: „Ein großes Ereignis“ aus den „Tiergeschichten“.
Die dritte Station war das Rathaus, wo wir uns im Sitzungssaal versammelten, und einem sehr einfühlsamen Vortrag von Bernhard Woll aus Eberbach an der Jagst über den christlichen Philosophen Theodor Haecker lauschten, der am 4. Juni 1879 in eben diesem Eberbach-Mulfingen geboren wurde und einer der geistigen Lehrer der Mitglieder der Weißen Rose, und insbesondere auch von Sophie und Hans Scholl, war. Herr Woll hatte verschiedene Werke des bedeutenden Mannes dabei, die leider heute nicht mehr aufgelegt werden und deswegen nur noch antiquarisch zu haben sind, zum Beispiel „Vergil, Vater des Abendlandes (Leipzig 1931), „Schöpfer und Schöpfung“ (Leipzig 1934) und die „Tag- und Nachtbücher 1935 - 1945“ (München Kempten 1947), seine Tagebücher, die nur knapp der Konfiszierung (und Vernichtung) durch die Gestapo entkommen sind, wie Herr Woll anschaulich berichtete. Der Vortragende las auch die eindrucksvolle, knappe Charakterisierung Theodor Haeckers durch Sophie Scholls vor, die sie am 7. Februar 1943, zwei Wochen vor ihrer Hinrichtung, in einem Brief an ihren Verlobten Fritz Hartnagel aufschrieb:
„Seine Worte fallen langsam wie Tropfen, die man schon vorher sich ansammeln sieht, und die in diese Erwartung hinein mit ganz besonderem Gewicht fallen. Er hat ein sehr stilles Gesicht, einen Blick, als sähe er nach innen. Es hat mich noch niemand so mit seinem Antlitz überzeugt.“[1]
In seinen „Tag-und Nachtbüchern schrieb Theodor Haecker 1941 ein „Notat an die Deutschen“:
„Euer Ruhm ist ohne Glanz. Er leuchtet nicht. Man spricht von euch, weil ihr die besten Maschinen habt – und seid. In diesem Staunen der Welt ist kein Funke der Liebe. Und nur Liebe gibt Glanz. Ihr haltet euch für auserwählt, weil ihr die besten Maschinen, Kriegsmaschinen baut und sie am besten bedient. Ihr seid grotesk und ‚un‘-menschlich. Eine andere Rasse! Ihr Freunde, nicht diese Menschen! Lasset uns andere schaffen ... Aber wie? Christlich ist nur ein Weg: Umkehr, tätige Reue.“
Es leuchtet unmittelbar ein, dass solche Sätze den damaligen Machthabern nicht gefielen und dass die Wohnung Theodor Haeckers in München mehrmals durchsucht wurde, wobei die Häscher des Systems alles auf den Kopf stellten. Wie gefährlich Worte sind, kann man unter anderem an diesem Mann ablesen, der vor kleinem Kreis las oder sprach und es schaffte, während der dunklen Jahre bei einem befreundeten Verleger einige hell leuchtende Bücher zu veröffentlichen.
Renate Deck erzählte anschließend, wie sie an einem Januar-Tag im Jahr 2005 mit dem Zug im größten Schneetreiben nach München fuhr, um der Premiere des Films „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ von Marc Rothemund[2] beizuwohnen. Auf dem Rückweg, der sie über Nürnberg und Ansbach, die beiden Kaspar-Hauser-Städte, führte, lernte sie bei den verschiedenen durch das Schneetreiben erzwungenen Verspätungen einen Mann kennen, der in einem Lokal in Mistlau an der Jagst mit seinem besten Freund verabredet war. Es stellte sich heraus, dass dieser „beste Freund“ ein Sohn des Bruders von Fritz Hartnagel war.
Renate las abschließend eine Passage aus einem aus der Feder von Theodor Haecker stammenden Bericht über die Hinrichtung des Lordkanzlers Thomas Morus unter dem englischen König Heinrich VIII. vor, was wie eine Vorausdeutung auf die Hinrichtung des jungen Dreigestirns war. Es wurde eine Parallele zwischen dem tyrannischen Heinrich und Hitler angedeutet. Thomas Morus blieb bis zum Schluss „königstreu“, die Geschwister Scholl waren es bis zu dem Tag, als Hans auf dem Weg an die Ostfront sah, wie die Nazis die Juden behandelten. Damals wurden sie von Anhängern zu erbitterten Gegnern des Regimes, was ihnen schließlich das Leben kostete.
Die vierte Station unseres Rundgangs war die evangelische Michaelskirche, in der Sophie Scholl am 10. Juli 1921 getauft worden ist. Man muss eine steile Treppe hoch steigen, um zu der Kirche, die auf mittlerer Höhe des Kochertalhanges, an dem das Städtlein Forchtenberg gelegen ist, zu gelangen. Eine Gedenktafel erinnert an den letzten Traum, den Sophie Scholl ihrer Gefängniswärterin erzählte. Sie sah sich im Traum in einem langen weißen Kleid einen steilen Weg hinaufsteigen. Dabei trug sie ein Kind. Einmal drohte sie das Kind zu verlieren, aber es gelang ihr, es rechtzeitig zu retten. Das Kind, so interpretierte Sophie Scholl den Traum selber, seien die Ideen der Weißen Rose, die ja maßgeblich von zwei Denkern beeinflusst waren: Von dem vorhin genannten Theodor Haecker und von dem Kirchenvater Augustinus, dessen Büchlein „Die Bekenntnisse“ Sophie Scholl immer bei sich trug.
Pfarrer Bernhard Glück führt uns in der Kirche in das Leben und Denken des auch für Martin Luther wichtigen Kirchenvaters ein. Ein Zitat, das vor allem Hans (Johannes) Scholl gefallen haben dürfte, der gerne schrieb, gefällt auch mir:
„Durch das Schreiben komme ich vorwärts und im Vorwärtskommen schreibe ich.“
Renate Deck beendet den Nachmittag mit einem wunderbaren Bild. Sie erinnert an das Märchen von Schneewittchen, das hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen vor ihrer bösen Stiefmutter Schutz suchte und fand, bis diese es dennoch schaffte, sie zu vergiften. Das Bild vom Schneewittchen im gläsernen Sarg mag auch auf die drei Märtyrer und insbesondere auf Sophie Scholl hindeuten, deren mutiges Eintreten für ein neues Menschengeschlecht eines Tages Früchte tragen wird.
Die doppelte Nennung der Zahl „sieben“ in dem Märchen weist auf den heutigen Tag, denn es ist genau 77 Jahre her, seitdem das Schicksal der drei mutigen jungen Menschen besiegelt wurde und sie dadurch die Ehre Deutschlands retteten, indem sie zeigten, dass die Deutschen nicht nur Kriegsmaschinen bedienen können: Es ist seliger gehasst zu werden als zu hassen.
Vielleicht sind die etwa 14 Zuhörer, die bis zum Abschluss ausgeharrt haben, die Vorläufer dieses neuen Menschengeschlechts.
Renate und Hans-Jürgen Deck sind es mit Sicherheit.

Freitag, 21. Februar 2020

Versuch, die Schreckenstat von Hanau zu verstehen

A screengrab showing gunman Tobias Rathjen.

Seitdem Bundeskanzlerin Angela Merkel, der wir schon die „alternativlose“ Bankenrettung verdanken und die kürzlich die demokratisch unvereinbare Ministerpräsidentenwahl von Thüringen als „unverzeihlich“ rückgängig machen ließ, im September 2015 veranlasste, dass über eine Million Flüchtlinge aus den von Amerika bombardierten „Schurkenstaaten“ illegal nach Deutschland einreisen durften, indem sie optimistisch meinte, „wir schaffen das“, gibt es in unserer „demokratischen“ Republik immer mehr Menschen, die mit ihrer Politik nicht (mehr) einverstanden sind und zum Beispiel eine „Alternative für Deutschland“ wollen.
Diese Leute werden seit Chemnitz systematisch als Rechtsextreme klassifiziert, ohne dass irgendjemand einmal eine klare Definition dieses Begriffes gibt. Es reicht, „Nazi“ zu rufen, und schon wissen alle, was gemein(t) ist. Man wehrt sich gegen die „braune Flut“ und fühlt sich auf der richtigen Seite. Inzwischen wurden von den Medien zwei weitere Schlagwörter ins kollektive Bewusstsein gehämmert, die den Begriff „rechtsextrem“ scheinbar genauer umschreiben: „Antisemitismus“ und „Rassismus“. So einfach ist das Weltbild der „guten Demokraten“ gestrickt, die unsere Bundesrepublik verteidigen. Presse und Politiker zeigen sie beim Demonstrieren „gegen rechts“ und beim Reden gegen das „Gift“ des rechten Hasses.
Früher hat man einmal von „Wutbürgern“ gesprochen. Inzwischen ist aus der Wut „Hass“ geworden, und die Tatsachen scheinen diesen „Anständigen“ (Lars Klingbeil, SPD) recht zu geben: Seit Halle und Hanau steht fest: der „Feind“ steht rechts und er ist antisemitisch und rassistisch. Wehe, man sucht den Feind wo anders. Dann ist man ein wirrer Verschwörungstheoretiker. Schon wenn man von der allgemein geduldeten Meinung abweicht, ist man ein „Brandstifter“ und mitverantwortlich, wenn in Deutschland in Kürze die Nazis die Macht übernehmen.
Die Tatsachen gehen im Mediengewitter unter und werden systematisch ausgeblendet: sowohl der Einzeltäter in Halle, als auch der Einzeltäter in Hanau waren arme, psychisch kranke Menschen, die unter der unerträglichen Diskriminierung litten, die ihr unbeholfenes „Denken“ als „rechts“ stigmatisierte. Sie konnten mit niemand darüber sprechen, ihr „falsches“ Denken staute sich in ihren Seelen auf, bis  es sich durch einen Gewaltakt Luft verschaffte. In ihrem tieferen Bewusstsein richtete es sich gegen zwei Gruppen von Menschen, die sich in ihren wirren Gedanken als die Hauptschuldigen an der Misere, in die ihre Heimat seit 2015 geraten war, herauszukristallisieren schienen: gegen Juden und Moslems.
Tragisch ist dabei, dass sie für ihre Gewaltakte ausgerechnet zwei Städte auswählten, die bisher mit ganz anderen Geistern deutscher Kultur verbunden waren: Halle mit dem Pietismus des August Hermann Francke, Hanau mit den Gebrüdern Grimm.

Nun habe ich die heutige Ausgabe der Bildzeitung gelesen, die ich ja nun seit ein paar Wochen regelmäßig bekomme und tatsächlich auch lese – was für mich eine ganz neue Erfahrung ist, denn auch ich hatte bisher die üblichen Vorurteile gegen dieses „rechte Hetzblatt“ – und etwas mehr über den Täter von Hanau erfahren: Er hatte drei Tage vor seiner Gewalttat, die sich hauptsächlich gegen Türken richtete, am 17. Februar, seinen 43. Geburtstag. Er wohnte im ausgebauten Kellerzimmer seiner Eltern in einem Viertel in Hanau-Kesselstadt. Sein Vater (73) war Betriebswirt und hat noch im Jahr 2011 als Ortsrat für Bündnis 90/die Grünen kandidiert. Seine Mutter (72), die Tobias Rathjen kurz vor seinem finalen Suizid mit in den Tod riss, war Hausfrau. Tobias hat Abitur gemacht, danach eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert und schließlich noch ein BWL-Studium abgeschlossen, um dann als gutbezahlter Banker in einer bayerischen Versicherungsgesellschaft zu arbeiten. Auch Fußball spielte er regelmäßig, saß also nicht in seiner Freizeit nur vor dem Computer wie die „klassischen“ Amokläufer.
Vor zwei Jahren trennte er sich im Streit von seinem Arbeitgeber.
Freunde beschreiben ihn als sehr selbstbewusst und als „einen harten Hund“, der auch schon drei Tage nach einer Operation schon wieder arbeitete. Er hielt sich selbst für überdurchschnittlich intelligent, ja für ein Genie. Und hier beginnen seine Wahnvorstellungen. Er glaubte, seine genialen Ideen würden von einer Geheimorganisation, die die Welt beherrscht, angezapft und zum Beispiel in Hollywood-Filmserien umgesetzt.
Tobias war ein regelmäßiger Filmseher und fühlte sich seit seiner Geburt als überwacht.
Mit dieser schizophrenen Wahnidee und einer Seele, die von einer Sekunde auf die andere von „lieb“ auf „aggressiv“ wechseln konnte, wie es Freunde beschreiben, gelangte er immer mehr zu seinen extremen Ansichten, die er in einem 24-seitigen wirren Manifest, das er kurz vor der Tat ins Internet stellte, formulierte. Diese Ansichten sind so abartig, dass man nicht behaupten kann, dass sie aus einem intelligenten Kopf geboren wurden, sondern sie können nur aus einem kranken Gehirn stammen. Aber was ist ein „krankes Gehirn“?
Tobias Rathjen weist in seinem Manifest selbst indirekt auf ein besonderes Ereignis hin, wenn er schreibt: „Mein Leben lässt sich in zwei Abschnitte gliedern. Einmal in die Zeit, in der ich hin und wieder gelegentlich daran dachte, ob es sein könnte, dass ich überwacht werde und in die Zeit, ab der ich die volle Gewissheit darüber gewonnen habe, dass dem so ist.“
Vielleicht fiel dieser Zeitpunkt in das Jahr 2018, als er seine Arbeit verlor. Irgendetwas ist damals mit Tobias Rathjen passiert. Ich vermute, dass der „fremde Geist“, der ihm seit Jahren wie eine zweite Person zur Seite stand, vollends die Macht über ihn übernommen hat.
Aber das ist bisher reine Spekulation, für mich aber durchaus eine mögliche Erklärung für die schreckliche Tat.


Eben fällt mir ein, dass ich zwar mein Mitgefühl gegenüber dem Täter, jedoch nicht mein Mitgefühl gegenüber den Opfern ausgedrückt habe. Auch wenn ich mit jedem gewaltsam aus dem Leben Gerissenen mitleide, egal ob es im Frieden oder im Krieg Ermordete sind, so will ich dennoch ausdrücklich auch mit tiefer Trauer der Opfer gedenken, die am Mittwochabend zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Beurteilen kann ich es nicht, denn ich kann nicht in das Schicksalsgeschehen hineinschauen, das in diesen so unvermittelt aus dem Leben gerissenen Menschen waltete. Ich weiß nur, dass es unter dem Aspekt „sub specie aeternitate“, also unter dem Aspekt einer geistigen Sichtweise, keine sinnlosen Zufälle gibt. Alles, was uns hier auf Erden als „zufällig“ erscheint, hat irgendwo einen tieferen Sinn. Zumindest glaube ich daran, auch wenn ich genauso erschüttert bin durch die Tat eines irregeleiteten Einzelnen, der mit einer mörderischen Waffe in der Hand für elf Menschen Schicksal „gespielt“ hat, darunter für seine eigene Mutter. Diese Taten werden ihn nach dem Tod verfolgen und dort wird er weinen ohne Ende, vielleicht sogar brennen.
Die Opfer aber möchte ich genauso ins Jenseits begleiten, zumal sie genau aus den Ländern stammen, aus denen auch viele Teilnehmer meiner Sprachkurse kommen: zwei aus der Türkei, je eines aus Bulgarien und aus Rumänien, eines aus Bosnien-Herzegowina und eines aus Afghanistan. Drei der Opfer hatten eine deutsche Staatsangehörigkeit.

Mittwoch, 19. Februar 2020

Information und Desinformation


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Eben sah ich einen ZDF-Bericht[1] mit dem Titel „Jagd auf den Diktator“ über den Einsatz der NATO in Libyen im Jahr 2011. Dieser Bericht macht klar, dass dieser Einsatz gewollt war und dass im Vorfeld eine ganze Propaganda-Maschine aktiviert wurde, um den Machthaber zu dämonisieren. Ein Kongressabgeordneter (Denis Kucinich) erklärt in der Dokumentation, dass die „Ausschaltung“ der drei arabischen Diktatoren Sadam Hussein, Muammar Al Gadhafi und Bashar Al Sadat schon „viele Jahre“ beschlossene Sache war (Minute 22:50).

Danach habe ich einen interessanten Beitrag zum Thema „Idlib“ auf Facebook gefunden:

Hans Christian Wächter an Friedenswerkstatt Hamburg

Frieden in Sichtweite: Syrische Truppen bedrängen letzte Terroristen in Idlib – Türkei schickt Hilfe für Al-Kaida in Syrien und Libyen ++

 

Der seit 2011 andauernde Konflikt in Syrien hätte längst beendet und durch einen politischen Prozess fortgesetzt werden können. Doch einige der Akteure, die diesen Krieg schon von Anfang an angefacht haben, tun derzeit alles, damit ein Frieden so lange wie möglich hinauszögert wird.
Neben den USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi Arabien und Katar, machen vor allem Israel und die Türkei negativ auf sich aufmerksam. Während Israel weiterhin völkerrechtswidrige Luftschläge auf Syrien unternimmt und dabei unbeteiligte Zivilmaschinen als Deckung für die eigenen angreifenden Kampfjets in eklatanter Weise missbraucht, fährt die Türkei die Unterstützung für verschiedene Terrorgruppen massiv hoch.
Es steht außer Zweifel, dass in der syrischen Provinz Idlib verschiedene – mit Al-Kaida und ISIS verbundene – Terrorgruppen herrschen. Diese von westlichen Staaten und Medien verharmlosend als „Oppositionelle“ oder „Freiheitskämpfer“ bezeichneten Verbrecher terrorisieren nicht nur die Zivilbevölkerung, sie halten diese auch als Geiseln gefangen und missbrauchen sie als menschliche Schutzschilde. Humanitäre Hilfsgüter werden von den Terroristen abgefangen und Fluchtkorridore werden blockiert oder gezielt beschossen. Aus Idlib heraus greifen diese Al-Kaida-Terroristen auch immer wieder die zivile und militärische Infrastruktur in den angrenzenden – bereits befriedeten Regionen an.
Die Türkei konnte oder wollte die Vereinbarungen von Astana und Sotschi nicht erfüllen. Als „Schutzmacht der Terroristen“ verpflichtete sich Ankara unter anderem die Autobahn-Verbindung-M5 von Kämpfern mitsamt ihrer schweren Kriegswaffen zu räumen und diesen Prozess und die Einhaltung der Waffenruhe mit eigenen Beobachtungsposten zu gewährleisten. Außerdem sollte die Türkei die radikalen Islamisten von den weniger radikalen Kämpfern trennen – wenn es diese überhaupt gibt.
Allerdings geschah daraufhin exakt das Gegenteil, von dem, was abgemacht wurde. Die Terroristen nutzten von da an die türkischen Militärbasen als Ausgangspunkte ihrer Angriffe auf zivile und militärische Ziele in Syrien. Und immer dann, wenn die syrische Armee auf diese Angriffe antwortete, zeigte sich Ankara erbost. Jede Offensive der syrischen Armee endete dann schließlich damit, dass Ankara bei Moskau eine neue Waffenruhe und einen weiteren Zeitaufschub für die Umsetzung der Vereinbarungen von Astana und Sotschi forderte – und auch erreichte. Bis Mitte Januar 2020 funktionierte die Hinhaltetaktik der Türken.
Dann platzte den Verantwortlichen in Damaskus und Moskau der Kragen. Die Streitkräfte Syriens und Russlands begannen eine Offensive gegen die von der Türkei unterstützten Al-Kaida-Terroristen. Dieses Mal stieß die Türkei mit ihrer routinemäßigen Forderung nach einer weiteren Waffenruhe und einem Zeitaufschub für die Vereinbarungen beim Kreml auf taube Ohren. Daraufhin geschahen interessante Dinge!
Die Türkei war plötzlich in Panikmodus und öffnete mehrere neue Fronten aus den von ihr 2017 eroberten Städten wie al-Bab auf die syrische Armee. Sieben syrische und vier russische Militärangehörige wurden dabei hinterhältig getötet. Die rote Linie wurde überschritten. Die russische Antwort kam prompt: Luftschläge auf Al-Kaida-Terroristen in al-Bab – bis diese Front sofort wieder begraben wurde. Und erstmals gab es Luftschläge gegen das türkische Militär in Syrien – mit Toten auf türkischer Seite. Die Türkei versuchte die schnelle Offensive der syrischen Armee in Idlib mit allen Mitteln zu stoppen. Ankara schickte noch mehr Truppen an die Front, um Al-Kaida aktiv zu unterstützen. Die gemeinsamen Angriffe der türkischen Armee und Al-Kaida beantworteten die Streitkräfte Syriens und Russlands mit noch härteren Schlägen – und wieder mit Verlusten auf türkischer Seite.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis türkische Soldaten – die für Erdogan und Al-Kaida ihren Kopf hinhalten – bei Vergeltungsschlägen sterben mussten. Weil Russland den gesamten Luftraum beherrschte, schickte die Türkei in ihrer Verzweiflung immer mehr Bodentruppen in die Kampfzone. Die türkischen Drohungen gegen Russland, auch notfalls Kampfjets abzuschießen, wirkten dumm und unüberlegt. Nun patrouillieren russische Su-35 Kampfjets an der Grenze zur Türkei. Sollte die Türkei etwas Ähnliches wie 2015 versuchen, wird die Antwort dieses Mal verheerend für Erdogan ausgehen.
Und obwohl nahezu alle ethnischen und religiösen Minderheiten Syriens die türkische Invasion ablehnen, die Christen beispielsweise fest hinter Präsident Assad stehen, unterstützen westliche Regierungen und Medien mehr oder weniger offen den völkerrechtswidrigen Vorstoß des NATO-Partners Türkei. Es sind dieselben westlichen Regierungen und Medien, welche die Kurden gegen Assad benutzt und schließlich fallen gelassen haben. Jedes Land außerhalb der NATO hätte der Westen für ein solches völkerrechtswidriges Vorgehen bereits sanktioniert oder mit Krieg bedroht. Aber die Heuchelei und Doppelmoral des Westens kennt keine Grenzen.
Die Türkei hat mit ihrer offenen Unterstützung für Al-Kaida und ISIS-Terroristen allerdings einen immensen Image-Schaden erlitten. Hinzu kommen die Bilder von eigenen Soldaten, die in Särgen heimkehren. Und Bilder von brennenden türkischen Militärkonvois und zerfetzten Panzern zerstörten auch das Bild der „unbesiegbaren Türkei“. Der Stolz der Türken ist angekratzt und der Traum vom neo-osmanischen Reich scheint sich in Luft aufzulösen. Da halfen auch die beweislosen Propagandalügen nichts, wo angeblich die Türkei bei Vergeltungsschlägen hunderte oder gar tausende syrische Soldaten „neutralisierte“. Die Erdogan-Medien müssen solche Erfolgsmeldungen erfinden, um die eigene Bevölkerung zu beruhigen. Auch das russische Militär registrierte keinen einzigen Vergeltungsschlag der Türkei auf Syrien und es gab auch keine Luftraumverletzung. Allerdings lieferte die Türkei moderne tragbaren Luftabwehrraketen an die Terroristen, womit sie innerhalb weniger Tage zwei syrische Hubschrauber abschießen konnten. Al-Kaida wird dank der türkischen Zuwendungen in Zukunft in der Lage sein, überall auf der Welt auch zivile Flugzeuge bei Starts und Landungen abzuschießen. Ein Albtraum wird wahr und die internationale Gemeinschaft schaut tatenlos zu!
Mit seiner harten Herangehensweise wollte Erdogan wahrscheinlich nur eine Drohkulisse aufbauen, um die Russen abermals zum Einlenken zu bewegen – oder zu erpressen. Bisher erfolglos! Die syrische Armee marschiert mit Hilfe russischer Luftunterstützung unbeirrt weiter und befreite innerhalb weniger Tage mehrere strategisch wichtiger Städte, Dörfer und die komplette Autobahn M5 – welche die beiden wichtigsten Städte des Landes verbindet [Damaskus – Aleppo]. Darüber hinaus wurden mindestens 7 türkische Beobachtungsposten durch die syrische Armee umzingelt – hunderte türkische Soldaten sitzen nun in der Falle – und müssen bei weiteren Provokationen durch Erdogan um ihre Leben fürchten.
Denn unverhohlene Drohungen aus Ankara gegen Syrien nehmen von Tag zu Tag zu. Die türkische Regierung fordert bis Ende Februar den Rückzug der syrischen Armee aus der syrischen Provinz Idlib und die Rückgabe der Städte an Al-Kaida. Sollte das nicht geschehen, so droht die Türkei mit einem Alleingang gegen ganz Syrien – ohne Rücksicht auf Russland.
Könnte sich Erdogan dieses Mal überschätzt haben? Immerhin ist die türkische Lira seit dieser Eskalation im freien Fall. Innenpolitisch steht die türkische Regierung massiv unter Druck. Die erfahrenen Generäle und Kampfpiloten sitzen seit dem Putschversuch hinter Gittern. Und der unüberlegte Einmarsch in Idlib bewirkte zudem, dass die kurdische YPG mit der syrischen Armee eine neue Front eröffnen konnte, um die Terroristen westlich von Aleppo einzukesseln. Die nächste Etappe wäre die Rückeroberung von Afrin. Eine solche Demütigung würde Erdogan politisch nicht überleben.
Man darf also gespannt sein, ob die Türkei ihren aggressiven und völkerrechtswidrigen Kurs gegen Syrien beibehält. Die USA sehen derweil ihre Chance, die prekäre Situation für sich zu nutzen, indem man die Türkei und Russland gegeneinander weiter aufwiegelt.
Und die wichtigste Frage: Wie wird Russland auf die andauernden Provokationen reagieren? Wird der Kreml wieder irgendwann klein beigeben, um die Türkei nicht als „Partner gegen den Westen“ zu verlieren? Oder wird Moskau den Preis für die Türkei so weit in die Höhe treiben, bis Erdogan nachgibt? Auf letzteres deutet die erstmalige Verlegung von mindestens 3 russischen strategischen Langstreckenbombern vom Typ Tupolev Tu-160 nach Latakia hin. Und die syrische Armee bringt erstmals nach Jahren die gefürchteten thermobarischen Mehrfachraketenwerfer vom Typ TOS-1A Buratino an die Frontlinien.
Erdogan riskiert das Leben von knapp 10.000 türkischen Soldaten, um Al-Kaida-Terroristen vor der Vernichtung zu bewahren. Anstatt dem Nachbarland zum Frieden zu verhelfen, damit auch die Flüchtlinge zurückkehren können, träumt Erdogan von einer neuen osmanischen Macht im Nahen Osten. Viele Türken in der Türkei blicken mit großer Sorge auf die kommenden Ereignisse und lehnen den Kurs Erdogans strikt ab. Die Türken im Ausland unterstützen hingegen Erdogans Vorgehen – weil sie selbst davon nicht unmittelbar betroffen sind und sich keine Gedanken über mögliche Konsequenzen machen müssen.
Auf der anderen Seite könnte die Türkei Giftgasangriffe inszenieren – dessen Schuld man abermals Syrien anhängt – womit die internationale Gemeinschaft auf den Plan gerufen wird, um Al-Kaida vor der Vernichtung zu retten.
Erdogan ist übrigens nicht nur der Präsident der Türkei, sondern auch ein bekennendes Mitglied der Muslimbruderschaft – die Mutterorganisation von Al-Kaida und ISIS. Unterstützt wird die von den Briten gegründete „Bewegung“ vorwiegend von der Türkei und Katar. In Syrien, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und in vielen anderen Staaten gelten die Muslimbrüder als terroristische Vereinigung.
Die Fronten in Syrien ähneln inzwischen denen von Libyen. Nach der Ermordung von Gaddafi hat die UN in Tripolis über die Köpfe der libyschen Bevölkerung hinweg eine Regierung installiert und anerkannt, von denen sich westliche Staaten Zugriff auf die großen Bodenschätze des Landes erhofften. Gestützt wird die „Regierung in Tripolis“ fast ausschließlich durch Terrorgruppen mit Verbindungen zu Al-Kaida und der Muslimbruderschaft. Größte Unterstützer der Terroristen in Libyen sind wieder – wie in Syrien – die Türkei und Katar. Sie kontrollieren in Libyen nur die Hauptstadt Tripolis und Misrata. Der Rest des Landes von Libyen wird von der Gegenregierung in Tobruk mit eigenem Parlament kontrolliert. Dieses Parlament bevollmächtigte den General Haftar, mit der libyschen Armee das Land von den Terroristen zu säubern – also Tripolis und Misrata zu befreien. Unterstützt wird die libysche Armee von Haftar durch Ägypten, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die libysche Armee wird die Offensive auf die von der Türkei unterstützten Terroristen in Tripolis bald wieder aufnehmen. Sollte die Türkei auch in Libyen aktiv eingreifen, bekommt sie es hier mit der ägyptischen Armee zu tun. Kairo hat ein großes Interesse daran, Libyen zu befrieden und den Terrorismus im Keim ersticken zu lassen.
Um doch noch die Oberhand zu gewinnen, schickt die Türkei Kriegswaffen, Soldaten und sogar Terroristen aus Syrien nach Libyen. Sollte Erdogan damit Erfolg haben, könnte die Türkei neben Syrien, nun auch mit Libyen einen weiteren Hebel bekommen, um mit der Flüchtlingskrise die EU zu erpressen. Darüber hinaus will die Türkei mithilfe der „Regierung in Tripolis“ einen Zusammenschluss mehrerer Staaten verhindern, die Erdgas aus dem östlichen Mittelmeer nach Europa exportieren wollen. Die Türkei steht wegen der Politik von Erdogan international ziemlich isoliert dar und könnte wegen Idlib und Tripolis auch Russland als Partner verlieren.
via @Hinter.d.Kulissen rot

Eben erst habe ich den obigen Beitrag, den ich gestern aus Zeitmangel einfach nur kopiert hatte, gelesen. Ich habe das deutliche Gefühl, dass hier Leute schreiben, die tatsächlich hinter die Kulissen schauen.
Im „heute-Journal“ hat gestern Abend Klaus Kleber wieder Bilder gezeigt, die ganz eindeutig als Anklage gegen Russland und Syrien dienen sollten: weinende Kinder in bombardierten Häusern oder frierende Kinder in provisorischen Zeltlagern. Es wird alles getan, um Russland und Syrien als Bösewichte hinzustellen, die nicht einmal davor zurückschrecken, dass Kinder betroffen sind. Kein Wort von den Rebellen, die die Bevölkerung, also auch die Kinder, als Geisel benutzen mit dem Ziel, Stimmung zu machen gegen das Land, das nach langen Verhandlungen (Sotschi und Astarna) nun handeln muss, um die letzte verbliebene Provinz von den „Rebellen“ zurückzuerobern.
Dass Israel immer wieder Passagierflugzeuge als Schutzschild benutzt, um illegal syrische Stützpunkte zu bombardieren, wird in den offiziellen Medien kaum erwähnt. Israel darf man ja nicht kritisieren.
Ich tue es trotzdem.
Die Informationspolitik unserer Medien ist eine einzige Katastrophe – von Streben nach Wahrheit keine Spur.
Man könnte sich jetzt angewidert zurückziehen und der Welt ihren Lauf lassen; aber dafür ist mir die Welt zu schade. Immer noch habe ich Mitleid mit all den Menschen, die durch die große Politik sterben und leiden müssen. Und dabei sehe ich deutlich, wer in Wirklichkeit dieses Sterben und Leiden verursacht: Es gibt nur einen Staat, der Interesse an der Destabilisierung von Ländern wie Syrien und Libyen haben konnte und kann: Israel.
Nicht das Erdöl ist der eigentliche Grund für die Kriege, Putsche und Terroraktionen gegen reguläre Regierungen, sondern die Angst Israels vor den arabischen Völkern, die den auf ihrem Gebiet errichteten Apartheitsstaat ablehnen.

Dienstag, 18. Februar 2020

Das Leiden der arabischen Völker - der Auslandskorrespondent Robert Fisk



Nach der „demokratieverträglichen Lösung“ (Stern vom 13.02.2020) der „unverzeihlichen Wahl“ (Bundeskanzlerin Merkel) eines FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit Hilfe der Stimmen der AfD-Abgeordneten und dem Rückzug von AKK als Fraktionsvorsitzende und möglicher Kanzlerkandidatin der CDU wirft nun ein neuer Bewerber seinen Hut in den Ring: der „CDU-Chefaußenpolitiker“ (Bild) Norbert Röttgen. Seine „Demokratieverträglichkeit“ stellte er gestern noch in einem Interview mit der Bildzeitung unter Beweis, die heute auf ihrer Titelseite Präsident Putin einmal wieder anklagt, wenn sie schreibt: „Putins Bombenkrieg in Syrien – Deutschland droht neue Flüchtlingskrise“. Dabei beruft sich die Bildzeitung im Innenteil ihrer heutigen Ausgabe (S 3) auf eine eher dubiose Quelle: Yasser N. (38) von der Rettungsorganisation „Weißhelme“[1].
Unter der Überschrift: „Erster CDU-Politiker fordert Sanktionen gegen Putin“ druckt die „Bild“ auf der gleichen Seite (S 3), in der auch der Herr Yasser Who? von der „Rettungsorganisation“ die russische Luftwaffe anklagt, für die „Katastrophe“ in Syrien verantwortlich zu sein, weil sie seit 2015 „unsere Städte bombardiert“, das Interview mit Herrn Röttgen (54), unserem potentiellen und sicher „demokratieverträglichen“ kommenden Bundeskanzler ab: „... die gezielte Bombardierung von Zivilisten durch die russische Luftwaffe ist ein abscheuliches Kriegsverbrechen. (...) Das, was jetzt nötig ist, ist maximaler politischer und wirtschaftlicher Druck auf Russland, die Bombardierung der Zivilbevölkerung einzustellen. Wenn die Verbrechen weitergehen, muss es Sanktionen gegen Russland geben.“
Bisher war ich der Meinung, dass die bombardierte Stadt Idlib die letzte Bastion der Kämpfer der Anti-Assad-Opposition von Terrororganisationen wie ISIS, Al-Nusra, oder Al-Quaida sei, die seit 2011 mit ausländischer Unterstützung daran arbeiten, das legitime, wenn auch nicht ganz demokratische Assad-Regime zu stürzen. Nun sind nicht mehr die „Terroristen“ Kriegsverbrecher, sondern die Verbündeten der syrischen Regierung, die von dieser selbst gegen die inneren Feinde zur Hilfe gerufen wurden: die russischen Soldaten.
Als 2011 eine Koalition von sieben Staaten (Frankreich, Großbritannien, Türkei, Norwegen, Dänemark und Italien) unter Führung der US-Regierung den wirtschaftlich intakten Staat Libyen bombardierten und damit einen „Fail State“ schufen, wird das bis heute von niemandem als Kriegsverbrechen bezeichnet. Oder doch: von einem, nämlich von dem „selbsternannten“ (TAZ) Friedensforscher Daniele Ganser, der kürzlich in der ostdeutschen Stadt Bautzen einen Friedenspreis erhielt.
Aber der Schweizer gilt heute laut Wikipedia als „Verschwörungstheoretiker“ und ist deshalb vermutlich nicht „demokratieverträglich“.

Am Dienstagabend (18.02.20) zeigte Arte in seiner Reihe „Thema“ zwei interessante Dokumentationen: Zuerst einen zweiteiligen Film über den mächtigen saudischen Prinzen Mohamed bin Salman (MbS) und seine Verwicklung in die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi am 2. Oktober 2018 von Martin Smith, der seit vielen Jahren regelmäßig in den (öl-) reichen Wüstenstaat reist und sich in der korrupten Herrscherfamilie umsieht: „Mord im Konsulat“[2].
Anschließend kam eine für mich noch interessantere Sendung von und über den britischen Journalisten Robert Fisk, der seit nunmehr über 40 Jahren den Nahen Osten bereist und alle Schauplätze aus eigener Anschauung kennt: „An vorderster Front – Die Wahrheiten des Robert Fisk“[3] von Jung Chan (2019).
Der Vater von Robert Fisk war dekorierter Offizier im Ersten Weltkrieg und nahm seinen zehnjährigen Sohn an die Kriegsschauplätze mit. Er erkannte aufgrund eigener Recherchen, dass über diesen Krieg viele Lügen im Umlauf waren. Sein Sohn Robert hat seitdem einen kritischen Blick auf „offizielle“ Wahrheiten, die von Leuten fabriziert werden, die das Geschehen aus der Ferne beobachten und ansonsten sicher in ihren Büros sitzen. Er erinnert mich in gewisser Weise an T.E. Lawrence.
Robert Fisk ist am 12. Juli 1946 geboren und lebte zur Zeit der Invasion Israels in den Libanon im Jahr 1982 in Beirut, wo er als einer der ersten von dem Massaker an den palästinensischen Flüchtlingen von Sabra und Shatila[4] berichtete, das unter den Augen der israelischen Besatzer geschah.
Er sprach bei einer Rede in der „First Congregational Church“ von Berkely am 22. September 2010 von „Lies, Misreporting, and Catastrophe in the Middle East“ und stellte fest: „I think it is the duty of a foreign correspondent to be neutral and unbiased on the side of those who suffer, whoever they may be” und erzählte weiter: “After the allied victory of 1918, at the end of my fathers war, the victors divided up the lands of their former enemies. In the space of just seventeen months, they created the borders of Northern Ireland, Yougoslawia and most of the Middle East. And I have spent my entire career – in Belfast and Sarajewo, in Beirut and Baghdad – watching the people within those borders burn.”[5]
In der Dokumentation erweist sich Robert Fisk, der Arabisch spricht, als profunder Kenner der Kultur und der Geschichte der arabischen Völker im Mittleren und Nahen Osten. Er erwähnt auch den Geheimvertrag von 1916, bei dem der britische Diplomat Sykes und der französische Diplomat Picot dafür sorgten, dass das besiegte Osmanische Reich, das mit dem feindlichen Deutschland verbündet war, nach dem Ersten Weltkrieg unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt wurde. Dieser Geheimvertrag war auch der Grund dafür, dass sich T.E. Lawrence schließlich desillusioniert zurückzog, als er merkte, dass die Briten mitnichten einen unabhängigen arabischen Staat wollten. Natürlich sah Lawrence auch, dass die Araber noch sehr in Stammesbegriffen dachten und nichts dabei empfanden, ihre besiegten Feinde auszuplündern. Mit diesen stolzen Beduinen, die mit ihren Herden als Nomaden durch die Wüste zogen, war kein Staat im modernen Sinne zu machen. Das schafften nur die Kolonialmächte, die schließlich den Zionisten durch den Vertrag von Balfour freie Hand ließen, in Palästina den Staat Israel zu errichten, der bis heute einerseits den Schein einer Demokratie in der Region erfüllt, andererseits einen dauernden Stachel, ja eine Art Pulverfass im Zentrum der arabischen Völker bildet, wie ich in meinen Deutschkursen mit syrischen Flüchtlingen erleben konnte, die sich weigerten, von einem Staat „Israel“ zu sprechen.
Das ganze heute bestehende Unglück, all die schrecklichen Bilder von den Zerstörungen in den einst berühmten syrischen Städten Aleppo oder Damaskus, gehen – so wird mir wieder einmal klar – im Grunde auf die Politik der Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg und den Vertrag von Versailles  zurück. Nicht Russland ist, wie die Bildzeitung gestern in ihrer üblichen Kurzsichtigkeit und Verkürzung schrieb, für die Flüchtlingsströme verantwortlich, sondern jene Länder, die sich in die Regierungen dieser Länder einmischten und sie –  wenn sie nicht spurten – mit Krieg überzogen.
Der Ursprung für die heutigen „Flüchtlingsströme“ liegt also im Jahre 1916 in jenem Geheimvertrag, den hier kaum jemand kennt, der jedoch bei den Flüchtlingen, wie ich selbst erleben konnte, wohlbekannt ist, dem „Sykes-Picot-Abkommen“. 32 Jahre nach diesem Abkommen wurde der Staat Israel gegründet.
Ist es ein Zufall, dass Arte in den ersten Monaten des Jahres 2020 sowohl das Filmepos „Exodus“ von Otto Preminger aus dem Jahr 1960, das die Gründung des Staates Israel schildert, als auch den Film „Lawrence von Arabien“, der das Scheitern der Gründung eines arabischen Staates veranschaulichte, zeigte?
Filme festigen unser Bild von der Geschichte nachhaltig. Was sie zeigen, erscheint als Wirklichkeit, Aber in Wirklichkeit sieht der Zuschauer nur die Sicht der Produzenten. Das ist sowohl bei „Exodus“ als auch bei „Lawrence of Arabia“ der Fall, die beide von jüdischen Produzenten finanziert wurden.
Die Ironie der Geschichte ist, dass auch der kompromisslos auf der Suche nach der Wahrheit und Wirklichkeit reisende Brite Robert Fisk durch das Sehen eines Films zur Wahl seines Berufes inspiriert wurde, wie er selbst in der Dokumentation von Yung Chan berichtet: Als Jugendlicher sah er Alfred Hitchcocks Film „Foreign Correspondent“ aus dem Jahr 1940[6], den der britische Filmregisseur, nachdem er 1939 zu Kriegsbeginn das United Kingdom verlassen hatte, für den Produzenten Walter Wanger (eigentlich: Feuchtwanger) in Hollywood drehte, und deshalb beschloss, Auslandskorrespondent zu werden.
Weil er sich auch im Westjordanland umschaute und kritisch über die israelische Siedlungspolitik berichtete, wurde er von gewissen Kreisen als Antisemit verleugnet. Dabei ist er – vielleicht zusammen mit Peter Scholl-Latour – einer der wenigen Auslandskorrespondenten, die sich – unabhängig von der offiziellen Politik – für die Wahrheit hinter den Kulissen interessieren.

Natürlich sind solche Leute nicht bequem. So wurde ihm seine Mitarbeit bei der „Times“ in London gekündigt. 
Heute arbeitet er für den „Independant“.

Donnerstag, 13. Februar 2020

Das Schweigen brechen - Recherchen zum GULAG



Naftali Frenkel (ganz rechts) beim Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals 1932 (Quelle: Wikipedia)

Ich bin immer noch wie gelähmt von der Dokumentation über den GULAG, die mir die Augen über das unvorstellbare Leid des russischen Volkes noch weiter geöffnet hat, auch wenn dieses Öffnen nur Tränen erzeugen kann. Doch muss ich es ertragen wie so vieles andere auch. Wieder werde ich mit einem „beispiellos Bösen“ konfrontiert, das die Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägt hat, in dessen zweiter Hälfte ich aufgewachsen bin – in Frieden und Sicherheit. Die unvorstellbaren Gräuel kenne ich nur aus dem „Hörensagen“ und aus solchen Filmen wie dem von Patrick Rotman. Warum wurde meine Generation bisher nur so behütet!? Warum blieben mir bisher die „Lager“ erspart?
Ich lese jetzt Alexander Solschenizyns erstes Buch, „Ein Tag des Iwan Denissowitsch“ aus dem Jahre 1962, um einen realistischen Eindruck vom Lagerleben im GULAG zu bekommen.
Warum ich mir das antue?
Ich fühle mich als glücklicher Nachgeborener verpflichtet, mich in das unvorstellbare Leid einzufühlen. Ich denke, dieses Mitgefühl haben die Gefolterten und Getöteten verdient.
Und ich versuche, das „Böse“ zu verstehen.
Das Böse, das auch heute vor 75 Jahren wieder zuschlug, als alliierte Bomberverbände die Stadt Dresden in Schutt und Asche legten und Tausende Frauen, Männer und Kinder in den „Feuersturm“ schickten, in die Hölle auf Erden.
Erich Kästner, mein verehrter Schriftstellerkollege, ist in der Stadt an der Elbe aufgewachsen. In seinen Kindheitserinnerungen „Als ich ein kleiner Junge war“ schrieb er über seine Stadt:
„Wenn es zutreffen sollte, dass ich nicht nur weiß, was schlimm und hässlich ist, sondern auch, was schön ist, so verdanke ich diese Gabe dem Glück, in Dresden aufgewachsen zu sein. Ich durfte die Schönheit einatmen wie Försterkinder die Waldluft.“
Nach der Zerstörung schrieb er:
„Man geht hindurch, als liefe man im Traum durch Sodom und Gomorrha. (...) Es ist, als fiele das Herz in eine tiefe Ohnmacht.“

Nun habe ich mir einmal die Mühe gemacht, auf Google unter dem Stichwort „Gulag+Patrick Rotman“ nach Rezensionen bzw. Kritiken der dreiteiligen Dokumentation über den sowjetischen GULAG, den Arte am Dienstagabend ausstrahlte und der noch bis zum 10. April 2020 in der Arte-Mediathek verfügbar ist, zu suchen. Aufgefallen ist mir, dass die großen deutschen Tageszeitungen von der „FAZ“, über die „Süddeutsche Zeitung“ und die „TAZ“ bis zur "Bild" die Sendung mit keiner Silbe erwähnen. Lediglich in den Magazinen „Stern“ (online) und "Fokus", nicht aber im "Spiegel" kam eine Besprechung, nicht zu vergessen, die „Stuttgarter Zeitung“ und einige kleinere Regionalzeitungen, die jedoch alle den gleichen dpa-Text abdruckten.
Ich finde, dieses Schweigen spricht Bände.
Interessant finde ich folgende Passage aus der Besprechung des „Stern“:
„Um die schrecklichen Haftbedingungen zu belegen, greifen die drei Filmemacher Patrick Rotman, Nicolas Werth und François Aymé auf Augenzeugenberichte zurück, die die russische NGO-Vereinigung «Memorial»[1] zwischen 1988 und 2014 gesammelt hat. Die Strapazen stehen den Opfern noch in hohem Alter ins Gesicht geschrieben. Teilweise unter Tränen erzählen sie von Willkür und drakonischen Strafen, von Vergewaltigungen, Hunger und Seuchen.“[2]

Einer der drei Autoren, Nicolas Werth, gilt in Frankreich als Spezialist für die Geschichte der Sowjetunion, wie ich aus einem (nur für Abonnenten reservierten) Beitrag aus „Le Monde“ vom 16. Februar 2019 erfahre:

« Directeur de recherche au CNRS jusqu’à sa retraite en 2015, Nicolas Werth est un des plus grands spécialistes français de l’histoire de l’URSS. Il publie Le Cimetière de l’espérance, série d’articles parus dans le mensuel L’Histoire entre 1981 et 2016, qui offrent une synthèse accessible des connaissances réunies dans ses livres fondamentaux (Etre communiste en URSS sous Staline, Gallimard, 1981 ; La Terreur et le Désarroi. Staline et son système, Perrin, 2007…). »[3]

Der „Tagesspiegel“ schreibt:

„Die Häftlinge mussten oft unerreichbare Arbeitsnormen erfüllen, aber an menschlichem Nachschub mangelte es ja nicht. Rotman konnte auf Zeitzeugen-Interviews zurückgreifen, die die einst von Andrei Sacharow gegründete Nichtregierungsorganisation Memorial führte: Man sieht alt gewordene, vom Leben gezeichnete Frauen und Männer, die sich an ihre Lager-Jahre erinnern, an den Hunger, die schwere Arbeit, die Folter, die sexuelle Ausbeutung der Frauen, die Hinrichtungen. Oder die an jenen Tag zurückdenken, als ihre Mütter und Väter in den Tagen des „Großen Terrors“ 1937/38 abgeholt wurden. 1,5 Millionen Menschen wurden in jener Zeit in den Gulag verfrachtet.“[4]
Auch das überregionale „Abendblatt“ sowie „focus.de“ übernehmen diesen Pressebericht unverändert.[5]

Die Geschichte interessiert mich weiter und nun recherchiere ich in den offiziell zugänglichen Medien, sprich „Wikipedia“. Unter dem Stichwort „Solowezki-Inseln“ finde ich in einem Eintrag folgenden Satz:

„Die geografische Lage des Archipel Solowezki sowie die Tatsache, dass sich im Kloster bereits ein Gefängnis befand, spielten eine Rolle für die Entstehung der Lager. Alle klösterlichen Einrichtungen und Einsiedeleien auf der Insel wurden durch die sowjetischen Behörden in Lagereinrichtungen umfunktioniert.“

Was mit den Mönchen geschah, wird nicht erwähnt. Vermutlich waren es die ersten Lagerinsassen, wenn sie nicht getötet worden sind, wie es bei der Auflösung von vielen Klöstern geschehen ist. Religion war für die Bolschewiki nach Meinung von Lenin „Opium für das Volk“.

Wikipedia weiter:

"Bereits im Mai 1920 entstand im Kloster ein Arbeitslager, das ab 1923 der Verwaltung der Nördlichen Lager unterstellt wurde. Im Oktober 1923 entstand das ‚Solowezki-Lager zur besonderen Verwendung‘ (SLON) sowie USLON, die ‚Verwaltung der Solowezki-Lager zur besonderen Verwendung‘ mit den ersten 130 Insassen. Beide unterstanden der OGPU in Moskau. Eine ‚Spezialabteilung‘  innerhalb der OGPU hatte die Zuständigkeit der Lager inne.“[6]

Nun verstehe ich auch, wieso Arte die Dokumentation über den GULAG ausgerechnet zu Beginn dieses Jahres zeigt: Wenn man das Jahr 1920 als Begründung des ersten Lagers nimmt, so kommt man in diesem Jahr 2020 auf eine Runde Zahl – 100 Jahre.

In Wikipedia lese ich weiter:

„Eine wesentliche Rolle als Organisator des Solowezki-Straflagers zu einem Modell für den ganzen GULAG spielte Naftali Frenkel (1883 – 1960). Das Motto über dem Eingangstor lautete: ‚Lasst uns mit eiserner Hand die Menschheit ihrem Glück entgegentreiben.‘“[7]

Auch über Naftali Aronowitsch Frenkel kann man Interessantes in einem Wikipedia-Eintrag lesen:

„Frenkel war jüdischer Herkunft und stammte ursprünglich aus dem Osmanischen Reich oder aus Odessa, der Geburtsort ist unklar. Er wurde wegen ‚illegalen Grenzübertritts‘ entweder als Schmuggler oder als erfolgreicher Geschäftsmann im Jahr 1923 zu zehn Jahren Zwangsarbeit auf den Solowezki-Inseln verurteilt. Dort traf er 1924 oder 1925 ein und brachte es innerhalb kürzester Zeit zum Chef der Betriebs- und Handelsabteilung.
In dieser Zeit erdachte er einen Plan zur ‚wirtschaftlicheren‘ Ausbeutung der Häftlinge. Von ihm stammt der Ausspruch: ‚Aus Häftlingen müssen wir alles in den ersten drei Monaten herausholen – danach brauchen wir sie nicht mehr.‘ Dazu kam die Idee, die Essensrationen an die Erfüllung der Arbeitsnormen beziehungsweise die Arbeitsleistung zu koppeln.
Ob es jemals zu einem Gespräch zwischen Frenkel und Stalin kam, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass Frenkel mit den Oberen der OGPU zusammenkam, ihnen seine Pläne zeigte und man ihm danach freie Hand ließ.
Zwischen 1931 und 1933 hatte er die Aufsicht über den Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals, Aufseher im BelBaltLag – ‚für einen ehemaligen Gefangenen ein unerhörter Aufstieg‘. Dort nahm seine Karriere einen weiteren Aufstieg. Beim Bau des Kanals starben mindestens 25 000 Menschen. Die Arbeitssklaven bekamen täglich etwa 1300 Kilokalorien an Nahrung. Nach Fertigstellung des Kanals kam er zur Baikal-Amur-Magistrale, bis er später für die Leitung der Hauptverwaltung der Lager für den Bau von Eisenbahnstrecken (GULShDS) verantwortlich wurde.
Frenkel wurde mit dem Orden Held der sozialistischen Arbeit und dreimal mit dem Leninorden ausgezeichnet.“[8]

Wenn ich diese Kurzbiographie kommentieren soll, so fällt mir ein, dass der vergleichbare NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (1906 - 1962) nach einem Schauprozess in Jerusalem am 1. Juni 1962 im Ajalon Gefängnis in Ramla, Israel, hingerichtet wurde. Naftali Frenkel, ein ähnlicher Kriegsverbrecher, wurde im Sowjetstaat hoch dekoriert und lebte bis 1960 in Moskau, wo er mit 77 Jahren starb.



[1] Gegründet von Andrej Sacharow
[7] Ebenda