Jetzt habe ich die im Jahre 1972
als Privatdruck veröffentlichten Betrachtungen Jürgen von Grones über „Rudolf
Steiner und Helmuth von Moltke“ zum dritten Mal gelesen. Immer wieder führt
mich mein Schicksal zu der für die Zukunft Mittel- und Osteuropas und insbesondere für
den deutschen Volksgeist so zentralen Individualität, die im neunten
Jahrhundert als Papst Nikolaus I. und im 19. Jahrhundert als Neffe des älteren
Moltkes an höchster Stelle wirkte. Jürgen von Grone macht anhand von Aussagen
Rudolf Steiners in Briefen deutlich, wie wichtig die Wiederverbindung Europas
mit Russland in der Zukunft sein wird.
Jürgen von Grone (1887 – 1978),
selbst ein bedeutender Offizier und Träger des Ordens „Pour le Merite“[1],
zitiert einen Spruch, den Rudolf Steiner dem Generalfeldmarschall Moltke am 27.
August 1914 in einer sehr dramatischen Situation zu Beginn des ersten
Weltkrieges nach einer persönlichen Unterredung in Niederlahnstein bei Koblenz übergeben hat, um ihm Mut zuzusprechen:
„Siegen wird die Kraft,
die vom Zeitgeschick
vorbestimmt dem Volk,
das in Geistes Hut
zu der Menschheit Heil
in Europas Herz
Licht dem Kampf entringt.“
Der Kaiser hatte sein im Jahre
1905 gegebenes Versprechen gebrochen, sich nicht in Kriegsdinge einzumischen,
wenn er, Moltke, die ihm angetragene Stellung als Stabschef der preußischen Armee übernehmen solle. Das Eingreifen
des Kaisers in den ersten Augusttagen 1914 führte schließlich zu einem
verfehlten Aufmarschplan, zur Marneschlacht, zur Absetzung Moltkes , zum
Stellungskrieg und zur Katastrophe vor Verdun unter seinem Nachfolger General
von Falkenhayn. Moltke war kaltgestellt. Grone, der eine Analyse der
Marneschlacht (vom 5. – 10. September 1914) beim Militärarchiv der Bundeswehr
hinterlegt hat, führt aus:
„Nicht das Scheitern der
Marneschlacht, vielmehr der Sturz des Feldherrn hat den weiteren Verlauf des
Ersten Weltkrieges weitgehend bestimmt.“
Jürgen von Grone, ein Zeitzeuge
und seit 1906/07 persönlich mit Rudolf Steiner bekannt, fährt fort:
„In der Wende zum Jahre 1915
traten sehr beachtliche Ereignisse ein. Während Rudolf Steiner in Berlin in
einer Reihe von Vorträgen die Völkerlage in Europa im Jahrhundert der Jungfrau
von Orleans behandelte und dabei darstellte, wie damals hierarchische Mächte
durch das Mädchen von Orleans eine notwendige Völkerordnung in Europa
herbeiführten, hob er hervor, dass in unserer Gegenwart Menschenseelen aus
ihren Ich-Kräften sich für eine vom Zeitgeist geforderte Völkerordnung
einsetzen müssen. Ohne Zweifel hat Helmuth von Moltke von diesen Inhalten
Kenntnis erhalten.
In der Zeit nach der
Amtsenthebung Moltkes hat Rudolf Steiner eine Reihe von Briefen persönlich an
ihn gerichtet, in denen er immer wieder davon spricht, dass auf der irdischen
Seite die Persönlichkeit Moltkes als Instrument des Volksgeistes gebraucht
werde. Es handelt sich um eine durchaus hierarchisch vom Volksgeist her
begründete, aber an die Ich-Kräfte sich wendende ‚Einführung‘, ganz im Sinne
jenes Spruches, der nach dem Beginn des Völkerkampfes dem General von Moltke
gegeben worden war.(…)
In dem ersten Briefe von Ende
Dezember 1914 ist zu lesen:
‚Ihnen, Excellenz, ist viel Leid
geworden. Doch Leid ist letztlich der Boden, aus dem die Geistes-Mächte das
Heil der Erdenentwicklung weben müssen. Sie dienen durch Ihr Leid der großen
Sache, der jetzt das deutsche Volk dienen muss. Und wenn einst das wird
Vergangenheit sein, was jetzt Gegenwart ist, dann wird denen, die werden
erkennen wollen, klar sein, wie Ihre Gedanken-Intentionen ebenso wie Ihr Leid
zu den notwendigen Keimen gehörten, aus denen die Zukunftsmission des deutschen
Volkes erblüht. Was dieses Volk noch zu tun hat, ist so bedeutsam, dass es nur
durch Schicksals-Ernst errungen werden kann. (…) Menschen können aus einer
Inkarnation scheinbar, bevor sie erreicht haben, was ihnen vorgezeichnet war,
hinweggenommen werden, weil sie in anderen Inkarnationen wiederkommen. Völker aber
verlieren die Bedingungen ihrer Mission nicht, bevor diese erfüllt ist.‘
Im November 1915, ein halbes Jahr
vor dem Tod Helmuth von Moltkes am 18.Juni 1916, schrieb Rudolf Steiner in
einem weiteren Brief an den General:
„Dieses Schicksal des deutschen
Volkes ist mit den tiefsten und erhabensten Zielen der menschlichen
Weltentwicklung verbunden. Die Fäden eines solchen Völkerschicksals sind nicht
einfach. Sie müssen sich oft verwirren. Der Schicksalsweg geht durch Prüfungen.
Durch Prüfungen, die an den Abgrund der Weltgeheimnisse führen. An den Abgrund,
wo die große Frage ‚Sein oder Nichtsein‘ an die Seele herantritt… Wer so wie
Sie, Excellenz, verbunden ist mit dem Wege des Volkes, für den spiegelt sich im
eigenen Lebenswege derjenige des Volkes. Ihnen war von der geistigen
Menschheitsführung auferlegt, das deutsche Volk für eine Etappe seiner Aufgabe
zu führen. Dass Sie an einem bestimmten Punkt zu einem scheinbaren ‚Halt‘
gekommen sind, das ist nur, um neue Kräfte zu sammeln.“
Zwei Tage nach Moltkes Tod
spricht Rudolf Steiner am 20. Juni 1916 zu Beginn des dritten Vortrages des Zyklus „Weltwesen und Ichheit“ (GA 169)
vor den Berliner Freunden einen Nachruf auf General Moltke. In diesem Nachruf
bezeichnet Rudolf Steiner Helmuth von Moltke als „Brückenbauer“ (Pontifex), der
die Brücke bildete zwischen seiner äußeren Tätigkeit und der
Geisteswissenschaft:
„Dass er unter denjenigen, die im
äußeren Leben unter den ersten stehen, dass er diesem äußeren Leben diente und
doch die Brücke fand zu dem Geistesleben, das durch diese Geisteswissenschaft
gesucht wird, das ist ein tiefgehend bedeutsames Symbolum.“
Jürgen von Grone fährt fort:
„Mit dem Tode Moltkes im Juni
1916 verlor Rudolf Steiner die
Persönlichkeit auf Erden, die sich ihm zur Verfügung gestellt hätte, um der
großen der Mitte-Menschheit obliegenden Ziele zur Ausführung zu bringen. (…)
Daraus ist wohl doch zu ersehen, dass für eine weltgeschichtlich geforderte
Neugestaltung ein Zusammenwirken mindestens zweier Individualitäten notwendig
sein kann.“
Das Erstaunliche ist nun, dass
Rudolf Steiner nach Moltkes Tod in regelmäßigen Abständen Post-Mortem-Mitteilungen
der Moltke-Seele bekam, die mit ihrem Geisteslehrer auch nach dem Tode
verbunden blieb. Diese Mitteilungen sind inzwischen veröffentlicht.[2]
So heißt es in einer Mitteilung,
die Jürgen von Grone zitiert:
„Im neunten Jahrhundert war noch
mit dem Christentum verbunden das Bewusstsein der europäischen Menschheit von
dem Zusammenhang mit den geistigen Hierarchien und von der Durchgeistigung des
Kosmos. Vom zehnten, elften Jahrhundert an setzte ein die Entgeistigung der
Weltanschauung und des Lebens. Die Menschen Europas bekamen dann nur noch ein
äußerliches Verhältnis zu Seelen, die sich zum Beispiel verkörperten in Herders
oder Goethes Leib. Was diese Seelen geistig wollten, das wurde nirgends
Staatskultur. Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts und dem Anfang des
zwanzigsten war daher Europa ganz materialistisch, soweit das öffentliche Leben
in den Staaten in Betracht kam. Da standen wir nun drinnen. Jetzt bin ich mit
dem aufbrechenden Weben des Geistes wollend verbunden. In Trümmern muss
gepflanzt werden. Die Lüge der Zeit hat in die Trümmer geführt. Die Wahrheit
muss zu dem Erbauen des Neuen führen. Der Geist kann nur in der Wahrheit
wirken. Am Juli-Ende und August-Anfang stand ich allein mit meinem Entschluss,
verlassen von aller Politik, die damals an ihrem Ende war. Nicht anders konnte
werden, was so lange sich vorbereitet hatte. Es soll die Wahrheit walten. Sonst
geht es zu Grunde, nicht nur das Deutschtum; auch die ganze europäische Welt
ginge zu Grunde, und Osteuropa müsste von Asien aus aufgebaut werden. Das darf
nicht sein. Europa muss zur Selbstbesinnung kommen und selbst sich zum Geiste
finden.“
Wenn Großbritannien unter Theresa
May die anderen europäischen Nationen mit unbewiesenen Behauptungen gegen Vladimir
Putin aufstachelt, dann besteht tatsächlich die Gefahr, dass sich der starke (und
intelligente) wiedergewählte Staatschef Russlands von Europa ab- und dem autokratischen
China zuwendet. Das klingt wie eine Erfüllung der Prophetie, die in den Post-Mortem-Mitteilungen
von Helmuth von Moltke angedeutet wird.
Ich sehe in der deutschen Politik weit und breit
keinen würdigen Vertreter des deutschen Volksgeistes, ja nicht einmal einen Vertreter
des Geistes. Wenn ich mir das Kabinett der neuen Bundesregierung anschaue, das vor
ein paar Tagen vereidigt wurde, dann muss ich an einen Film wie „Tanz der Vampire“
denken. Mit den Mitgliedern Heiko Maas als Außenminister, Peter Altmeier als Wirtschaftsminister,
Horst Seehofer als Innenminister und Jens Spahn als Gesundheitsminister erscheint
es mir wie ein wahres Gruselkabinett.
[2] Helmuth
von Moltke (1848 – 1916) – Dokumente zu seinem Leben und Wirken, Band 2,
herausgegeben von Thomas Meyer, Perseus-Verlag, Basel 1993
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