Heute Vormittag sehe ich mir eine
Sendung zum Sechstagekrieg an, der am Dienstag, den 06.06.2017 auf Arte gezeigt
wurde, die ich aber verpasst hatte: „Zensierte Stimmen“ von Mor Loushy aus dem
Jahre 2015. Wenige Tage nach dem Krieg war der damals noch nicht so bekannte
israelische Schriftsteller Amoz Oz mit Abraham Shapira in verschiedene israelische
Kibuzze gereist und hatte Soldaten, die am Sechstagekrieg teilnehmen mussten,
interviewt. Die Tonbandaufnahmen hat Israel 50 Jahre unter Verschluss gehalten.
Nun sind sie veröffentlicht worden. Ich habe einige Stellen verschriftlicht und
auf Facebook gepostet:
- (Der gefangene Syrer) "rollte auf dem Boden, schrie und heulte. Frage: hast du ihn ausgelacht, oder tat er dir leid? Antwort: Ich fühlte nichts als Verachtung" (Minute 32,20)
- "auf dem Schlachtfeld fühlte ich mich nur stumpf.
Ich wusste, dass ich den Befehlen folgen musste. Ich war so damit
beschäftigt, ich hatte die..., ich konnte nicht denken...ich wusste, dass
ich einfach reagieren musste. Da waren Leute auf den Dächern: Zivilisten.
Soll ich sie töten oder nicht? Ich dachte nicht darüber nach. Töte einfach!
Töte jeden, den du siehst!" (ab Minute 34,48)
- "Einige Male nahmen wir ein paar Typen gefangen, stellten sie in Reihe auf und töteten sie einfach ... weil es junge Kerle waren. Ihre Ausweise sagten, dass sie bewaffnet seien. Von heute aus betrachtet, scheint es so, als hättest du sie ermordet. Aber realistisch gesehen, ist im Krieg jeder Zivilist, jeder Mensch dein Feind" (ab Minute 35,35)
- Mein erster Kommentar: Dieses Film- und Tonband-Dokument zeigt, wozu junge Männer fähig sind, die in den Krieg ziehen müssen und nach dem Motto handeln: "Befehl ist Befehl!" Mein Vater war 21, als der Zweite Weltkrieg ausbrach.
- Ab Minute 36,31: "Ich fange mit mir an. Ich bin
Kommandant einer Fallschirmkompagnie. Ich gebe dir ein Beispiel aus den
letzten Tagen des Krieges: Eigentlich war bereits Waffenstillstand. Tausende
feindliche Soldaten irrten aber immer noch herum. Wir hatten den Befehl,
die Spuren zu den Dünen zu verfolgen und zu töten ..., die Soldaten zu
töten, die dort noch immer umherirrten. Wir trafen auf eine Gruppe von 15
bewaffneten Arabern. Sie hatten sich versteckt, und versuchten nicht
einmal, sich zu verteidigen.(Pause) Keiner von uns (er nennt vier Namen)
ist ein Mörder. Im Krieg wurden wir alle zu Mördern."
- Mein zweiter Kommentar: Ich denke, wenn ich das höre, an den Film von Wolfgang Staudte aus dem Jahr 1946: "Die Mörder sind unter uns", in dem deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg den Befehlen ihrer Kommandanten gehorchen mussten, als "Mörder" bezeichnet wurden. Auch ich meine, dass jeder, der einen Menschen tötet, ob im Krieg oder nicht, ein Mörder ist.[1]
- "Der Befehl hieß: kein Erbarmen! (...) Tötet so viele wie möglich!" (ab Minute 38,10)
- "Freunde, Schulkameraden, die ich als gute Menschen kannte, Einer von ihnen trifft auf einen verwundeten Feind. Er hilft ihm nicht, sondern zückt seine "Uzi, um ihm den Rest zu geben." (ab Minute 40.04)
- "Zeitungen und Radio erzählten ständig: 'Fallschirmjäger weinen an der Klagemauer.' Also, ich will den Mythos ja nicht zerstören, aber es war nicht so beeindruckend, wie sie in der Zeitung behaupteten. Erst als wir in die Altstadt kamen, erinnerte ich mich, dass es überhaupt eine Altstadt gab. Ich hatte es völlig vergessen. Ich konnte mich nicht einmal an eine Altstadt erinnern, die Klagemauer, und das alles. Nichts. Erst, als wir den Tempelberg erreichten, erinnerte ich mich an die Klagemauer.(...) Ich war überhaupt nicht aufgeregt. Eine hohe Wand. Und diese Leute, die davor standen und weinten, ekelten mich an. Das ist vermutlich sehr subjektiv, aber ich fand es sehr unpassend. Mit uns kam der Oberrabbiner mit seiner ganzen Entourage. Und sie begannen, ins Widderhorn zu blasen. Es klang wie das Grunzen eines Schweines. Ein furchtbarer Ton. Und sie begannen uns zu schubsen. Es wurde noch gekämpft und geschossen! Aber sie machten sich bereits Platz und fingen an zu rufen und zu beten. Ich verspürte nur Abscheu.(...) Ich dachte an den Glauben, religiöse Unterdrückung und das alles. Ich hatte nicht den Effekt der 2000 Jahre, wie vielleicht bei Napoleon, als er seinen Soldaten die Pyramiden zeigte. Du musst wissen: das Judentum heiligt keine Orte. Das gilt auch für den Tempelberg. Der ist nicht heilig. So etwas gibt es nicht. All das hat nichts mit Judentum zu tun." (Ab Minute 42,32)
Ich schaue den Film nicht weiter an. Ich
weiß jetzt, dass die „Opfer“ nicht im Geringsten anders „ticken“ als die „Täter“,
was jeder mit gesundem Menschenverstand schon lange weiß. Aber die israelischen
Soldaten werden 50 Jahre lang als Helden gefeiert, die deutschen Soldaten
unmittelbar nach dem Krieg und bis heute wie Kriegsverbrecher (siehe der
sogenannte „Wehrmachtsskandal“ in deutschen Bundeswehrkasernen) behandelt.
Gut, es gibt einen kleinen, aber
wichtigen Unterschied: Israel hat den Sechstagekrieg gewonnen, Deutschland hat
den Zweiten Weltkrieg (Gott sei Dank) verloren.
Ich bin als Kriegsdienstverweigerer
prinzipiell gegen jeden Krieg.
Es gibt für mich keinen guten Krieg, zumindest
nicht seit den Kriegen der Neuzeit (die Kriege des Altertums und des
Mittelalters will ich hier nicht beurteilen, weil sie einen ganz anderen
Charakter haben). Der moderne Krieg ist für mich „Steinzeitdenken plus
Supertechnik“.
Ich empfinde nur Verachtung und
Abscheu gegen all diese Kriege, insbesondere für den amerikanischen Drohnenkrieg,
über den gerade ein aufschlussreicher Film von Sonja Kennebeck, produziert von
Wim Wenders und Errol Morris, in den Kinos läuft.[2]
[2] This
documentary follows the dramatic journey of three whistleblowers who are
determined to break the silence around one of the most controversial current
affairs issues of our time: the secret U.S. drone war. At the center of the
film are three U.S. military veterans. Plagued by guilt over participating in the killing of
faceless people in foreign countries, they decide to speak out publicly,
despite the possible consequences.
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