Immer wieder stoße ich auf Kritik von Freunden, die manche Dinge, die ich in meinen Blogs
schreibe, „geradezu unerträglich“ finden und mich immer wieder mit dem „braunen
Sumpf“ in Verbindung bringen wollen oder mich verdächtigen, der
„jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ anzuhängen.
Dazu möchte ich folgendes
feststellen: Ich habe durchaus in meinen letzten Schuljahren mit linken Ideen
sympathisiert. Damals gab es kaum Alternativen zu dem kapitalistischen
Gesellschaftsmodell. Alle „Guten“ waren Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre
mehr oder weniger links. Die ganz Überzeugten meiner damaligen Kameraden und
Freunde traten auch bald einer linken Splitterpartei ein. Davon gab es etliche:
Von Marxisten-Leninisten über Trotzkisten bis zu den Maoisten.
Dadurch, dass ich durch das
Abitur gefallen war, weil ich während der Mathe-Prüfung nach der Lösung der
ersten beiden Aufgaben „revolutionäre“ Comics gezeichnet hatte und dadurch mit
4,5 eine fünf in Mathe bekam, die ich nicht ausgleichen konnte, musste ich die
13. Klasse wiederholen und lernte im Schuljahr 1971/72 in einer von meinem
verehrten Lehrer Bertolt Hasen-Müller gehaltenen „Philosophie-AG“ die
Dreigliederung und in ihrem Zuge auch die Anthroposophie Rudolf Steiners kennen.
Hier erst ahnte ich eine brauchbare Alternative zur bestehenden Gesellschaft
und entschied mich für den Beruf des Waldorflehrers.
Ich glaubte an eine evolutionäre
Veränderung der Gesellschaft und lehnte jede gewaltsame Revolution ab.
Allerdings lernte ich während meines Germanistik-Studiums in Stuttgart auch
einige militante Marxisten kennen, mit denen ins Gespräch zu kommen schier
unmöglich war. Wenn ich es versuchte, so merkte ich bald, dass das einzige Ziel
des Gegenübers „Indoktrination“ war. Ich verstummte und ließ den anderen reden,
beobachtete aber ganz genau.
Mit der Zeit stellte ich fest,
dass diese Menschen wie besessen von ihrer Idee des Kommunismus waren. Dabei
denke ich vor allem an einen Zivi, der mit mir auf dem gleichen Zimmer in der
Alexanderstraße wohnte. Er hieß Karle und sah aus wie Charles Bronson. Als
strammer Kommunist stimmte er bei jeder passenden (oder unpassenden)
Gelegenheit die „Internationale“ an. Natürlich war er rhetorisch besser als ich
und ich hatte seinen Argumenten damals nichts entgegenzustellen. Ich hatte nie Karl
Marx oder Lenin gelesen, nachdem ich festgestellt hatte, wie abstrakt intellektuell
ihre Ideen waren. Die marxistische Ideologie interessierte mich nicht.
„Kalle“, der übrigens jeden Abend mit einer anderen
Frau ausging, war mir nicht unsympathisch, aber ich hätte nie eine dauerhafte
Freundschaft mit ihm eingehen können. Es trennten uns Welten.
Anders ist es mir mit meinem
Jugendfreund Konrad gegangen, einem Volksschullehrersohn aus streng
katholischem Elternhaus. Er hat die Krankenpflegeausbildung an einem Münchner
Krankenhaus (Rechts der Isar) absolviert, sich später proletarisiert und ist
ins Ruhrgebiet gezogen, wo er im Bergbau gearbeitet hat. Außerdem hat er den
Transport medizinischer Geräte nach Kuba organisiert. Er ist überzeugter
Kommunist und Antifaschist und hat an der Wanderausstellung und dem dazu erschienene Katalog und Buch „Zug der
Erinnerung“ mitgearbeitet, in dem die Bundesbahn als rechtliche Nachfolgerin
der Reichsbahn angeklagt wird, weil sie Menschen in die Konzentrationslager transportiert
hat.
Wir konnten unsere Freundschaft
lange aufrecht erhalten, auch wenn die Kontakte mit der Zeit immer seltener
wurden. Aber gerade heute habe ich über Facebook eine Nachricht von ihm
erhalten, worüber ich mich sehr gefreut habe.
Ein dritter Freund ist Fritz, der
einstmalige „Chefredakteur“ unserer Schülerzeitung, an deren Gestaltung ich
auch teilgenommen habe. Ein anderes Redaktionsmitglied, Johannes Legner, ist
später Mitbegründer der TAZ und Pressesprecher von Joachim Gauck geworden.
Fritz war einer der besten
Schüler des Gymnasiums. Ich wusste, dass er ein großer Verehrer von Ernst Bloch
war. Wir hatten viele sehr schöne Gespräche, auch wenn wir nicht immer
unbedingt gleicher Meinung waren. Er lehnte bei der Abiturfeier den ihm
zugedachten Ersten Preis ab, proletarisierte sich und ging als einfacher
Arbeiter zur BASF nach Ludwigshafen. Dort stieg er zum Betriebsrat auf und
engagierte sich für die Arbeiterschaft. Ich schätze Fritz sehr als kritischen
Geist. Er liest meine Blogs und findet sie zum Teil „unerträglich“, was er mir
auch offen sagt.
Man kann sagen, dass ich bis vor
zwei Jahren in vielem konform mit Konrad und Fritz ging. Für mich waren die
Nazis eindeutig die Bösen und ich schämte mich wie viele für die Verbrechen
deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg.
Ein Wendepunkt trat ein, als ich
meinen ersten Deutschkurs gab. In dem Kurs waren vorwiegend syrische
Flüchtlinge mit höherem Bildungsgrad. Als ich in einer Stunde nach den Grenzen
Deutschlands auch die Grenzen Syriens besprechen wollte, wehrten sie sich, als
ich den Namen „Israel“ nannte, ein Staat, der ja in den Golanhöhen an Syrien
angrenzt. Ich verstand in diesem Augenblick überhaupt nichts mehr: Wieso durfte
man nicht von „Israel“ sprechen. Ich mag keine „Tabuthemen“.
Aber ein Kursteilnehmer aus
Aleppo schaute mich aus traurigen Augen an und sagte: für uns gibt es nur
Palästina. Von da an begann meine Nachforschung und ich erfuhr, warum so viele
Araber dem 1948 gegründeten Staat feindlich gegenüberstehen.
Mein zweites Schlüsselerlebnis
fand fast gleichzeitig statt. Ich lernte eine russische Frau kennen und lieben,
durch die ich aus erster Hand erfuhr, wie es in der sowjetischen Gesellschaft
in Wirklichkeit zugegangen ist. Daraufhin begann ich mich mit der Geschichte
der Zaren und der Russischen Revolution zu beschäftigen.
Außerdem wollte ich schon lange
wissen, wieso in Deutschland unter den Nationalsozialisten der Antisemitismus
so stark wurde, zumal da das schlimmste antisemitische „Hetzblatt“ sogar meinen
Familiennamen trug: „Der Stürmer“.
In den vergangenen drei Jahren
recherchierte ich im Internet und stieß auf Zusammenhänge, die mir bis dahin
vollkommen verborgen waren. Unter meinen Quellen waren mit Sicherheit auch
Seiten „rechter“ Schreiber.
Früher habe ich solche Seiten aus
Prinzip nicht angeschaut oder gelesen. Es war für mich wie für alle meine
„linken“ Freunde nur „Volksverhetzung“. Inzwischen habe ich meine linken
Scheuklappen abgelegt und meide nicht mehr alles, was den Anschein hat,
„rechts“ zu sein oder von den Linken als „rechtspopulistisch“ bezeichnet wird.
Ich versuche mir mein eigenes Urteil zu bilden. Allerdings übernehme ich
nichts, was ich nicht geprüft habe.
Dabei stellt sich mir immer
deutlicher heraus, dass vieles, was die „Rechten“ behaupten, nicht absolut
falsch ist, auch wenn mir manchmal der Ton nicht gefällt. Das Anathema „Antisemitismus“
ist zwar ständig präsent, aber als Christ versuche ich immer, auch meine „Feinde“
zu verstehen. In dem Bannfluch „Antisemit“ höre ich leider immer wieder das
„kreuzige“ und nicht das „Vater vergib ihnen“ durch.
Seitdem über neunzig AfD-Kandidaten
im deutschen Bundestag Platz genommen haben, fordern immer mehr vernünftige Leute,
man müsse auch mit den „Rechten“ reden. Aber wie kann man mit ihnen reden, wenn
man ihre Positionen gar nicht kennt oder nicht kennen will?
Diese Hürde zu überwinden und einen
Blick in den „Giftschrank“ zu tun, wird wohl notwendig sein, wenn es nicht zu einer
vollkommenen Spaltung unserer Gesellschaft kommen soll.
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