Wir waren also gestern bei dem
Osterhochfest in der Nikolauskirche auf der Comburg.
Wir sind bereits um 19.30 Uhr
losgefahren, um noch einen guten Platz in der ersten Reihe zu bekommen, denn
ich ahnte, dass die Kirche voll sein würde. Und sie füllte sich im Laufe des
Abends tatsächlich mit vielen hundert Menschen.
In der zunehmenden Abenddämmerung
warteten wir bis zum offiziellen Beginn um 20.30 Uhr. Nun saßen wir tatsächlich
komplett im Dunkeln. Jeder Besucher hatte beim Eintritt eine Kerze bekommen und
ein Festprogramm mit dem Abdruck einer schönen russischen Ikone auf der
Titelseite („Christus am Karsamstag im Limbus“). Wir hatten einen Platz in der
ersten Bankreihe der linken (nördlichen) Seite bekommen, die traditionell die
Taufsteinseite ist.
Nach 20.30 Uhr wurde es ruhig in
der vollen Kirche und das vierteilige Programm begann. Der Priester zog mit
seinen Ministranten und einer großen brennenden Osterkerze durch den Mittelgang
zum Hauptaltar mit dem romanischen Antependium, über dem der heruntergelassene
Radleuchter schwebte.
Ich hatte ihn mir gleich nach
unserer Ankunft noch einmal im Detail angeschaut, weil er sich ja gewöhnlich in
unerreichbarer Höhe befindet. Ich bewunderte die beinahe vollplastischen Köpfe
der Figuren in den Türmen, die bisweilen sogar eine leichte Drehung nach rechts
machen. Nur die Köpfe sind dreidimensional; die Körper gehen nach unten in die
Fläche über. Es sind Ritter mit Schild und Lanze oder Heilige. Über den Toren
der Türme schauen weitere Figuren aus Fenstern heraus, die nur bis zum
Oberkörper zu sehen sind. Diese haben ebenfalls meist Waffen in der Hand. Jede
Figur ist individuell gestaltet, so auch die Propheten und Könige auf den
Medaillons zwischen den Türmen.
Mein Herz schlägt höher, als ich
von Turm zu Turm um den ganzen Leuchter herum schreite, obwohl es eigentlich
verboten war, wie ich am Schluss von einer Helferin erfahre.
Allmählich wurden die Kerzen im
Kirchenschiff entzündet und zwar vom Altar aus nach hinten. Jeder gab dabei
sein Licht weiter an den Nachbarn, bis alle Lichter brannten.
Schon das war eine Erfahrung, die
ich so noch nie gemacht habe, und ich denke ans Mittelalter, als es noch keinen
Strom gab und als die Kirche nur von unzähligen Bienenwachskerzen erleuchtet
wurde. Heute sind es durchweg weiße Stearinkerzen, auch wenn der Pfarrer von
Bienenwachs redete.
Nun konnte der Gottesdienst mit
einer Lesung aus der Genesis beginnen. Danach setzte die Orgel ein und die
Gemeinde sang das erste Lied: „Gott gab uns Atem, damit wir leben.“ Mir fiel
auf, dass die Verse über die erste Erschaffung des Menschen nicht korrekt
wiedergegeben wurden, so dass man den Eindruck haben konnte, dass Gott gleich
von Anfang an zwei Menschen, einen Mann und eine Frau, geschaffen hätte, denen
er den Auftrag gegeben habe, über die übrige Schöpfung zu „herrschen“.
So steht es aber nicht in der
Schöpfungsgeschichte, sondern es steht da, dass Gott den Menschen
„männlich-weiblich“ schuf. Solche Verzerrungen der Wahrheit sind typisch für
die katholische Kirche und es wundert mich nicht, dass immer weniger Menschen
in die Kirche gehen. Sie können dem, was dort verkündet wird, einfach nicht
mehr glauben, und zwar mit Recht, weil es Lüge ist. Das ist mir bei diesem
Gottesdienst insbesondere bei der völlig banalen und viel zu langen Predigt,
wieder aufgefallen.
Dieser unechte, belehrende Ton
des Priesters, der nicht einmal richtig singen kann und sich auch beim Sprechen
immer wieder verhaspelt, ist einfach unerträglich. Ich bin froh, dass Lena
nicht mitgekommen ist. Sie hat so ein sicheres Gefühl für das Echte und Wahre,
dass sie es nicht ausgehalten hätte. Nachdem ich mit ihr nun bereits zwei
orthodoxe Gottesdienste miterleben durfte, einen in Paris und einen in Sankt
Petersburg, kommen mir die Gesangsversuche des katholischen Priesters im
Vergleich zu den wunderbaren Stimmen der orthodoxen Popen erbärmlich ärmlich
vor.
Ich hatte Lena die Broschüre über
die Christengemeinschaft in Russland gezeigt und dazu gesagt, dass diese Kirche
eine wachsende Kirche sei, während die traditionellen Kirchen immer mehr an
Mitgliedern verlören.
Ich hätte auf diese „Gesänge“ und
auf die ganze Predigt, in der es um ein verlorenes Kirchengemeinderatsprotokoll
und um einen schlecht gewürzten Linseneintopf ging, um zu veranschaulichen,
dass manchen Menschen im Leben etwas abhandenkommen oder dass etwas zum vollen
„Genuss“ fehlen kann, gerne verzichtet. Die Lesungen aus der Bibel, die Lieder,
welche die Gemeinde singen durfte, und die klangvolle Orgelmusik hätten mir
gereicht, um den Höhepunkt des Gottesdienstes, die Entzündung der 48 weißen
Kerzen auf dem Radleuchter und sein Entschweben in die Höhe erleben zu können,
die nur dreimal im Jahr, in der Christnacht, an Silvester und eben in der
Osternacht vollzogen wird. Wie eine Vision des Himmlischen Jerusalems schwebte
dieses erleuchtete Wunderwerk mittelalterlicher Goldschmiedekunst schließlich über
dem Altar. Dabei stimmten alle Proportionen, denn der Abstand zwischen Altar
und Gewölbe wurde durch den Leuchter mit Sicherheit im Verhältnis des Goldenen
Schnittes unterteilt. Nachdem der Leuchter hochgezogen war, erklang ein
vielstimmiges Gloria.
Bis es aber soweit war, kamen
noch zwei weitere Lesungen aus dem Alten Testament: aus den Kapiteln 14 und 15 des
Buches Exodus, das genau den Auszug der Hebräer aus Ägypten und den Durchgang
durchs Meer erzählt, den wir am Karfreitag im Fernsehen gesehen hatten[1].
Dabei kam es wieder zu einer „Falschaussage“ bei der Kommentierung durch den
Priester: er sprach vom „Roten Meer“, aber in Wirklichkeit war es das
„Schilfmeer“.
Wissen die Katholiken es nicht
besser, oder werden sie in ihrem Theologiestudium so geformt, dass sie alles,
was nicht in das Dogma passt, zurechtbiegen müssen. Die Seelen lassen sich
nicht betrügen. Sie spüren, dass etwas nicht stimmt mit dieser Kirche. Je
aufgeklärter sie sind, desto weniger geben sie sich zufrieden mit den Märchen,
die diese zu erzählen versucht. Ja, die katholischen Priester sprechen vom
„Geheimnis des Glaubens“, aber dieser hier hat offensichtlich keine Ahnung von
der Wirklichkeit des Mysteriums von Golgatha.
Der Durchzug der Hebräer durch
das Meer war für den Priester offenbar Anlass, von der Taufe zu sprechen, was
wieder eine vollkommene Verzerrung ist. Nicht die Hebräer sind dabei unter
Wasser gekommen, sondern im Gegenteil: sie wurden gerettet. Wenn jemand
„getauft“ wurde, dann waren es die Ägypter.
Als drittes wurde aus dem 36.
Kapitel des Buches Hesekiel vorgelesen, das ziemlich hart über das auserwählte
Volk urteilt, das im Begriffe war, die ganze Welt zu „verunreinigen“ (Verse 17
– 21), bis Gott Jahwe wieder einmal eingreift und die „steinernen Herzen“ durch
„ein neues Herz und einen neuen Geist“ (Hes. 36, 26) ersetzt.
Diesen Text kannte ich noch
nicht, aber er ist eine Art „Augenöffner“. Man muss nur an das denken, was
gottlose „Juden“ den russischen „Christiani“ nach der Revolution angetan haben,
oder was sie in Amerika bis heute der ganzen Menschheit durch die Fabrik der
falschen Träume in Hollywood antun, dann erweist sich die Aktualität der Worte
des Propheten Hesekiel: „Als das Haus Israel in seinem Lande wohnte und es
unrein machte mit seinem Wandel und Tun (…), da schüttete ich meinen Grimm über
sie aus um des Blutes willen, das sie im Lande vergossen, und weil sie es
unrein gemacht hatten durch ihre Götzen. Und ich zerstreute sie unter die
Heiden und versprengte sie in die Länder und richtete sie nach ihrem Wandel und
Tun. So kamen sie zu den Heiden; aber wohin sie kamen, entheiligten sie meinen
heiligen Namen.“
Weil Jahwe in Vers 25 sagt: „Ich
will reines Wasser über euch sprengen“, meint der katholische Priester, dass
der Gott des auserwählten Volkes die Juden getauft hätte. Das ist aber so auch
nicht wahr. Der Begriff der Taufe im christlichen Sinne ist vielleicht verwandt
mit der Tat Jahwes, aber die eigentliche christliche Taufe findet erst an der
Zeitenwende im Jordan statt.
Dass das christliche Osterfest
einen inneren Bezug zur Taufe hat, will ich nicht abstreiten, aber dieser Bezug
ist wesentlich tiefer als die katholische Kirche denken kann. Wie oft haben wir
mit unseren Kindern am Ostersonntagmorgen vor Sonnenaufgang schweigend an einer
besonderen Quelle, zu der wir gelaufen oder gefahren sind, Osterwasser
geschöpft, um damit unsere Augen zu reinigen und es beim Oster-Frühstück zu
trinken! Das Wasser ist das Element des Lebens und der Strömungsforscher
Theodor Schwenk hat solche Quellen untersucht und bei seinen Kristallisationsbildern
festgestellt, dass an einigen dieser Quellen tatsächlich etwas mit dem Wasser
geschehen war in diesen wenigen Minuten vor Sonnenaufgang: Die Bilder zeigten
ausgesprochen harmonische Figuren. Das deutet auf die Gegenwart des
Ostermysteriums hin, von dem Matthias Matusek in seinem Oster-Essay in der
„Jungen Freiheit“ vom 30. 03.2018 spricht.[2]
Schließlich wird die versammelte
„Gemeinde“, die zum Teil nur gekommen war, um die Zeremonie zu erleben, mit
Wasser besprengt, damit sich jeder an seine Taufe erinnert fühlen soll. Aber was
bedeutet den meisten Christen schon die Taufe? Es ist einfach nur noch ein
traditionelles Fest, dessen eigentlicher Sinn gar nicht mehr verstanden werden
kann von einem aufgeklärten, materialistischen Bewusstsein.
Dann werden die Gaben auf dem
Altar unter dem Leuchter bereitet und schließlich die Eucharistie gefeiert. Wir
sind auch an den Altar gegangen, einfach, um einmal unter dem herrlichen
Leuchter die Hostie zu empfangen, also auch mehr aus „touristischem Anlass“.
Gott möge es mir verzeihen.
Die ganze Feier dauert bis um
22.30 Uhr. Als wir aus der Kirche heraustraten, stand der Ostervollmond schon hoch
am südöstlichen Himmel und die Glocken der Nikolauskirche verbreiteten nach drei
Tagen Schweigen ihren wunderbaren Klang über das Hohenloher Land, während wir vom
Berg zum Parkplatz hinuntergingen.
Um 23.00 Uhr waren wir wieder zu
Hause.
[1] Ich
meine den Hollywoodschinken „Die zehn Gebote“, den das ZDF am Nachmittag
ausstrahlte.
[2] In der
„Jungen Freiheit“ Nr. 14/2018 vom 30. 03. 2018 kam ein schöner Beitrag von
Matthias Mattusek, der früher für den „Spiegel“ geschrieben hat. Unter dem
Titel „Ein Leben ohne Mysterien ist langweilig“ schreibt er über Ostern. Was
mich am meisten erstaunt, ist, dass der Autor zustimmend Rudolf Steiner
erwähnt. Er schreibt: „Rudolf Steiner nannte Ostern in einem Vortrag 1908 mit
Recht das „Mysterium der Zukunft“. Das sind neue Töne, die mir zeigen, dass
sich bei manchen Intellektuellen vielleicht doch ein Bewusstseinswandel vollzieht.
Ich weiß nicht, ob der Spiegel diesen Essay abgedruckt hätte und es wundert
mich, dass der renommierte Autor jetzt in der „Jungen Freiheit“ veröffentlicht,
die von den Linken als „rechtspopulistisch“ eingestuft wird und die ich seit
Anfang März zum halben Preis ein Jahr lang beziehen darf. Es ist eine Zeitung,
die man von Anfang bis Ende lesen kann, auch wenn ich natürlich auch nicht mit
allem einverstanden bin. Aber wieso sollte ich auch. Jedenfalls ist es gut,
einmal die Argumente der „neuen Rechten“ kennenzulernen