Gestern war ich in der Handlung
und bei der anschließenden Besprechung des Christuswortes „Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben“ aus den Abschiedsreden (Johannes 14, 1 – 14).
Die
Kirche war nicht besonders voll. Bei der Menschenweihehandlung traten –
zusammen mit den beiden Ministrantinnen dieses Mal nur sieben Personen vor den Altar. Bei der Betrachtung waren wir
dann immerhin mit Frau Kristalli 13, wie so oft. Allmählich lerne ich alle
treuen Mitglieder unserer Gemeinde persönlich kennen.
Das Gespräch kreiste wieder um
das Rätsel des „Ich bin“. Frau Kristalli sprach zuerst über den achtgliedrigen
Pfad des Buddha, über die vier großen Wahrheiten und die drei Übel. Die
Hinduisten und Buddhisten, so sagte sie, kannten das „Ich“ noch nicht. In den
Menschen walteten nur „Kräfte“, die sie von einem Leben zum anderen führten,
wobei sich der Mensch auch als Tier inkarnieren konnte. Von der ewigen
Individualität sprachen sie noch nicht. Erst durch das Christentum erwachte der
Mensch zum „Ich bin“, indem er den Christus, das eigentliche „Ich“, in sich
aufnahm. Dann konnte der Mensch mit Paulus sagen: „Nicht ich, sondern der
Christus in mir“.
Wir sind natürlich noch weit
davon entfernt, das vollumfänglich sagen zu können. Aber wir beobachten, dass es immer mehr
Menschen gibt, die sich mit der eigenen Biographie beschäftigen, um diesen Wesenskern zu finden. Frau Kristalli
ermuntert uns geradezu, das zu tun. Man könne so viel Schicksalhaftes darinnen
finden. Man müsse nur aufmerksam auf alles lauschen, was an einen herantrete
und es ernst nehmen.
Genau das übe ich, seitdem ich
Tagebuch schreibe.
Ich erinnerte mich daran, wie ich zum ersten Mal von dem
Christuswort „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ gehört habe. Es war
im Frühling 1973 beim "Berufsorientierungskurs" in Stuttgart. Ich war gerade 21
Jahre alt geworden, hatte von Frau Luba Husemann meine ersten
Rudolf-Steiner-Bücher bekommen und durch sie auch von dem einwöchigen Kurs im
Sozialwerk der Christengemeinschaft an der Haussmannstraße erfahren. Besonders
beeindruckt hat mich dabei der Vortrag vor Dr. Mees, der eben dieses
Christuswort ans Ende seiner Ausführungen stellte. Dabei ordnete er das Wort „Weg“,
das er mit dem Wort „Bewegung“ in Verbindung brachte, dem rhythmischen System
(Herzschlag und Atem), die „Wahrheit“ dem Nerven-Sinnespol mit dem Wahrnehmen
und Denken und das „Leben“ dem Stoffwechsel- und Fortpflanzungspol zu.
Ich habe viele Vorträge in meinem
Leben gehört, aber dieser ist mir unvergesslich geblieben. Das „Ich-Bin-Wort“
begegnet mir auch jedes Mal, wenn ich die Jakobuskirche auf dem Hohenberg
besuche. Dort gibt es auf dem Friedhof westlich der Kirche ein Kreuz, auf dem
es steht.
Ich weiß nicht mehr, welches
genau das Stichwort war, aber ich erinnerte in dem an die Betrachtung
anschließendem Gespräch gestern Vormittag an die sogenannte „Michaels-Prophetie“.
Rudolf Steiner hatte vorausgesagt, dass er am Ende des 20. Jahrhunderts mit
etwa 48 (vier Mal zwölf) seiner engsten Schüler und Freunde wiederkommen würde und sich dann
mit den Schülern der Schule von Chartres und ihrem Lehrer Alanus vereinen
werde, um die Anthroposophie zur „Kulmination“ zu führen. Ich sagte, dass wir
nicht traurig sein sollten, weil diese Prophetie scheinbar nicht eingetroffen
sei. Wir sollten nur aufmerksamer werden, damit wir auch die Zeichen sehen, die
damit verbunden sind.
Frank Peter gab zu bedenken, dass
die meisten Menschen heute ganz in äußeren Ereignissen lebten und kaum noch auf
ihr Inneres hörten. Er sagte, sie wollen „Events“. „Da geschieht etwas, aber es
passiert nichts.“ Deswegen muss sofort das nächste „Event“ her. So gingen wir
an den wirklich wichtigen Dingen vorbei, die „passieren“.
Die Dinge sind passiert, aber sie
geschehen nicht im grellen Licht der Öffentlichkeit, sondern in kleinen,
intimen Zusammenhängen. Nichts davon steht im „Spiegel“ oder in der „Zeit“.
Auch Helmut Zander, der nun anlässlich
der 100-Jahr-Feier der Waldorfschule wieder ein Buch veröffentlicht hat, mit
dem er die öffentliche Meinung beeinflussen will, beweist nur, dass er blind
für die Realität des Geistes ist. Wieder stellt er Rudolf Steiner als „Scharlatan“
hin, wie er es schon in seinem ersten Buch über „Anthroposophie in Deutschland“
versucht hatte. Das neueste Werk des katholischen Theologen heißt: „Die
Anthroposophie – Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda und Demeter“. Es
ist im renommierten Ferdinand-Schöningh-Verlag erschienen.
Es lohnt sich nicht, ein weiteres
Wort darüber zu verlieren. Im neuesten „Anthroblog“ kann man eine Besprechung des
Bandes von Wolfgang G. Vögele unter der Überschrift „Anthroposophie – eine esoterische
Großmacht?“ lesen[1].
Noch heute versuchen also
Menschen wie Helmut Zander, den Geistesforscher vom Beginn des 20. Jahrhunderts
zu verleumden, nachdem man ihn nicht mehr verleugnen kann.
Das erinnert mich an eine andere
bedeutende Geistesforscherin, von der Rudolf Steiner einmal gesagt hat, dass es
kaum einen Menschen gab, der mehr verleumdet wurde als sie: Helena Petrovna
Blavatsky.
In dem Vortrag Rudolf Steiners vom 4. November
1917 ("Die Helena-Sage und das Freiheitsrätsel"), den ich nun schon mehrmals zitiert habe, steht folgendes über die
griechische Helena, die eine Tochter „Ledas und des Schwans“ war, wobei sich im
Schwan der Göttervater Zeus selbst versteckte:
„Goethe wusste wohl, eigentlich
müsste dasjenige, was hinter der Helena steckt, so verehrt werden, wie Faust
die Helena verehrte. Aber gerade in Bezug auf die Helena sind die schlimmsten
Kräfte der Verleumdung im Spiel gewesen. Die Menschen könnten lernen an solchen
Dingen, wie gerade dasjenige, was anerkannt werden sollte, was vielleicht am
höchsten steht, am meisten verleumdet werden kann.“
Nicht 'wie', sondern 'als' :-)
AntwortenLöschenRichtig, liebe Wibke. Ich habe es inzwischen verbessert.
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