Gestern haben Lena und ich unsere
Weihnachtsbäckerei fortgesetzt. Im Gegensatz zu unserem ersten Back-Tag, an dem
uns Lenas 17jähriger Sohn mehr oder weniger „willig“ geholfen, aber durch seine Bemerkungen
die Stimmung „ruiniert“ hat, waren wir dieses Mal mit den Ergebnissen zufrieden.
Wir buken drei verschiedene Sorten: Walnuss-Makronen, Marzipanhäufchen und
Nougathörnchen. Lena, die als Kind die Weihnachtsbäckerei der russlanddeutschen
Frauen immer so bewundert, aber es nie selbst probiert hat, ist richtig
glücklich.
Dabei erlebe ich wieder einmal
eine Seite Deutschlands, die mir so selbstverständlich ist, obwohl es kein
anderes Land gibt, in dem die Vorfreude der Kinder auf Weihnachten so sehr
angeregt wird, wie in deutschen Familien, indem die Mütter, wie auch bei meinen Eltern üblich, in der
Adventszeit die köstlichsten Weihnachtspätzchen zauberten. Dann roch das ganze
Haus danach. Wir Kinder durften helfen und die Schüsseln oder Geräte ablecken.
Die Plätzchen wurden dann fein in Blechdosen eingelegt und erschienen erst am
Heiligen Abend wieder auf einem großen Weihnachtsteller, zusammen mit den
bunten Marzipanbroten von Niederegger, die meine Mutter in einem Ellwanger
Geschäft jedes Jahr zu Weihnachten kaufte, obwohl sie nicht gerade billig
waren. Diese Tradition habe ich aufgegriffen und so liegen auch auf unserem
Weihnachtsteller jedes Jahr die bunten Marzipanbrote aus Lübeck.
Deutschland und Weihnachten ist
offenbar etwas ganz Besonderes. Das habe ich auch wieder am vergangenen Samstag
bemerkt, als ich mit Lenas Cousin Oleg und Lenas Schwester Olga in Nürnberg auf dem berühmten Christkindlesmarkt
war. Schon meine erste Frau, eine Französin, die während ihrer Stuttgarter Studentenzeit einmal – ohne
mich – dorthin gefahren war, schwärmte davon. Ich war am vergangenen Samstag zum ersten Mal
dort, dank Oleg. Wir waren nicht die einzigen. Menschen aus aller Welt – wir sahen
Asiaten und hörten Italienisch, Englisch und andere Sprachen - strömten durch die Königsstraße und füllten
Geschäfte wie die von „Käthe Wohlfarth“ oder von „Villeroy und Boch“ und
kauften ein.
Die einzelnen Stände am Hauptmarkt
konnten wir gar nicht alle wahrnehmen, so viele Leute verdeckten die Auslagen.
Oleg machte mit seinem Handy Videos und Fotos. Er war ganz begeistert und
kaufte Geschenke für seine anderthalbjährige Tochter.
Auf der Hinfahrt hatte er
mich gefragt, warum Hitler Nürnberg so liebte. Ich erwiderte spontan, dass das
wohl mit der Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ zusammenhinge. Kaum
hatte ich es gesagt, so sahen wir aus dem Auto schon Hinweisschilder auf die
„Meistersingerhalle“.
Oleg fotografiert auch die skulpturenreichen Portale der
Lorenz- und der Frauenkirche. Auch das Heilig-Geist-Spital, das die beiden
durch die Pegnitz getrennten Stadtteile verbindet, fotografieren wir. Ich erzähle,
dass dort lange Zeit die Reichsinsignien, also die Kaiserkrone, das
Reichsschwert und das Reichsszepter, aufbewahrt wurden, auch noch zur Zeit des
Dritten Reiches. Erst danach wanderten sie in die Schatzkammer der Hofburg nach
Wien.
Gegen 14.00 Uhr kehrten wir
spontan in einem traditionell ausschauenden Gasthaus an der Burgstraße – ich
glaube, es hieß „Almhütte“ – ein und aßen zu Mittag. Olga und ich bestellten
„Schäufele“ mit Sauerkraut und Kartoffelklößen. Wir saßen zusammen mit einem
verliebten polnischen Pärchen in einem erhöhten Abteil des Gasthauses. Der Mann
stammt aus der Nähe von Danzig, hatte deutsche Vorfahren und war schon etliche
Jahre in Deutschland. Er sprach nahezu perfekt Deutsch und arbeitet als
Ingenieur bei der „Zahnradfabrik Friedrichshafen“ (ZF) in Schweinfurth. Die
junge Frau stammt aus einem Dorf zwischen Breslau und Liegnitz, sprach noch mit
starkem Akzent, aber arbeitet im Augenblick in einem Steuerberater-Büro in
Hamburg.
Das Paar, das sich über das Internet kennen gelernt hat, trifft sich
also nur am Wochenende. Dieses Mal hat der Ingenieur seine Freundin zum
Christkindlesmarkt von Nürnberg eingeladen. Ich frage die beiden sehr
sympathischen Polen (Auf Russisch: „Polaki“), ob es in ihrer Heimat auch
Weihnachtsmärkte gibt. Sie sagen nein. Nur in Breslau gäbe es seit ein paar
Jahren einen Weihnachtsmarkt, sagt die junge Frau.
Wieder wird mir bewusst, dass
Breslau ja eine ehemals deutsche Stadt war und dass nun dort trotz der
vorwiegend polnischen Einwohnerschaft jene deutsche Tradition wieder zum
Vorschein kommt, als wäre sie nicht zu unterdrücken. Ich denke, dass hier doch
der starke deutsche Volksgeist (im Sinne von Rudolf Steiner) wirkt. Diesen
Volksgeist erlebe ich auch in Nürnberg allerorten, obwohl mindestens 80 Prozent
der Stadt durch die Bomben der Briten und der Amerikaner zerstört worden war,
wie wir an den vielen modernen Bauten erkennen können, die die Baulücken des
Krieges heute füllen. Der Charakter der ehemaligen freien und sehr reichen
Reichsstadt wirkt trotzdem noch.
Ich glaube, über die Kraft des
deutschen Volkes staunt bis heute die ganze Welt. Das zumindest erlebe ich bei
Oleg, der immer wieder betont, wie sehr er Deutschland liebt. Er zeigt mir
stolz einen Stadtführer auf Russisch, den er in einem Laden gefunden hat.
Auch ich staune, dass Deutschland
nach zwei verlorenen Weltkriegen heute wieder so gut dasteht.
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