Der Monat November geht
allmählich – grau und mit viel Regen – zu Ende. Am vergangenen Sonntag begann
die letzte Woche des Kirchenjahres. Im Gottesdienst am Totensonntag wurde
Markus 13, 33 – 37 vorgelesen, wo es um das Warten auf den Herrn geht und das
mit dem Ruf „Wachet auf!“ beginnt. In diesen Bildzusammenhang gehören auch die
Geschichte von den klugen und den törichten Jungfrauen, ja im weiteren Sinne –
wie am Straßburger Münster so wunderbar dargestellt – die Figuren von Synagoge
und Ecclesia.
Arte brachte zu Beginn des Monats
eine Reihe mit Filmen von Henri-Georges Clouzot, die sich mit dem sogenannten Bösen
auseinandersetzten. Nun am Ende des Monats bringt der Sender eine Reihe mit
Filmen des französischen Regisseurs Jean-Pierre Melville, die durchdrungen sind
von einem tiefen Pessimismus.
Am Sonntagabend habe ich mit Lena
zusammen „Le Cercle Rouge“ (Vier im roten Kreis) aus dem Jahre 1970 gesehen,
gestern lief „Le Deuxieme Souffle“ (Der zweite Atem) aus dem
Jahre 1966. Im Mittelpunkt beider Filme, die ganz ähnlich angelegt sind, stehen
Gangster, die aus dem Gefängnis ausbrechen und in der Freiheit ihren nächsten
Coup planen: In „Cercle Rouge“ ist es Alain Delon und in „Le Deuxieme Souffle“
Lino Ventura.
Die Filme spielen beide in einer
harten, illusionslosen Männerwelt, die zugleich eine Unterwelt ist. Beide
spielen in Marseille und Paris. Die französischen Städte erinnern an die
amerikanischen Mobster-Metropolen Chicago und New York.
Melville zwingt uns durch seine
ästhetisch perfekt komponierten Filme, mit diesen Männern mitzuleiden. Gangster
als Identifikationsfiguren sind genau das Gegenteil von den üblichen Filmhelden
jener Zeit. Das macht diese Filme revolutionär, zeugt aber auch davon, wie "das
Böse" in den 60er Jahren „salonfähig“ wurde.
Durch meine Recherchen erfahre
ich, dass sowohl Jean-Pierre Melville (eigentlich: Jean-Pierre Grumbach) als
auch Yves Montand (eigentlich: Yves Livi), der als ehemaliger Polizist und
späterer Gangster eine wichtige Rolle in „Le Cercle Rouge“ spielt, jüdischer Herkunft
sind. Von daher fokussiere ich natürlich wieder einmal meinen Blick auf die
untergründigen Botschaften der Filme.
Die Figuren scheinen mir wie
gefangenen in einem sinnlosen Kreisen um ein Nichts, das in jedem Fall tödlich
endet. Es gibt nicht den geringsten Hoffnungsschimmer, nicht das kleinste
Lächeln auf den Gesichtern der Protagonisten. Die ganze Energie des Regisseurs
scheint sich in der Schilderung der perfekten „Coups“ zu erschöpfen, die die
Gangster in den beiden Filmen planen und minutiös durchführen, die aber am Ende
auch ins Leere laufen. Die Botschaft der kühl-distanzierten Filme ist – kurz
zusammengefasst: „Die Welt ist schlecht und das Leben ist sinnlos.“
Im Grunde handeln sie alle von
den „eiskalten Engeln“, die sich seit 1879 auf der Erde ausgebreitet haben und
das organisierte Verbrechen anführen. Warum sich der Jude Melville gerade für
dieses Milieu so interessiert, wäre meine nächste Frage, die ich aber heute
noch nicht beantworten kann.
Deutschland durchlebt seit der
Bundestagswahl am 24. September 2017 ungewöhnliche Wochen: Die bisherige
Stabilität des Exportweltmeisters scheint auf politischer Ebene zunächst einmal
brüchig geworden zu sein. Die Suche nach einer neuen Regierungskoalition dauert
nun schon mehr als zwei Monate. Dabei scheinen immer wieder neue Hindernisse
aufzutauchen: Zuerst ließ die FDP unter Christian Lindner die Sondierungen mit
den anderen Parteien (CDU/CSU und Grünen) platzen, wodurch Deutschland – zu
meiner Genugtuung – eine sogenannte „Jamaika-Koalition“ (wie die ZEIT titelte,
wäre das „Der Fluch der Karibik“ geworden) erspart blieb. Nun ist wohl am Montag
(27.11.) durch den Vertrauensbruch des Landwirtschaftsministers Schmidt (CSU), der in
Brüssel im Namen Deutschlands und gegen die Vereinbarung mit der Umweltministerin
Hendriks (SPD) für die Verlängerung der „Lizenz zum Töten“, sprich für die
Weiterbenutzung des verheerenden Unkrautvernichtungsmittels „Glyphosat“ in der
Landwirtschaft gestimmt hat, eine Neuauflage der „Großen Koalition“ aus SPD und
CDU/CSU auch wieder in Frage gestellt.
Das ganze kapitalistische System,
das auf Wachstum (und Waffenexport) basiert, scheint in diesen Tagen auf dem Prüfstand
zu stehen. Im Hintergrund „lauern“ die 92 Abgeordneten der AfD, die die Regierenden
zumindest daran erinnern können, dass es möglicherweise eine Alternative zu diesem
Wirtschaftssystem gibt, das mich in vielem an das „organisierte Verbrechen“ erinnert
und das nach der "Kündigung" des Goldstandarts durch Richard Nixon im Jahre 1971 und seit der daraufhin erfolgenden Deregulierung durch den Neoliberalismus unter Ronald Reagan und
Margret Thatcher in den 80er Jahren die Herrschaft über den Planeten übernommen
hat, wie im einzelnen klar nachzuweisen wäre.
Insofern sind die Filme von Melville
eine stimmige und geradezu prophetische Bestandsaufnahme der Gegenwart: Der sinnlose
Materialismus ist im Grunde an seinem Ende angekommen. Ob aber in dieser Adventszeit
ein Umschwung stattfinden wird, ist mehr als fraglich.
Die Rückzugsgefechte der „alten Welt“
werden andauern, auch wenn diese immer brüchiger geworden ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen