Briefmarke der Deutschen Bundespost im Jahre 1986
Nun habe ich die drei Vorträge,
die Rudolf Steiner am 19., 22. und 25. Mai in Hamburg gehalten hat, wieder gelesen.
Die Taschenbuchausgabe des Hamburger Zyklus „Die Offenbarungen des Karma“ (GA
120) hatte ich im August 2010 in die Klinik in Zell am Harmersbach mitgenommen und
dort gelesen. Jetzt nach zehn Jahren las ich drei der insgesamt elf Vorträge wieder
und hatte das deutliche Gefühl, sie jetzt besser zu verstehen. Das verdanke ich
Helena, bei der ich nun die Krankheitssymptome besser verstehen kann, wenn
Rudolf Steiner davon spricht, wie die luziferischen Mächte im Astralleib wirken
und dort Begierden nach sinnlichen Genüssen, aber auch die Eitelkeit, ja den Größenwahn,
wie ich sie ja vorwiegend in mir entdecken konnte, erzeugen. All diese Tendenzen
müssen durch die göttliche Gnade oder das Karma im folgenden Leben ausgeglichen
werden. Im Leben zwischen Tod und Geburt entwickelt der Mensch die
entsprechenden Gegentendenzen.
„Haben wir doch gesagt, dass dem
Menschen während der Kamalokazeit die Ereignisse seines letzten Lebens, seine
von ihm verrichteten Handlungen im Guten und Bösen, seine
Charaktereigenschaften und so weiter vor die Seele treten und dass er durch die
Anschauung seines eigenen Lebens in sich die Tendenz aufnimmt, für alles, was
unvollkommen in ihm ist und was sich als eine unrichtige Handlung gezeigt hat,
Abhilfe und Ausgleich zu schaffen, sich die betreffenden Eigenschaften
einzuprägen, welche ihn auf diesem oder jenem Gebiet vollkommener machen. Haben
wir das begriffen, so können wir sagen: diese Absicht, diese Tendenz behält nun
der Mensch und geht durch eine neue Geburt mit dieser Absicht wieder ins
Dasein.“
Das geht so weit, dass der Mensch
in seinem nächsten Leben die Situationen geradezu herbeisehnt, die ihm helfen,
seine Schwächen auszugleichen. Rudolf Steiner bringt das Beispiel eines Menschen mit einem
fehlenden Selbstgefühl:
„Nehmen wir an, jemand habe im
letzten Leben so gelebt, dass er aus einem viel zu schwachen Ich-Gefühl heraus
gewirkt hat, aus einem Ich-Gefühl, welches in der Hingabe an die äußere Welt
viel zu weit ging, so weit, dass es mit einer Unselbständigkeit, Selbstverlorenheit
wirkte, wie es für unseren heutigen Menschheitszyklus nicht mehr angemessen
ist. Also das fehlende Selbstgefühl war es, welches einen Menschen in einer
Inkarnation zu diesen oder jenen Handlungen geführt hat. Nun hat er während der
Kamalokazeit die Handlungen vor sich gehabt, die aus diesem fehlenden Selbstgefühl
herausgeflossen sind. (...) Der Betreffende wird hinstreben zu einer solchen
Inkarnation, welche gerade die derbsten Widerstände seinem Selbstgefühl entgegensetzt,
so dass er es nötig hat, sein Selbstgefühl im höchsten Maße anzuspannen. Dadurch
wird er wie magnetisch hingezogen werden zu solchen Gegenden und solchen
Gelegenheiten, wo sich ihm tiefere Hindernisse entgegenstellen (...), wo (er)zum
Beispiel einer Seuche wie der Cholera ausgesetzt (ist).“
Dann bringt Rudolf Steiner das
Beispiel eines Menschen, der ein zu starkes Selbstgefühl ausgebildet hat. In
der Kamalokazeit sieht er, dass „er sich mäßigen muss in Bezug auf sein
Selbstgefühl, dass er es zurückdämmen muss. (...) Die Bedingungen dazu sind
hergestellt, wenn der Betreffende hingezogen wird zu einer Gelegenheit, die ihm
die Malaria bringt.“
Nun sind Cholera und Malaria in
Mitteluropa so gut wie ausgerottet. Menschen mit einem zu geringen oder mit
einem übersteigerten Selbstgefühl suchen also heute andere Gelegenheiten des
karmischen Ausgleichs.
Die Zusammenhänge sind natürlich,
wie Rudolf Steiner in seinen Vorträgen ausführt, noch wesentlich komplexer,
weil man beachten muss, dass der Mensch nicht nur einen physischen Leib hat, sondern
auch einen Ätherleib, in dem die ahrimanischen Wessen, und einen Astralleib, in
dem die luziferischen Wesen wirken können. Grundsätzlich aber gilt, was er in
einer Art Zusammenfassung am Ende des vierten Hamburger Vortrags vom 19. Mai
1910 ausspricht:
„So also sehen wir, wie Karma in
dem Kranksein wirkt und wie es zur Überwindung von Kranksein wirkt. Nun wird es
nicht mehr unbegreiflich erscheinen, dass im Karma auch die Heilbarkeit oder
Unheilbarkeit einer Krankheit liegt. Wenn Sie sich klarmachen, dass ja das
Ziel, das karmische Ziel des Erkrankens das ist, den Menschen zu fördern und
vollkommener zu machen, so ist die Voraussetzung die, dass der Mensch, wenn er
nach der (höheren) Vernünftigkeit, die er sich aus der Kamalokazeit beim
Eintritt in ein neues Dasein mitbringt, einer Krankheit verfällt, jene
Heilkräfte dann entwickelt, welche eine Stählung seines inneren Menschen
bedeuten und die Möglichkeit, höher zu kommen. (...) Durch das Überwinden der
Krankheit hat er sich instand gesetzt, dort vollkommene Kräfte zu haben, wo er
früher unvollkommene Kräfte hatte.“
Bei den Erkrankungen im
Zusammenhang mit dem Corona-Virus geht es ja vorwiegend um die Atmungsorgane. Der
Virus führt zu Lungenentzündungen. Rudolf Steiner stellt in seinem Vortrag vom
19. Mai 1910 zu diesem Krankheitsbild fest:
„Nehmen Sie zum Beispiel eine
solche Krankheit wie die Lungenentzündung. Sie ist eine Wirkung in der karmischen
Folge, welche dadurch entsteht, dass der Betreffende während seiner
Kamalokazeit zurückblicken kann auf einen Charakter, der in sich hatte Hang und
Neigung zu sinnlichen Ausschweifungen. (...) gerade in der Überwindung der
Lungenentzündung, in der Selbstheilung, welche dabei vom Menschen angestrebt wird,
wirkt die menschliche Individualität entgegen den luziferischen Mächten, führt
einen förmlichen Krieg gerade gegen die luziferischen Mächte.“
Wenn man davon ausgeht, dass
zahlreiche Menschen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verkörpert
waren, heute wieder da sind, dann kann man Imaginationen haben, die ja heute
sogar im Fernsehen in einer viel gesehenen Serie verbreitet werden, wie in den „goldenen
Zwanziger Jahren“ während der Weimarer Republik viele Menschen in Großstädten wie
New York und Berlin sich diesen Ausschweifungen hingaben, und wie heute das
Leben in den New Yorker und Berliner Klubs wegen der Corona-Krise ruhen muss. Die
betroffenen Menschen erfahren im Augenblick die Gnade des Karma.
Natürlich bleibt ein
materialistisches Bewusstsein bei den äußeren Erscheinungen kleben und denkt
nicht über sein jetziges Leben hinaus. Man habe ja nur eines, heißt es dann,
und in diesem Leben möchte man möglichst alles genießen, was es auf diesem
Planeten zu genießen gibt. So reisen viele Menschen rund um die Welt, immer auf
der Suche nach neuen Erfahrungen und Sensationen. Sie merken nicht, wie sie
dadurch die Welt, die sie genießen wollen, allmählich zerstören. Sie wollen
alles jetzt und alles auf einmal. Genau gegen solch eine Haltung ist die Schwedin
Greta Thunberg aufgestanden und hat, ohne es zu wollen, die zweite globale
Jugendbewegung nach den 68ern ausgelöst.
Das Corona-Virus bremst diese Menschen
stärker aus, als es die Jugendbewegung der „Fridays for Future“ je vermocht
hätte: Der Himmel ohne Flugzeuge ist zum ersten Mal wieder rein und klar, die
Atmosphäre und die Meere können sich erholen, aber auch die Tiere. Und die Menschen
sind auf sich selbst zurückgeworfen. Auch wenn die Gefährlichkeit des Virus
eine Chimäre sein sollte, so kann der gegenwärtige einmalige Ausnahmezustand
viele Menschen dazu bringen, bessere Eigenschaften zu entwickeln.
Ich denke, der Ausbruch dieser
ersten globalen Pandemie im November 2019, 33 Jahre nach dem Erscheinen des
Halleyschen Kometen im Jahr 1986, kann einige Menschen dazu bringen, ihren
Materialismus zu überwinden und sich dem Geiste – ganz unabhängig von jeder
Religion – zuzuwenden. Im Zeitalter des Individualismus muss jeder Mensch seinen
individuellen Weg zum Geist finden.
Ich erwähne den Halleyschen
Kometen deswegen, weil er in einem bestimmten Rhythmus wiederkehrt und die
Menschheit – geistig gesehen – einerseits
tiefer in den Materialismus treibt, einzelnen andererseits aber auch die Chance
bietet, sich dem Geistigen zuzuwenden. Das ist bei dem Erscheinen des Kometen
im Jahre 1910, als Rudolf Steiner nicht nur den Zyklus über die „Offenbarungen
des Karma“ hielt, sondern in kleinen theosophischen Logen, ausgehend von Oslo
bis hinunter ins sizilianische Palermo, begann, vom „Wiedererscheinen des
Christus im Ätherischen“ zu sprechen, bei einigen wenigen Menschen geschehen;
das ist 1986 zumindest bei einem führenden Politiker, der schon in seiner
Jugend ein deutliches Christuserlebnis hatte, nach der Reaktorkatastrophe von
Tschernobyl geschehen, bei Michael Gorbatschow, dessen Politik zum Zusammenbruch
des kommunistischen Systems geführt hat.
Jetzt, 33 Jahre danach, will es manchem
erscheinen, als würde auch das kapitalistische System zusammenbrechen. Ob es
wirklich dazu kommt, dass die Menschheit auch ökonomisch zu höherer
Vernünftigkeit gelangt, bleibt abzuwarten. Es wäre jetzt eine Chance, die uns
die geistige Welt gewährt.
Interessant ist, wie wegen des Profitdenkens
der neoliberalen Wettbewerbswirtschaft die Firmen in den vergangenen 30 Jahren dorthin
gingen, wo sie am billigsten produzieren konnten. Dies schlägt nun in der
globalen Coronakrise auf die hiesige Wirtschaft zurück: weil nicht nur pharmazeutische
Produkte wie Medikamente, sondern auch medizinische Geräte wie
Beatmungsapparate seit der Globalisierung vorwiegend „kostengünstig“ in China
produziert werden, fehlen entsprechende Produktionsstätten in Deutschland,
obwohl das Know-How ursprünglich aus Deutschland stammt. Auch der Abbau von
Krankenhausbetten und der Einzug kapitalistischen Profitstrebens in den
gesamten Bereich der Kranken- und Altenpflege rächen sich jetzt. Es ist zu
hoffen, dass die Verantwortlichen wenigstens diese Lektion lernen und auf
diesem Gebiet nach der Krise „vernünftiger“ handeln.
Wir waren heute in Künzelsau, wo
Lena ein MRT von ihrer schmerzenden Schulter machen ließ. Auch über den Schmerz
habe ich in den Vorträgen von Rudolf Steiner etwas Wichtiges gefunden. So heißt
es im siebten Vortrag vom 22. Mai 1910:
„Wenn nun nichts anderes bestünde
im Leben als einzig und allein das, was Luzifer in uns bewirkt, dass wir diese
oder jene egoistischen Triebe und Leidenschaften entfalten, dann würden wir
eigentlich niemals von den luziferischen Versuchungen loskommen können im Leben.
Wir würden sie auch nicht durch die aufeinanderfolgenden Inkarnationen
losbekommen können, den wir würden ihnen immer wieder von neuem verfallen. (...)
Der Krankheitsprozess (...) führt uns nur dadurch zu einer Besserung, dass von
denjenigen Mächten, deren Gegner Luzifer ist, nun etwas hinzugefügt wird zu dem
ganzen Prozess. (...) Und diese Mächte, deren Gegner (...) die luziferischen
Mächte sind, fügen hinzu zu dem Prozess, der unter dem Einfluss Luzifers
verursacht wird, den Schmerz. So müssen wir den Schmerz als etwas ansehen, was –
wenn wir die luziferischen Mächte die bösen Mächte nennen – uns von den guten
Mächten zugefügt wird, damit wir gerad durch den Schmerz uns den Fangarmen der
bösen Mächte entreißen können und ihnen nicht verfallen. (...) So wird der
Schmerz in Bezug auf die Versuchungen der luziferischen Mächte unser Erzieher. (...)
wir sehen, wie wohltätige Mächte uns den Schmerz hinzufügen zu der bloßen
Schädigung der Organe, damit wir an dem Schmerz ein unter der Oberfläche
unseres Bewusstseins liegendes Erziehungsmittel haben.“