Über der Eingangstür zum Museum
„Maison des Lumieres“ in Langres steht Immanuel Kants Motto der Aufklärung:
„Sapere Aude – Wage es, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Ich weiß noch, wie ich den Text, der
in diesem Satz gipfelt, mit einer meiner Deutsch-Klassen am Gymnasium
auswendig rezitiert habe. Ein Schüler erinnerte sich noch
später, im Germanistik-Studium, an diesen Text und berichtete mir ganz stolz,
wie er seine Professorin und die Studenten ihres Seminars damit erstaunt hat,
dass er den ganzen Text auswendig aufsagen konnte.
Ich habe in der Tat den Eindruck,
dass die Mehrheit der Menschen sich inzwischen wieder weit entfernt hat von
diesem Motto. Heute gibt es innerhalb der Youtube-Generation allerhand
„Influenzer“, die von großen Public-Relations-Firmen unterstützt werden, um die
Gedanken der jungen Menschen in die gewünschte Richtung zu lenken. Das
populärste Beispiel eines solchen Influenzers
ist „Rezo“, dessen Video am 18. Mai 2019 unmittelbar vor der Europa-Wahl veröffentlicht
wurde und den „Altparteien“ viele Stimmen kostete, jedoch höchstwahrscheinlich
zum Erfolg der Grünen beitrug.[1] Aus dem neuesten (52.) Beitrag
„Me, Myself and the Media“[2], den Ken Jebsen, der
geniale Journalist und Waldorfschüler mit iranisch-jüdischen Wurzeln am 27.
August 2019 veröffentlichte und den ich mir – trotz Überlänge – bis zu
Ende angeschaut habe, erfahre ich, dass auch dieser Rezo von einer Firma namens
Ströer Media[3],
die inzwischen die Nummer 1 auf dem Gebiet der Medienbeeinflussung ist, „gesponsert“
wird, was zu seinem erstaunlichen Erfolg (12 Millionen Klicks) beigetragen hat.
Im Grunde bestätigt Ken Jebsen
all das, was ich auf meinem Weblog unter dem Titel „Die Konditionierung
des Denkens“ veröffentlicht habe.[4] Er bringt es mit professionellen
Mitteln auf den Punkt und kann seine Thesen mit Ausschnitten aus
Fernsehberichten, Talkshows oder aus dem eigenen Format „Positionen“, in dem er
Interviews mit interessanten Persönlichkeiten führt, überzeugend belegen. Mir
gefallen auch seine Hinweise auf Bücher, die er zur Vertiefung empfiehlt.
Nicht irgendwelche Youtube-Videos
regen unser eigenständiges Denken an, sondern die Lektüre von Büchern. Das habe
ich jetzt bei meinem Aufenthalt in Lothringen wieder erleben können, als ich das
Buch „Der Tod als Lebenswandlung“ von Fred Poeppig, das beinahe 300 Seiten
umfasst, fast bis zu Ende gelesen habe. Fred Poeppig lebte von 1900 bis 1974,
wie ich aus dem Internet erfahre.[5] Er war eine interessante
Persönlichkeit, die viel gereist ist und viel gelitten hat. Vor allem aber war
Fred Poeppig mit Marie Steiner eng befreundet, gehörte also zu ihrem karmischen Umkreis.
Ich halte es für unabdingbar,
dass Menschen lesen. Auch die rasante Abnahme der allgemeinen Bildung und
insbesondere des geschichtlichen Wissens im deutschen und französischen
Schulsystem war Thema in unserem Gespräch am Sonntagnachmittag. Dazu las ich
gestern einen interessanten Beitrag aus der Neuen Züricher Zeitung (NZZ), den
der Schweizer Philosoph Konrad Paul Liessmann unter dem Titel „Das Verschwinden
des Wissens“ bereits am 15.09.2014 veröffentlicht hatte[6] und den ich auf
Facebook fand.
Erst beim Lesen bekommt man den
Abstand und die innere Freiheit, einen Gedanken objektiv und gründlich zu
verfolgen. Erst bei der Lektüre schaltet sich das Wahrheitsempfinden ein. Beim
Film wird es oft erst einmal übertölpelt, weil der menschliche Verstand gar
nicht so schnell begreifen kann. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten,
dass gerade das Medium Film die beste Methode ist, das Denken der „Massen“ zu
konditionieren. Das betrifft insbesondere das Bild des Deutschen, das in
zahllosen Filmen – egal ob amerikanischen oder französischen Ursprungs – völlig
verzerrt dargestellt wird. Auch darüber waren wir uns am Sonntag einig. Francis
nannte zwei rühmliche Ausnahmen: die beiden neueren russischen Filme „T34“[7] und „Sobibor“.[8]
Gestern erfuhr ich aus einer Mail, dass das Buch „The Myth of German Villainy“ des
amerikanischen US-Navy-Piloten Benton L. Bradberry, das ich in meinen
Beiträgen schon mehrmals erwähnt habe, inzwischen unter dem Titel „Das Märchen
vom bösen Deutschen“ in deutscher Übersetzung vorliegt. Dieses Buch ist eines
der Schlüsselwerke zur Aufhellung der Geschichte des 20.
Jahrhunderts, die von unseren Geschichtsprofessoren eher verdunkelt worden ist,
wie ich in einem Beitrag des Berliner Historikers Michael Wildt
in der FAZ vom 26.08.2019 wieder einmal erfahren konnte: Unter dem Titel „…in vier Jahren
kriegsfähig“ wird die These vertreten, dass Adolf Hitler von
Anfang an aktiv auf den Zweiten Weltkrieg zugearbeitet hätte. Ohne die Politik
dieses Mannes verteidigen zu wollen, muss der Gerechtigkeit halber 80 Jahre
nach dem „Überfall auf Polen“ am 1. September 1939 gesagt werden, dass es genau
umgekehrt war: Hitler hat alles dafür getan, dass Deutschland beim nächsten
Krieg, mit dem er fest rechnete, nicht wieder eine Niederlage erleiden müsse.
Das ist eine völlig andere Sichtweise, die der historischen Wahrheit wohl eher
entspricht.
Und so kam es dann auch: Polen
war nach unzähligen Versuchen von Seiten der Reichsführung nicht bereit, einen
freien Zugang zur deutschen Stadt Danzig zu gewähren und schikanierte
ununterbrochen die deutsche Minderheit, die in ihrem nach dem Ersten Weltkrieg
neu geschaffenen Territorium verblieben war, bis Hitler den polnischen Sender
in der Grenzstadt Gleiwitz besetzte. Drei Tage später hat England unter seinem
stotternden König George VI.[9] dem Deutschen Reich den
Krieg erklärt. Auf diese Gelegenheit hat das British Empire offensichtlich nur
gewartet, wie man aus anderen historischen Quellen zweifelsfrei entnehmen kann.
Dazu muss man sich aber schon die Mühe machen, zumindest zwei Bücher gründlich
zu studieren: das immer noch aktuelle Buch „Mitteleuropa – Bilanz eines
Jahrhunderts“ (1981) der Historikerin Renate Riemeck und das Buch des
Bundeswehr Generalmajors Gerd Schultze-Rhonhof, das den zutreffenden Titel
„1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte. Der lange Anlauf zum Zweiten
Weltkrieg“ (2003, 9. Auflage: 2015) trägt.
Wer diese beiden Bücher nicht
gelesen hat, kann eigentlich bei diesem Thema gar nicht mitreden. Er läuft
Gefahr, der Propaganda der offiziellen Geschichtsschreibung auf den Leim zu
gehen. Auch hier gilt: wer wie der Historiker Ernst Nolte die Wahrheit sagt,
verliert seinen Arbeitsplatz oder wird zur „Persona non grata“ erklärt.
Bis heute haben nur diejenigen
die „Wahrheit“ gepachtet, die irgendwie mit der maßgeblichen „Frankfurter
Schule“ verbunden sind.
Auch die Frankfurter Schule ist
einmal unter dem Motto Immanuel Kants angetreten und findet sich spätestens seit
Adorno/Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ (1947 bei Querido, Amsterdam,
1969 bei Fischer, Frankfurt am Main) in dieser Tradition.
Zu dieser Schule gehört vor allem
der jetzt 90-jährige Jürgen Habermas. Er gilt bis heute als die Autorität, die
alle abweichenden Meinungen abschmettert wie Old Shatterhand einst seine Feinde,
was der „Historikerstreit“ vor nun exakt 33 Jahren (1986) gezeigt hat.[10]
Umso wichtiger ist es heute, das
„Sapere Aude“ trotzdem anzuwenden:
„Habe den Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu bedienen!“
[3] Minute 1:26 des Videos “Me,
Myself and the Media vom 27.08.2019. Siehe auch; https://www.stroeer.com
[6] https://www.nzz.ch/meinung/debatte/das-verschwinden-des-wissens-1.18383545?mktcid=smsh&mktcval=Facebook
[9]
Siehe auch den Film “The King’s Speech” von Tom Hooper: https://en.wikipedia.org/wiki/The_King%27s_Speech
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