Donnerstag, 14. Dezember 2017

Auf dem Christkindlesmarkt in Nürnberg


Gestern haben Lena und ich unsere Weihnachtsbäckerei fortgesetzt. Im Gegensatz zu unserem ersten Back-Tag, an dem uns Lenas 17jähriger Sohn mehr oder weniger „willig“ geholfen, aber durch seine Bemerkungen die Stimmung „ruiniert“ hat, waren wir dieses Mal mit den Ergebnissen zufrieden. Wir buken drei verschiedene Sorten: Walnuss-Makronen, Marzipanhäufchen und Nougathörnchen. Lena, die als Kind die Weihnachtsbäckerei der russlanddeutschen Frauen immer so bewundert, aber es nie selbst probiert hat, ist richtig glücklich.
Dabei erlebe ich wieder einmal eine Seite Deutschlands, die mir so selbstverständlich ist, obwohl es kein anderes Land gibt, in dem die Vorfreude der Kinder auf Weihnachten so sehr angeregt wird,  wie in deutschen Familien, indem die Mütter, wie auch bei meinen Eltern üblich, in der Adventszeit die köstlichsten Weihnachtspätzchen zauberten. Dann roch das ganze Haus danach. Wir Kinder durften helfen und die Schüsseln oder Geräte ablecken. Die Plätzchen wurden dann fein in Blechdosen eingelegt und erschienen erst am Heiligen Abend wieder auf einem großen Weihnachtsteller, zusammen mit den bunten Marzipanbroten von Niederegger, die meine Mutter in einem Ellwanger Geschäft jedes Jahr zu Weihnachten kaufte, obwohl sie nicht gerade billig waren. Diese Tradition habe ich aufgegriffen und so liegen auch auf unserem Weihnachtsteller jedes Jahr die bunten Marzipanbrote aus Lübeck.
Deutschland und Weihnachten ist offenbar etwas ganz Besonderes. Das habe ich auch wieder am vergangenen Samstag bemerkt, als ich mit Lenas Cousin Oleg und Lenas Schwester Olga in Nürnberg auf dem berühmten Christkindlesmarkt war. Schon meine erste Frau, eine Französin, die während ihrer Stuttgarter Studentenzeit einmal – ohne mich – dorthin gefahren war, schwärmte davon. Ich war am vergangenen Samstag zum ersten Mal dort, dank Oleg. Wir waren nicht die einzigen. Menschen aus aller Welt – wir sahen Asiaten und hörten Italienisch, Englisch und andere Sprachen -  strömten durch die Königsstraße und füllten Geschäfte wie die von „Käthe Wohlfarth“ oder von „Villeroy und Boch“ und kauften ein.
Die einzelnen Stände am Hauptmarkt konnten wir gar nicht alle wahrnehmen, so viele Leute verdeckten die Auslagen. Oleg machte mit seinem Handy Videos und Fotos. Er war ganz begeistert und kaufte Geschenke für seine anderthalbjährige Tochter. 
Auf der Hinfahrt hatte er mich gefragt, warum Hitler Nürnberg so liebte. Ich erwiderte spontan, dass das wohl mit der Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ zusammenhinge. Kaum hatte ich es gesagt, so sahen wir aus dem Auto schon Hinweisschilder auf die „Meistersingerhalle“. 
Oleg fotografiert auch die skulpturenreichen Portale der Lorenz- und der Frauenkirche. Auch das Heilig-Geist-Spital, das die beiden durch die Pegnitz getrennten Stadtteile verbindet, fotografieren wir. Ich erzähle, dass dort lange Zeit die Reichsinsignien, also die Kaiserkrone, das Reichsschwert und das Reichsszepter, aufbewahrt wurden, auch noch zur Zeit des Dritten Reiches. Erst danach wanderten sie in die Schatzkammer der Hofburg nach Wien.
Gegen 14.00 Uhr kehrten wir spontan in einem traditionell ausschauenden Gasthaus an der Burgstraße – ich glaube, es hieß „Almhütte“ – ein und aßen zu Mittag. Olga und ich bestellten „Schäufele“ mit Sauerkraut und Kartoffelklößen. Wir saßen zusammen mit einem verliebten polnischen Pärchen in einem erhöhten Abteil des Gasthauses. Der Mann stammt aus der Nähe von Danzig, hatte deutsche Vorfahren und war schon etliche Jahre in Deutschland. Er sprach nahezu perfekt Deutsch und arbeitet als Ingenieur bei der „Zahnradfabrik Friedrichshafen“ (ZF) in Schweinfurth. Die junge Frau stammt aus einem Dorf zwischen Breslau und Liegnitz, sprach noch mit starkem Akzent, aber arbeitet im Augenblick in einem Steuerberater-Büro in Hamburg. 
Das Paar, das sich über das Internet kennen gelernt hat, trifft sich also nur am Wochenende. Dieses Mal hat der Ingenieur seine Freundin zum Christkindlesmarkt von Nürnberg eingeladen. Ich frage die beiden sehr sympathischen Polen (Auf Russisch: „Polaki“), ob es in ihrer Heimat auch Weihnachtsmärkte gibt. Sie sagen nein. Nur in Breslau gäbe es seit ein paar Jahren einen Weihnachtsmarkt, sagt die junge Frau.
Wieder wird mir bewusst, dass Breslau ja eine ehemals deutsche Stadt war und dass nun dort trotz der vorwiegend polnischen Einwohnerschaft jene deutsche Tradition wieder zum Vorschein kommt, als wäre sie nicht zu unterdrücken. Ich denke, dass hier doch der starke deutsche Volksgeist (im Sinne von Rudolf Steiner) wirkt. Diesen Volksgeist erlebe ich auch in Nürnberg allerorten, obwohl mindestens 80 Prozent der Stadt durch die Bomben der Briten und der Amerikaner zerstört worden war, wie wir an den vielen modernen Bauten erkennen können, die die Baulücken des Krieges heute füllen. Der Charakter der ehemaligen freien und sehr reichen Reichsstadt wirkt trotzdem noch.
Ich glaube, über die Kraft des deutschen Volkes staunt bis heute die ganze Welt. Das zumindest erlebe ich bei Oleg, der immer wieder betont, wie sehr er Deutschland liebt. Er zeigt mir stolz einen Stadtführer auf Russisch, den er in einem Laden gefunden hat.

Auch ich staune, dass Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen heute wieder so gut dasteht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen