Gestern (17.03.2017) sah ich auf
3-SAT-Kulturzeit ein schönes Gespräch mit Martin Walser, der am 24. März 2017 90
Jahre alt wird. Er ist wohl der erste Literat, dem „der Spiegel“ zu Lebzeiten ein
ganzes Heft in seiner Reihe „Biografie“ widmet, das ich gestern gekauft habe. Es
trägt den treffenden Titel „Martin Walser, 90 – Chronist der deutschen Seele“.
In der
Sendung sagte Martin Walser, der katholisch getauft ist, einige schöne Sätze, wie zum Beispiel diese hier: Ich
möchte „unfassbar sein, wie die Wolke die schwebt“ oder „Ich kann nichts
dagegen tun, dass sich in mir andauernd Sätze bilden“ oder „Sprache bleibt
unser unkommandierbarer Reichtum“ oder „Ich bin die Asche einer Glut, die ich
nie war“ oder „Ich sage etwas so schön, wie es nicht ist: das ist mein
Grundbekenntnis“ oder „Die Sprache ist kein Zufall und ich bin darauf
angewiesen, dass es sie gibt“. Seine philosophischen Betrachtungen gipfeln in
dem Satz: „Das hat die Literatur mit der Religion gemeinsam. Die Religion
erklärt auch kein bisschen die Welt. Die Religion verklärt die Welt. Literatur
verklärt die Welt auch.“
Da kommt Walser Aussagen von Novalis recht nahe,
die ich schon immer geliebt habe. Am schönsten aber finde ich den Satz, den er
in einem seiner Bücher – ich weiß noch nicht in welchem – geschrieben hat: „Der
Liebe Gott ist ein Masseur mit Händen aus Musik“.
In dem Heft gibt es auch einen
Aufsatz Martin Walsers aus dem Jahre 1995 (Spiegel 52) über Victor Klemperer (1881
- 1960), dessen Tagebücher ich mir daraufhin über Amazon bestelle, nachdem
Walsers Text mein Interesse geweckt hat. Der Titel lautet „Wir werden Goethe
retten“. Der Spiegel erläutert: „Walsers Hymne, eine gekürzte Fassung seiner
Rede zur posthumen Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises an Klemperer,
konzentriert sich auf die Beharrlichkeit, mit der dieser jüdische Autor an
seiner deutschen Identität festhält.“
Victor Klemperer „führte seit seinem 16. Lebensjahr
Tagebuch, das ihm später auch als Grundlage der Autobiographie „Curriculum
Vitae“ (1989) diente“, lese ich in der Erläuterung des Walser-Textes im „Biografie-Heft“
(S 72). Walser meint, er kenne „keine Mitteilungsart, die uns die Wirklichkeit
der NS-Diktatur fassbarer machen kann, als es die Prosa Klemperers tut.“
Dieser
Satz ist es, der mich zu der Entscheidung bringt, mir diese Tagebücher zu
besorgen. Ich möchte einfach authentische Zeugnisse aus dieser Zeit
kennenlernen, aus einer Zeit, die ich nicht selbst erlebt habe und die meinem
Gefühl nach in den meisten Filmen aus bestimmten Gründen oft nur verzerrt
dargestellt wird.
Mir
fällt auf, dass ich mich mit Victor Klemperer in guter Gesellschaft befinde, denn ich schreibe
seit meinem 14. Lebensjahr Tagebuch.
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