Donnerstag, 26. September 2019

Geisteskämpfe im Netz




Meine Texte zu Greta Thunberg werden im Augenblick auf Facebook sehr kontrovers diskutiert. Ich beteilige mich jetzt nicht mehr daran. All die negativen  oder hämischen Gedanken und Gefühle, die dort verbreitet werden, versperren den Weg für die michaelischen Kräfte, die meiner Meinung nach durch dieses Mädchen wirken wollen. Es ist ein Weckruf an die Menschheit, vielleicht der letzte, bevor es wirklich zu spät ist. Dass sich sogenannte „Anthroposophen“ gegen dieses mutige Mädchen stellen, verwundert mich. Sind sie wirklich so blind?
Allein ihr Mut zeigt schon, dass sie michaelische Qualitäten besitzt. Dass dabei Widersacher-Dämonen versuchen, ihre Mission zu verhindern oder abzulenken, ist selbstverständlich. Wer sich so in der Öffentlichkeit exponiert wie Greta Thunberg, bietet den einen eine wunderbare Projektionsfläche, den anderen das rote Tuch. Keiner von all den Kommentatoren kennt das Mädchen persönlich und bei keinem habe ich den Eindruck, dass er sie mit den höheren Erkenntnisorganen anschaut; ich spreche dabei nur von jenen, die sich im Internet äußern, nicht von jenen, die schweigen.
Ich entscheide mich von nun an für das Schweigen und versuche, das Mädchen mit guten Gedanken zu begleiten.

Eben sehe ich, dass mein Blogbeitrag „Greta – die neue Johanna?“ inzwischen von 66 Lesern angeklickt wurde (was noch lange nicht heißt, dass er auch gelesen wurde). Einer hat sogar einen nicht gerade sehr verständnisvollen Kommentar dazu geschrieben.
Den obigen Text habe ich vor einer halben Stunde auf meiner Facebook-Seite und auf der Seite von „Anthroposophie verstehen“ veröffentlicht, wo sich – wie ich nun leider feststellen muss – tatsächlich anthroposophische „Verschwörungstheoretiker“ tummeln, die die abstrusesten Behauptungen aufstellen. Ein Kommentator meinte offenbar ganz ernsthaft, dass das dreifache „F“ in „Fridays for Future“ die Zahl „666“ bedeute und suggeriert mit dieser an den Haaren herangezogenen Vermutung, dass die ganze Bewegung von „Satan“ angeführt würde. So weit liegen im Augenblick die Ansichten – allein unter „Anthroposophen“ oder besser: „Möchtegern-Anthroposophen“ –  auseinander.
Auch mein Reisebericht über unsere Samothrake-Fahrt wurde nicht von allen positiv aufgenommen. Von den Reiseteilnehmern hat sich nur eine geäußert. Ihre Kritik, die damit zusammenhing, dass sie nicht wollte, dass ich ihren Vornamen erwähne, hat dazu geführt, dass ich den Bericht, der mir einige Stunden Arbeit gekostet hat, aus meinem Weblog „Reisen in die Schönheit“ entfernt habe.
Nun habe ich gestern sogar einen Brief von dieser sehr lieben Frau in meinem Briefkasten vorgefunden, in dem sie noch einmal ausdrückt, wie leid es ihr tut, dass sie mich „mit meiner Kritik sehr verletzt und getroffen“ hat. Ja, sie hat mich getroffen, aber sie hat mich auch wach gemacht gegenüber der Realität: Ich kann nicht davon ausgehen, von allen verstanden zu werden. Wenn ich etwas veröffentliche, setze ich mich auch der Kritik aus. Wenn es eine konstruktive Kritik ist, dann habe ich Freude daran, wenn es eine negative Kritik ist, dann tut es mir manchmal tagelang weh.
Das Mitglied unserer Gemeinde erinnert mich auch an den Spruch von Christian Morgenstern, den uns unsere Priesterin im vergangenen Jahr mit der Weihnachtspost zugeschickt hat:

„Aber wir Menschen,
Wir Selig-Unseligen,
tief in gemeinsame Lose verstrickten
müssen einander
fragen, belehren,
trösten, befreien,
stärken, erheitern,
und zu all Dem
raten und planen,
formen und bauen
rastlos, mühevoll,
an dem Menschheitstempel
‚Kultur‘
(Christian Morgenstern)
Ich finde, der Spruch kommt gerade im richtigen Moment.

Mittwoch, 25. September 2019

Greta - die neue Johanna?



Die Rede Greta Thunbergs vor der UNO am 23. September 2019 (Herbst-Tag- und Nachtgleiche) ist im Augenblick das Topthema der Medien. Dabei fällt mir auf, dass– ähnlich wie bei Rudolf Steiner oder Johanna von Orleans – nicht alle begeistert sind, sondern dass es entweder klare Zustimmung oder deutliche Ablehnung gibt, dass also die Kommentatoren entweder „dafür oder dagegen“ (pro oder contra) sind.
In welchem Maße das Mädchen die Menschen polarisiert, kann man zum Beispiel bei Rafael Korenzecher, dem Herausgeber der israelfreundlichen „Jüdischen Rundschau“[1], aber auch in den Beiträgen der AfD-nahen „Jungen Freiheit“ studieren. Was mich dabei irritiert, ist die unverhohlene Hetze gegen das „arme“ Mädchen, das als „krank“, ja als „verrückt“ oder gar als „wahnsinnig“ bezeichnet wird, und gegen ihre Anhänger. All die Besserwisser, die vermutlich nie den Mut aufbringen würden, ihre Ansichten vor einem internationalen Gremium wie dem „Weltwirtschaftsforum“ in Davos oder der UNO in New York zu äußern, weisen darauf hin, dass es „mächtige“ Hintermänner gebe, die das Mädchen steuern, ja sogar „missbrauchen“ würden.
Ich halte das für Ablenkungsmanöver von Menschen, die wollen, dass alles so bleibt wie es ist[2], weil sie sich in ihrem vermeintlich ewig andauernden Wohlstand eingenistet haben. Wer gegen die einfachen Wahrheiten ist, die Greta Thunberg siebenundvierzig Jahre nach dem Report des „Club of Rome“ über die „Grenzen des Wachstums“ eigentlich nur – allerdings mit dem Nachdruck der jungen Generation – wiederholt, zeigt nur, dass er ein Anhänger der PS-starken SUVs, der Billigflüge und des Billigfleisches ist.
Anders kann ich ihren Spott nicht verstehen.
Ich hatte gestern meine eigene Sicht der Dinge auf Facebook unter der Überschrift „Ein paar Gedanken zu Greta Thunberg“ veröffentlicht und viel Zustimmung erhalten.[3] Besonders beeindruckt hat mich der Vergleich Gretas mit Johanna von Orleans, der nicht von mir stammt. Heute Morgen las ich, dass auch die australische Schriftstellerin Adriana Koulias diese innere Beziehung aufgegriffen hat[4]. Ich würde nicht so weit gehen, in Greta (= Margareta) die wiedergeborene Johanna zu sehen, aber ich nehme in ihr einen wichtigen christlichen Impuls wahr, der vergleichbar mit dem johanneischen „Ändert euren Sinn!“ (Meta Noete) ist.[5]
Dennoch verblüfft mich der Vergleich, zumal ich gestern aus dem Regal einer öffentlichen „Buchtheke“ zufällig auf ein Suhrkamp-Bändchen aus dem Jahre 1971 gestoßen bin. Es handelt sich um Band 12 der von Ursula Michels-Wenz herausgegebenen „Gesammelten Stücke“ von Bernard Shaw (1856 – 1950). Der Band enthält seine „dramatische Chronik in sechs Szenen und einem Epilog“ mit dem Titel „Die heilige Johanna“ aus dem Jahre 1923. Natürlich begann ich gleich darin zu lesen, weil ich mich schon immer für das Mädchen aus Domremy interessiert habe.
Die erste Szene setzt ein im Frühjahr 1429. La Pucelle steht unbeirrt schon seit zwei Tagen vor dem Schloss von Vaucouleurs und wartet auf eine Audienz beim Hauptmann Robert de Baudricourt, von dem sie Pferde und Soldatenkleider erbeten möchte, um Orleans von den Engländern zu befreien und den Dauphin Charles nach Reims zu führen, wo er zum rechtmäßigen König von Frankreich gesalbt werden kann. Das hätte ihr Gott aufgetragen, der durch die Stimmen des Erzengels Michael, der heiligen Katharina und der heiligen Margareta zu ihr spreche.
Der Befehlshaber der Garnison, Robert de Baudricourt, hält das etwa 17-jährige Mädchen für „verrückt“ und will sie zunächst gar nicht anhören. Erst als sich ein weiterer adliger Offizier, Bertrand de Poulengey, für Johanna einsetzt, empfängt er sie, um ihr schließlich sogar ihren Wunsch zu erfüllen.
Greta Thunberg stand am 20. August 2018 zum ersten Mal ganz allein vor dem schwedischen Parlament  (Riksdag) in Stockholm und hatte nur ein Plakat in der Hand, auf dem die drei Wörter standen „skolstrejk för klimatet“. Dort wurde sie von dem Klimaaktivisten und Börsenspekulanten Ingmar Rentzhog[6] entdeckt, der sie sofort als Identifikationsfigur erkannte und förderte.
Genau ein Jahr und zahlreiche Demonstrationen (gegen die menschengemachte Belastung der Atmosphäre im Rahmen der durch sie angestoßenen „Fridays-for-Future“-Bewegung) später fuhr sie mit ihrem Vater in einem Segelboot „klimaneutral“ und publikumswirksam über den Atlantik nach New York, um an dem UN-Klimagipfel im September teilzunehmen, zu dem sie eingeladen worden war.
Der zu den meistgespielten Dramatikern des 20. Jahrhunderts zählende Brite George Bernard Shaw, der seit September 1884 Mitglied des sozialistischen Clubs „The Fabian Society“ war, in den er auch seine Freundin Annie Besant, die bekannte Theosophin, einführte[7], hat sein Stück über die Jungfrau von Orleans ohne jeden Spott verfasst, weil er als Engländer klar erkannt hat, dass die Jungfrau nicht nur für Frankreich, sondern auch für England gekämpft hat, wie er in einem BBC-Radio-Interview vom 31. Mai 1931 anlässlich ihres 500.Todestages andeutete, eine Meinung, die auch Rudolf Steiner vertrat. Diese Einsicht ist jedoch erst sehr viel später aufgekommen, lange nach dem Tod des Mädchens. Ich denke, dass es auch noch einige Jahre dauern wird, bis sowohl die Anhänger, als auch die Gegner Gretas sehen werden, dass sie nicht nur für die „Klimaaktivisten“ (was heute bei manchen fast schon ein Schimpfwort ist), sondern für die ganze Menschheit kämpft.
Ich möchte zum Abschluss eine Passage aus der ersten Szene von George Bernard Shaws Bearbeitung der Johanna-Biographie anhand der Prozessakten zitieren:
Robert de Baudricourt unterhält sich mit Bernard de Poulengey über Johanna:
„Robert: (…) Ich habe sie eben hier gehabt. Ich habe mit ihr gesprochen. Erstens: sie ist verrückt. Aber gut, das macht nichts. Zweitens: sie ist kein Bauernmädchen. Sie ist ein Bürgermädchen. Das ist sehr wichtig. Ich kenne diese Schicht genau. Ihr Vater war im vorigen Jahr hier, um sein Dorf in einem Streitfall zu vertreten. Er gilt dort etwas. Er ist Landwirt. Keiner von diesen Amateur-Gutsbesitzern. Er verdient Geld und lebt davon. Immerhin: kein Arbeiter und kein Handwerker. Er könnte einen Vetter haben, der Advokat ist oder Pfarrer. Solche Leute zählen vielleicht gesellschaftlich nicht, aber sie können der Obrigkeit gehörig zusetzen. (…)“
Das erinnert mich stark an die Geschichte von Gretas Eltern, die nach der Meinung der Gegner ganz andere Interessen verfolgen würden als die Befürworter naiv zu glauben scheinen.
„(…) Poulengey: Wozu taugt gesunder Menschenverstand? Wenn wir nur etwas davon hätten, würden wir uns dem Herzog von Burgund und dem englischen König anschließen. Sie haben das halbe Land besetzt, bis hinunter zur Loire. Paris gehört ihnen schon. Sogar dieses Schloss gehört ihnen. Du weißt genau, dass wir es dem Herzog von Bedford übergeben mussten und dass du es nur gegen Ehrenwort behalten darfst. Der Dauphin ist in Chinon, wie eine Ratte im Loch, nur kämpfen will er nicht. (…) seine Leute haben den Mut verloren, und er kann keine Wunder vollbringen. Ich sage dir: nichts kann unsere Sache jetzt retten als ein Wunder. (…) Wir brauchen jetzt ein paar Verrückte. Du siehst, wohin uns die Normalen gebracht haben.“



[2] „Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“
[5] Meine Meinung dazu habe ich bereits am 18. August 2019 auf meinem Blog „Kommentare zum Zeitgeschehen“ bekannt gegeben: https://jzeitgeschehenkommentare.blogspot.com/2019/08/uber-den-atlantik-gedanken-zu-greta.html
[6] Der Gründer der kommerziellen Umweltorganisation „We have no time“ hatte Greta vor dem Reichstag entdeckt und berichtete gleich ab dem 20. August 2018 in den sozialen Netzwerken von ihr. Sie wurde laut Wikipedia ohne ihr Wissen in den Stiftungsrat der Organisation aufgenommen. Ihr Vater hat inzwischen bekannt gegeben:“Sie hat keine Verbindung mehr dazu. Sie will nicht mit irgendeiner Organisation in Verbindung gebracht werden. Ob ideell oder nicht. Sie will ganz frei sein.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Greta_Thunberg

Donnerstag, 12. September 2019

Die dreifache Weltmacht der Lüge


Teppich von Angers: Die Apokalypse des Johannes: die beiden Tiere

Wenn man eine Lüge immerzu wiederholt, dann erscheint sie den Menschen, die nicht selbst nachdenken wollen, zuletzt als Wahrheit. Gestern waren es 18 Jahre her, dass man des „Einsturzes“ der drei WTC-Gebäude in New York am 11. September 2001 gedachte. Bis heute wird von allen Leitmedien die offensichtliche Lüge verbreitet, die die US-Regierung verlauten ließ: die Gebäude seien durch die Attacken von 19 arabischen Terroristen, die zwei Flugzeuge in die Gebäude WTC 1 und WTC 2 gesteuert hätten, angegriffen worden. Nun bleibt es allerdings rätselhaft, wieso auch WTC 7 eingestürzt ist, obwohl es von keinem Flugzeug getroffen wurde. Ein Experten-Team der Universität Alaska Fairbanks (UAF) hat jetzt am 3. September 2019, also kurz vor dem Jahrestag, eine Studie vorgelegt, die sich mit dem Rätsel von WTC 7 beschäftigt und einen Einsturz wegen Feuers ausschließt.[1] Spiegel und Zeit, die sonst sofort „Verschwörungstheorien“ im Zusammenhang mit nine-eleven wittern, haben diese Studie bisher mit Schweigen übergangen. Sie passt nicht in ihr einseitiges Weltbild.
Ähnlich geht es mir mit der völlig abstrusen Behauptung, Rudolf Steiner hätte rassistische Anschauungen gehabt. Alles, was ich von Rudolf Steiner zu dem Thema gelesen habe, beweist genau das Gegenteil. Aber wer macht sich schon die Mühe, die Gedanken dieses Mannes nach- und weiterzudenken!? Das könnte ja anstrengend sein.
Auch Winfried Kretschmann wiederholte diese Lüge in seiner Ansprache zum 100. Jubiläum der ersten freien Waldorfschule in der Liederhalle am vergangenen Samstag und hat dadurch bewiesen, dass er das Werk Rudolf Steiners gar nicht kennt.[2]
Ich habe gestern begonnen, die Vorträge zur „Allgemeinen Menschenkunde“, die ich 1979 auf dem Waldorflehrerseminar über ein Jahr lang studiert habe, wieder zu lesen. Es sind selbstverständlich keine einfachen Gedanken. Schon wenn er zu Beginn ganz eindeutig auf die geistigen Hierarchien hinweist und den Schutzgeist der Waldorfschule erwähnt[3], ja diese geistigen Wesen in die Versammlung der zukünftigen Lehrer der ersten Waldorfschule „hereinruft“, dann haben Leute wie Helmut Zander oder auch Winfried Kretschmann mit Sicherheit Probleme, weil sie gar nicht mehr an die Realität dieser geistigen Wesen glauben. Deshalb muss ihnen auch das Wort, das Rudolf Steiner gleich am Anfang benützt, um den historischen Moment zu beschreiben, „schräg“ vorkommen: es handele sich bei dieser Unternehmung um einen „Festakt der Weltenordnung“.
Die größte Lüge unseres Zeitalters ist die Anschauung des Materialismus, die sich seit 150 Jahren immer mehr in den Köpfen der Menschen verfestigt hat: es gäbe nur Materie (und vielleicht noch Energie), aber keine realen Geisteswesen.
Die Alten wussten noch, dass auch der Lügengeist ein reales geistiges Wesen ist und haben es oftmals symbolisch dargestellt. Dabei hat die Lüge ein doppeltes Antlitz: einmal taucht sie als die Schlange auf, die Adam und Eva im Paradies verführte, ein andermal als der Drache, den Michael und seine Scharen aus dem Himmel stürzten. Das  erste geistige Wesen –  Luzifer genannt – erscheint im ersten Buch, das zweite – Satan genannt – im letzten Buch der Bibel. Dazu kommt eine dritte geistige Weltmacht, die in der Bibel „Antichrist“ genannt wird. Alle drei zusammen versuchen, die Menschen auf ihre Seite zu ziehen und verwenden dabei die Vertreter von drei „Institutionen“. Rudolf Steiner benannte diese drei in seinem Stuttgarter Vortrag vom 1. Februar 1921, wenn er ausführt:
„Nicht wahr, es gibt eine gewisse Abstufung in Bezug auf das Lügen. An erster Stelle kommen die Kirchen, an zweiter erst die Presse und an dritter kommen dann die Politiker. Das ist ganz objektiv dargestellt und nicht etwa aus einer Emotion heraus. Der Enthusiasmus[4] des Lügens wird durch die Dinge hervorgerufen, die man nur durch die Erziehung innerhalb der Kirche bekommen kann. Der Enthusiasmus der Lüge in der Presse wird durch die sozialen Verhältnisse hervorgerufen, und in der Politik ist die Lüge eigentlich nur, ich möchte sagen, eine Fortsetzung im zivilen Leben dessen, was ja beim Militarismus – mit diesem hängt ja die Politik zusammen – ganz selbstverständlich ist. Wenn man einen Gegner besiegen will, muss man ihn täuschen. Die ganze Strategie ist darauf angelegt; da muss man lernen zu täuschen. Das ist System. Das wird dann durch die Verwandtschaft zwischen Militarismus und Politik auch auf das zivile Leben übertragen. Aber da ist es Methode, während es bei den anderen beiden Klassen, bei der Presse und den Vertretern der Bekenntnisse, Enthusiasmus des Lügens ist. Diese Dinge sind auch nicht Radikalismus, wenn man sie so darstellt; es ist einfach eine objektive Tatsache. Das Schlimme liegt darin, dass durch das Vorurteil der Menschen ein großer Teil der Menschen noch nicht einsieht, dass es eben unmöglich ist, innerhalb der Bekenntnisse zu stehen und die Wahrheit zu sagen. Nicht wahr, man kann eine tragische Persönlichkeit werden innerhalb eines Bekenntnisses; aber man kann nicht ein Amt haben innerhalb eines Bekenntnisses und die Wahrheit sagen. Das ist gar nicht möglich heute, so dass also das Verhalten gegenüber der katholischen Kirche, ich möchte sagen, so bezeichnet werden kann: so lange wie möglich die Aspirationen der Kirche ignorieren und sich dann daran machen, die Verlogenheiten im einzelnen aufzuzeigen. Dann wird man wenigstens einen Weg einschlagen, der durch die Tatsachen geboten ist.“[5]
Wenn ich die hier geäußerte Ansicht Rudolf Steiners weiterdenke, dann wird mir klar, wie sehr sie zutrifft. Dann kann ich am konkreten Beispiel sehen, wie die amerikanische Politik das Ereignis vom 11. September 2001 bewusst missbraucht hat, um nach innen eine strengere Überwachung seiner Bürger und nach außen den „Krieg gegen den Terror“ einzuführen. Die Lüge vom 11. September hatte für unzählige Menschen Folgen, die seither massiv in ihr Leben eingreifen: Angst (vor Überwachung), Flucht (vor den Bomben) und Tod (durch die Bomben). Dieser Prozess ist auch nach achtzehn Jahren (ein Mondknoten) noch nicht beendet.
Diese zerstörerische Politik, die auf den biblischen Drachen verweist, ist nicht denkbar ohne den Einfluss der Medien („Presse“), die die Menschen, die nur den äußeren Schein sehen, ähnlich wie die Paradiesesschlange ständig verführen. Anthroposophisch ausgedrückt, kann man zusammenfassend sagen: Politik und Presse beziehungsweise Ahriman (Drache) und Luzifer (Schlange) arbeiten in dieser Angelegenheit zusammen.
Die erste Lügen-Macht aber sei, so behauptet Rudolf Steiner, die Kirche. Dabei kommt mir unmittelbar Dostojewskijs Erzählung vom „Großinquisitor“ aus dem Roman „Die Brüder Karamasow“  in den Sinn[6], aber auch das Motto der „Gesellschaft Jesu“, die seit der Zeit der Gegenreformation das Erziehungsmonopol der katholischen Kirche inne hatte: „Der Zweck heiligt die Mittel.“
Welches Geistwesen hinter dieser Institution steht, ist ziemlich deutlich.
Natürlich haben sich beide Konfessionen seit Anfang an heftig gegen die Waldorfschule gewehrt und der „Religionsphilosoph“ Helmut Zander versucht heute noch, diesen Impuls in der Öffentlichkeit zu verleumden und agiert dabei mit Lügen. Jene Leute, die zu bequem sind, Rudolf Steiner selbst zu lesen, beziehen sich dann auf diesen Mann, und meinen, die Wahrheit zu kennen…
Werch ein Illtum!

Donnerstag, 5. September 2019

Ideen für den Frieden in einer ideenlosen Zeit


Fidus (1868 - 1948): Lichtgebet (1913)

Als ich gestern Morgen vor meinem Laptop saß, bemerkte ich, dass ich an einer Stelle auf dem Bildschirm nur einen weißen Fleck sah. Ich nahm also einen Termin beim Augenarzt. Gestern Nachmittag, nach dem Kurs in Sulzdorf, den ich seit Dienstag wieder aufgenommen habe, war ich also beim Augenarzt und habe verstanden, dass meine Augen überanstrengt sind. 
Ich war erstaunt, als ich den Augenarzt sah: es war ein junger Afrikaner. Er sprach perfekt Deutsch und machte einen vollkommen kompetenten Eindruck. Und doch war ich im ersten Augenblick, als ich ihn sah, von meinen eigenen Vorurteilen gefangen. Es war mir geradezu peinlich: aber durch meine negativen Erfahrungen mit schwarzen Kursteilnehmern fällt es mir schwer zu glauben, dass es auch ehrliche und fleißige Afrikaner gibt. In diesem Augenarzt habe ich offenbar einen getroffen.
Im Grunde tun mir die Afrikaner unendlich leid. Sie mussten in der Geschichte so viel Leid erdulden und die Flüchtlinge, die versuchen, ihre Heimat, in der sie keine Chancen sehen, in Richtung des „gelobten Landes“ zu verlassen, nehmen unendliches Leid, ja sogar den Tod durch Ertrinken im Mittelmeer oder in den Folterkammern des von Amerikanern, Franzosen und Engländern in die Steinzeit zurückgebombten Fail States Libyen in Kauf, nur um aus der „Hölle“ zu entkommen, in die sie durch Geburt geraten sind.
Auch die Afrikaner müssen offenbar leiden, genau wie die Russen.
Ich weiß nicht, welches höhere Geistesglied bei den Afrikanern aus dem Leid „geboren“ werden soll – ich glaube, Rudolf Steiner hat darüber nichts mitgeteilt – aber ich weiß, dass aus dem Leid des russischen Volkes eines Tages das Geistselbst hervorgehen wird, das nächsthöhere Wesensglied des Menschen, das er in der sechsten nachatlantischen Kulturepoche entwickeln kann.
Ich las gestern die Mitschrift des Vortrages, den Peter Tradowsky am letzten Tag des Wittener Kongresses zur Völkerverständigung am 1. November 1983 über „Das Schicksal Russlands und seine zukünftige Kultur“ gehalten hat. Es ist der vorletzte von neun Vorträgen, die in dem Fischer-Taschenbuch „Europa und sein Genius“, das im Januar 1986 in der damals recht populären Reihe „Perspektiven der Anthroposophie“ erschien, veröffentlicht wurden.
Ausgangspunkt dieser Großveranstaltung in der Stadt, in der in jenen Jahren die Gründung der ersten freien Universität vorbereitet wurde, war eine wichtige und wahre Aussage Rudolf Steiners, die Heinz Eckhoff, der Herausgeber der damals gehaltenen Vorträge (und mein Ex-Kollege an der Heidenheimer Waldorfschule), in seinem Einleitungsreferat noch einmal wiederholt:
„Zum Kriegeführen und zu Revolutionen braucht man keine Ideen. Um den Frieden zu halten, braucht man Ideen, sonst kommen Kriege und Revolutionen. Das ist ein spiritueller Zusammenhang. Und alle Deklamationen über den Frieden nutzen nichts, wenn nicht diejenigen, die die Geschicke der Völker zu leiten haben, sich bemühen, gerade in Friedenszeiten Ideen zu haben. Wird eine Zeit ideenarm, so schwindet aus dieser Zeit der Friede.“ (S 10)
Natürlich meint Rudolf Steiner hier nicht irgendwelche x-beliebigen Ideen, etwa intellektuelle Spekulationen, sondern ganz konkrete geistig-spirituelle Wahrheiten, wie er sie zum Beispiel in seinen Vorträgen über die „Mission der einzelnen Volksseelen“ im Jahre 1910 mitgeteilt hat.
Leider haben die meisten Menschen heute keinen realen Begriff mehr von „Volksseelen“ und „Zeitgeistern“. Rudolf Steiner hat als erster enthüllt, dass es sich dabei um real existierende geistige Wesen handelt, mit denen die Menschheit zu rechnen hat. Je bewusster sich die Staatsoberhäupter, die die „Geschicke der Völker zu leiten haben“ der Wirksamkeit dieser geistigen Wesen sind, desto besser können sie den Frieden bewahren.
Leider gab es auf dem letzten Gipfeltreffen jener Männer und Frauen in dem atlantischen Badeort Biarritz – so viel ich aus den Medien mitbekommen habe – keine solchen Ideen.
Von Männern wie Trump erwarte ich auch nicht einmal Ideen. Er möchte nur „Deals“ machen und betreibt Politik wie ein Westernheld: aus der Hüfte heraus oder wie ein Pokerspieler.
Die Ideen, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu Europa hatte, sind wirkungslos verklungen, weil sie nur dem entsprachen, was Rudolf Steiner „Deklamationen“ nannte.
Und die deutsche Bundeskanzlerin?
Sie regiert seit 18 Jahren völlig ideenlos, genau wie ihr Ziehvater Helmut Kohl. Diese Ideenlosigkeit der beiden Lenker Deutschlands hat sich vor allem in der Behandlung der Menschen in der ehemaligen DDR erwiesen, die einfach mit der gesamten maroden Konkursmasse eines gescheiterten „sozialistischen Experiments“ vom kapitalistischen, mit den USA verbündeten Westdeutschland „übernommen“ wurde.
Diese Ideenlosigkeit rächt sich nun, indem sich überaus viele Menschen bei den eben stattgefundenen Landtagswahlen in den neuen Bundesländern Sachsen und Brandenburg eher von der „Alternative für Deutschland“ vertreten fühlten als von der Merkel- oder Schröderpartei. Die Menschen im Osten fühlen sich betrogen und wachen nun auf. Dass sie zum Teil aus Protest von einer linken auf eine rechte Ideologie umgeschwenkt sind, ist die eigentliche Tragik.
Kaum ein Mensch macht sich heute bewusst, welche geistige Signatur Mitteleuropa in Wirklichkeit hat, was den deutschsprechenden Teil dieses Erdgebietes anbelangt. Dieses Mitteleuropa hat im Gegensatz zu Frankreich und Großbritannien nie einen Einheitsstaat hervorgebracht und wo es ihn anstrebte, wie 1871 in der Gründung des Bismarck-Reiches oder gar in der Installation des Dritten Reiches, war es nur von kurzer Dauer. Beide „Reiche“ sind in zwei verheerenden Weltkriegen untergegangen. Das zweite Kaiserreich war auf „Blut und Eisen“ als tragenden „Ideen“ aufgebaut, das „Dritte Reich“ auf „Blut und Boden“ und einem übersteigerten Nationalismus: „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“
Beide Regimes verleugneten die von den Volksgeistern intendierte Mission des deutschen Volkes.
Geistig gesehen entsprachen Mitteleuropa und seine deutschsprechende Bevölkerung immer einer Dreigliederung: Abgesehen von der Schweiz, die sich seit 1499 aus dem Reichsverbund herausgelöst hatte und eine ganz eigene Entwicklung durchmachte, bestand „Großdeutschland“ immer aus drei Teilen: der eine Pol wurde bestimmt von dem vorwiegend protestantischen Preußen, in dem die industrielle Revolution zuerst Fuß fassen konnte. Der andere Pol war das katholische Österreich, das vorwiegend agrarisch bestimmt war. Als vermittelnde dritte Kraft gab es die kleineren Staaten von Sachsen bis Baden, in denen sich eine ganz eigene Struktur, die man heute föderalistisch nennen würde, abzeichnete.
Diese organisch gewachsene Volksgemeinschaft wurde in den vergangenen 150 Jahren aufgelöst. Dieser Prozess hält bis heute an und wird noch durch die unkontrollierte Zuwanderung von Flüchtlingen aus ganz anderen Volks-, Kultur- und Religionszusammenhängen verschärft.
Sicher hat auch diese historische Entwicklung einen Sinn, aber sie birgt auch eine Gefahr in sich, wenn es an Ideen mangelt, wie man diese Menschen integrieren kann, ohne dass die Deutschen sich um die Früchte ihrer Arbeit betrogen fühlen müssen. Deutschland ist als Exportweltmeister reich geworden und kann tatsächlich 20 Milliarden Euro jährlich für diese gewaltige Aufgabe zur Verfügung stellen, so wie es seit 30 Jahren eine ähnlich hohe Jahressumme für die Wiedervereinigung aufgebracht hat. Aber weil es keine tragfähigen Ideen gibt, sind Teile des Volkes unzufrieden mit dieser Politik.
Der deutsche Staat gibt Millionen für externe Beratungsfirmen aus und doch fehlt es an Ideen.
Das einzige Feld, auf dem die Bundesrepublik (noch) glänzt, ist ihre starke Wirtschaft, das heißt der Fleiß ihrer Menschen, die besonders in den mittelständigen Familienunternehmen die Gelder erwirtschaften, die dann als Steuern wieder verteilt werden, unter andern auch an die etwa 1,5 Millionen halb legal zugewanderten Flüchtlinge aus afrikanischen oder asiatischen Staaten.
Diese Tatsache hat seit etwa vier Jahren zu einer zunehmenden Spaltung innerhalb der bundesrepublikanischen Gesellschaft geführt, in der sich zwei Gruppen – völlig ideen- und substanzlos – bekämpfen, die beide von sich behaupten, die Mehrheit des deutschen Volkes zu repräsentieren.
In der einen Gruppe versammeln sich die gebildeten Schichten des links-grünen Lagers. Hier sehe ich eine Karikatur des alten militanten Preußentums am Werk. In der anderen Gruppe versammeln sich die eher gemüthaften Konservativen, die sich auf die traditionellen Werte berufen. Die von der ersten Gruppe als „Rechtspopulisten“ diffamierten Menschen erinnern mich an den immer sehr traditionsbewussten Teil des alten (ersten) Reiches, das bis 1806 noch „heilig“ genannt wurde, an Österreich, wo es in der FPÖ eine starke konservative Strömung gibt, die mit Heinz-Christian Strache 526 Tage lang sogar den Vizekanzler stellte.
An dieser zunehmenden Polarisierung teilzunehmen, kann nicht die Lösung sein. Es fehlt die dritte, die vermittelnde Kraft. Diese kann aus den ehemaligen Mittelstaaten kommen, aus denen schon die neuere Wirtschaftskraft hervorgeht, also zum Beispiel aus Baden-Württemberg. Hier bemüht sich eine schwarz-grüne Regierung unter ihrem umsichtigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann relativ erfolgreich immer wieder um Ausgleich zwischen den verhärteten Parteien. Aber auch bei dieser Persönlichkeit kann ich die tragenden Ideen nicht wirklich erkennen. Immerhin hat er sich mehrfach zu der vor 100 Jahren von dem württembergischen Unternehmer Emil Molt gesponserten ersten Waldorfschule bekannt, auch wenn er früher als Mitglied einer kommunistischen Splittergruppe eher wenig Sympathien für Anthroposophie gehabt haben dürfte.
Es geht nicht um Mehrheiten, nicht um Quantitäten. Wie ein einzelner Mensch sich mit den realen geistigen Wesen verbindet, ist entscheidend. Hier wirkt im Verborgenen diejenige Kraft, die dafür gesorgt hat, dass seit 75 Jahren Frieden in Mitteleuropa herrscht.
Wer hat dabei mitgewirkt?
Ich denke, dass es jene Menschen sind, die in der Pädagogik der Waldorfschulen eine vertiefte Bildung genießen konnten, und aus geistigen Quellen heraus die Qualität mitbringen, um die Welt positiv zu gestalten.
Selbst in den Tagesthemen wurde am 3. September 2019 die Pädagogik Rudolf Steiners positiv gewürdigt. Inzwischen gibt es in Deutschland 245 Waldorfschulen, in Europa 779 und weltweit 1.149.
Das ist eine nicht zu vernachlässigende Tatsache.
Hier sehe ich die reale Verbindung zu den geistigen Wesen, denn ohne ihre Mithilfe wäre das Schulmodell nie so erfolgreich geworden, wie es heute ist. Ähnliches könnte man von der biologisch-dynamischen Landwirtschaft sagen. Wenn heute sogar eine große Handelskette wie Lidl und Schwarz in ihren Einkaufszentren „Kaufland“ 150 Demeter-Produkte anbietet, so entspricht das einem Trend, der nicht mehr aufzuhalten ist.
Im Hintergrund steht bei beiden Strömungen, der Bildungsinitiative der Waldorfschule und dem Agrarimpuls der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, jene Individualität, die 1861 im ehemaligen Österreich-Ungarn geboren wurde, in Wien studiert hat, in Weimar und Berlin beruflich tätig war und das Zentrum der Bewegung, die mit seiner Hilfe entstanden ist, rechtzeitig vor dem Ersten Weltkrieg erfolgreich aus München in die neutrale Schweiz verlegt hat: Rudolf Steiner.

Ich weiß, dass sich der Berliner Anthroposoph, den ich als Vortragsredner immer sehr geschätzt habe (und dessen Tochter Odilia ich in der Heidenheimer Waldorfschule unterrichten durfte), sich nicht nur in die Biographie Kaspar Hausers vertieft und grundlegende Studien zu dieser rätselhaften historischen Gestalt verfasst hat, sondern dass er sich auch mit der historischen Figur des Demetrius auseinandergesetzt hat, die in die russische Geschichte als der verschollene Sohn Iwans des Schrecklichen einging, aber dann von dunklen Mächten ähnlich wie Kaspar Hauser mit 21 Jahren ermordet wurde.
Nun weist Tradowsky am Ende seines Vortrages über "das Schicksal Russlands" auf Friedrich Schillers letztes, unvollendetes Schauspiel hin, das sich genau um diese Persönlichkeit dreht. Damit hat der Dichter ein heikles Thema angeschnitten und es gibt die Vermutung, dass Friedrich Schiller mit 46 Jahren von eben jenen dunklen „Cliquen“ umgebracht wurde, die auch hinter dem Mord an dem Zarewitsch standen.
Tradowsky schildert Friedrich Schiller als eine Individualität, die viel größer als ihr Körper war. Schon zu Lebzeiten musste er immerzu diesem störrischen physischen Leib seine geistige Arbeit abringen, all seine die Völker Europas umfassenden Dramen (Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Italien; Maria Stuart: England/Schottland; Johanna von Orleans: Frankreich; Die Wallenstein-Trilogie: Böhmen/Österreich; Die Räuber und Kabale und Liebe: Württemberg; Don Carlos: Spanien; Wilhelm Tell: Schweiz) und all die Gedichte, darunter sein wohl berühmtestes, das dann von Ludwig van Beethoven 18 Jahre nach dem Tod des Geistesheroen in seiner neunten und letzten Symphonie vertont wurde: „An die Freude“.
Die Ode handelt von „Der Tochter aus Elysium“, also einer geistig-himmlischen Wesenheit. Mit innerer Konsequenz gelangt das Gedicht dann zu der Zeile: „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Das – sagt Peter Tradowsky – sei zugleich das „eigentliche Motiv der slawischen Epoche“, die in etwa 1500 Jahren beginnt. Tradowsky fährt fort:
„Man kann wohl ahnen, wie Schiller weit hinausreicht über seine Zeit, auch über unsere Zeit, und nun wirklich eine Hand reicht von der deutschen Kultur, da wo sie sich erfüllt, der zukünftigen Kultur.“
Tradowsky geht weiter auf die Beziehung zwischen Deutschen und Russen ein und nennt sie ein „tragisches, noch nicht abgeschlossenes Geschick“.
Er schreibt:
„Hitler hat das, was hier gemeint ist, dumpf geahnt, als er am Morgen des 22. Juni 1941, als der deutsche Angriff auf Russland begann, sagte: ‚Mir ist, als ob ich die Tür zu einem dunklen, nie gesehenen Raum aufstoße, ohne zu wissen, was sich hinter der Tür befindet:‘ Etwas Unabsehbares ist damit für die Menschheit angerichtet worden, es ist ein Schicksal heraufbeschworen worden, dessen Konsequenzen für die Zukunft entscheidend sein werden. Damit ist nicht nur gemeint, dass die Folgen dieses ungeheuren Krieges auf uns Deutsche in einem gewissen Sinne zurückfallen müssen und auch schon zurückgefallen sind. Es ist vielmehr eine andere Komponente noch vorhanden, die Tatsache nämlich, dass die russische Kultur nicht zu früh und in falscher Weise mit der deutschen in Beziehung treten darf, worauf Rudolf Steiner 1915 in einem Vortrag in Berlin hinweist: ‚Man könnte sich denken, dass Osteuropa durch brutale Kraft sich ausdehnen könnte nach Westen hin, über Mitteleuropa… Das würde aber genau dasselbe bedeuten, wie wenn im fünfzehnten Jahrhundert die Tat der Jeanne d’Arc nicht geschehen wäre und England damals Frankreich annektiert hätte. Wenn es dahin gekommen wäre …, so wäre damit etwas geschehen, was nicht nur zum Unheile Frankreichs gewesen wäre, sondern auch England zum Unheil gereicht hätte. Und würde jetzt die deutsche Geisteskultur beeinträchtigt werden vom Osten herüber, so würde das nicht bloß die deutsche Geisteskultur schädigen, sondern auch den Osten mit. Das Schlimmste, was den Osten treffen könnte, wäre, dass er zeitweilig sich ausbreiten und die deutsche Geisteskultur schädigen könnte (…) Das größte Unglück auch für den Osten Europas wäre es, wenn er diejenige geistige Macht (das ist Mitteleuropa) schädigen würde, an der er sich hinaufranken muss, die er gerade verehrend, freundschaftlich verehrend hegen und pflegen müsste.‘“ (S 161f)
Nun ist es nach 1945 tatsächlich so gekommen, dass die Siegermacht Sowjetunion mit der ganzen Gewalt der „Großen Vaterländischen Armee“ einen Teil Deutschlands erobert hat und dann 49 Jahre lang besetzt hielt. Ausgerechnet der Teil Deutschlands, der einmal den Kern Preußens bildete, fiel der Sowjetunion zu, also der Kopf. Natürlich haben die Besatzer die dortige Kultur und Industrie ausgiebig geplündert und die Menschen in Angst und Schrecken versetzt, wie ich es aus dem Kriegstagebuch meines Großvaters erfahre, das ich vor kurzem gelesen habe.
Als die sechs russischen Armeen der GSSD (Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland) mit fast einer halben Million Militärangehörigen im September 1994 die aufgelöste DDR verließen, hinterließen sie ein trauriges Bild. Thomas Schäfer schildert in seinem Beitrag „Ein Doswidanja mit großer Erleichterung“ (Junge Freiheit Nr. 36 vom 30. August 2019) die Situation in den russischen Kasernen der Ex-DDR vor 25 Jahren: „völlig marode Gebäude, achtlos weggeworfene Munition und defektes Kriegsgerät sowie Müll, Müll und nochmals Müll – meist mit diversen hochgefährlichen Schadstoffen versetzt. Die Bundesregierung erwartete deshalb 1994 Sanierungskosten in Höhe von 25 Milliarden D-Mark.“

Das dürfte allerdings noch ein geringer Preis gegenüber den 27 Millionen Russen gewesen sein, die im Zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten getötet worden sind.

Dienstag, 3. September 2019

Die heilige Odilie- Inkarnationsgeheimnisse


Lukas Cranach, d.Ä.: die heiligen Christina und Odilie (1506)

Das Thema Reinkarnation drängt sich mir immer wieder auf.
Geradezu schlafwandlerisch hat mich mein Weg am Samstagvormittag in der Stuttgarter Buchhandlung „Engel“ zu dem Buch „Odilia – Der Christus-Impuls in Europa“ von Gerrit Alfred Kon (Verlag für Anthroposophie, 2018) geführt.

Eben habe ich den „wissenschaftlichen Teil“ des Buches ausgelesen und nun habe ich ein klares Bild von jener Individualität, die im 7. Jahrhundert als heilige Odilie lebte.
Ich war ja einst mit D. von Colmar aus auf dem Odilienberg im Elsass. Wir haben dort sogar in der Natur übernachtet und anschließend den Sonnenaufgang über der Rheinebene bewundert, bevor wir durch einen Wald zurückgewandert sind. Schon zuvor fühlte ich mich mit Odilie verbunden. Nun begegnete sie mir wieder auf dem Weg zu D., die mir an diesem Samstag die Augen öffnete – die Augen über mich selbst.
Gerrit Alfred Kon arbeitet für mich überzeugend heraus, dass Odilie in einem vorchristlichen Leben die „gewaltgeborene“ Tochter Iphigenie des griechischen Königs Agamemnon aus Mykene war. Dieses jungfräuliche Mädchen sollte auf Aulis geopfert werden, um für die Griechen, die nach Troja übersetzen wollten, günstige Winde zu „beschwören“. Sie wurde jedoch von der Göttin Artemis auf die Insel Tauris „entrückt“, wo sie als Priesterin in ihrem Dienst wirkte. Euripides hat zwei Tragödien über diese Jungfrau verfasst, die noch heute erhalten sind: „Iphigenie auf Aulis“ und „Iphigenie auf Tauris“.
Die Insel Tauris wird heute mit der Halbinsel Krim identifiziert.
Johann Wolfgang Goethe hat in seiner Studentenzeit von Straßburg aus den Odilienberg besucht und starke Eindrücke empfangen. Nicht nur die Figur der Ottilie in seinen „Wahlverwandtschaften“, mit der ich mich in meiner Staatsexamensarbeit ausführlich auseinandergesetzt habe, geht auf dieses Erlebnis zurück, sondern nach einer Bemerkung Gerard Klockenbrings wohl auch die Gestalt der Iphigenie, der Goethe sein am meisten vollendetes klassisches Drama gewidmet hat. Wir haben es auf dem Gymnasium noch gelesen, ja geradezu studiert. Heute kennt es kaum noch ein Gymnasiast. Die Zeiten haben sich total geändert. In dem Drama spielt der Bruder der Iphigenie eine wichtige Rolle, Orest. Iphigenie soll ihn nach dem Willen des Königs Thoas opfern. Aber sie stellt fest, dass es ihr eigener Bruder ist. Sie widersetzt sich dem König und weigert sich, den Bruder zu töten. Bei Goethe berührt sie das Herz des Barbarenkönigs, der dadurch zu einer neuen Humanität findet und sie kann gleichzeitig den Tantalidenfluch brechen, der sich von Generation zu Generation in ihrer Familie fortgepflanzt hatte.
Iphigenie kommt später wieder als Odilie. Auch diese Tochter soll von dem Vater getötet werden wie einst Iphigenie durch Agamemnon. Durch ein Wunder wird sie gerettet und nach Baumes les Dames „entrückt“, wo sie der Regensburger Bischof Erhard aufsuchte, der sich durch eine Eingebung auf den langen Weg machte, um Odilie zu taufen. Dabei wurde das blind geborene Mädchen sehend. Schließlich kann Odilie durch die Hilfe ihres jüngeren Bruders ins Elsass zu ihrer Familie zurückkehren. Der Vater aber erschlägt den Bruder, als sie vor ihm erscheint, weil er immer noch böse ist. Später stirbt der Vater, aber Odilie betet für ihn und kann ihn so aus dem Fegefeuer erlösen, genau wie ihren getöteten Bruder, der sie wohl von da an aus der geistigen Welt heraus begleitet.
Aus Andeutungen Rudolf Steiners gegenüber der Witwe des Generalstabchefs Helmuth von Moltke kann man entnehmen, dass Odilie im 9. Jahrhundert als Beraterin des Papstes Nikolaus I. wiedergekommen ist. Damals hörte sie auf den Namen Anastasius Bibliothekarius. Auch diese historische Persönlichkeit ist mir seit langem bekannt, seitdem ich mich mit dem achten ökumenischen Konzil von Konstantinopel, wo laut Rudolf Steiner „der Geist abgeschafft“ wurde, beschäftige. Papst Nikolaus kam als Helmuth von Moltke wieder und Anastasius als seine Frau Eliza, die als erste zu Rudolf Steiner gefunden hatte. Neu aber war für mich bis heute, dass demnach in Eliza von Moltke die Individualität der Odilie gelebt hat, also unmittelbar im Umkreis von Rudolf Steiner, der von ihrem verstorbenen Mann Post-Mortem-Mitteilungen empfangen hat, die er ihr schriftlich übergab und die heute durch Thomas Meyer veröffentlicht sind.
Helmuth von Moltke spielte eine tragische Rolle zu Beginn des Ersten Weltkrieges, weil sein ursprünglicher Plan durch Kaiser Wilhelm II. durchkreuzt wurde.
Gerrit Alfred Kon schreibt:
"Moltke wird aber zum Schuldigen erklärt und abgesetzt, sein Nachfolger Falkenhayn treibt – ohne Rücksicht auf die gigantischen Verluste – die Armeen in den völlig aussichtslosen Stellungskrieg. Moltke muss zusehen, wie die Versorgungslage von Volk und Armeen gefährdet wird und stirbt am 18. Juni 1916 an einer Herzattacke.
Neben ihm stand seit Jahrzehnten wie ein Fels in der Brandung seine Gattin Eliza von Moltke, die bereits früh eine Geistesschülerin Rudolf Steiners geworden war, während Moltke selbst zunächst eine gewissen Distanz zu Rudolf Steiner beibehielt. Erst nach seiner Demissionierung konnte Rudolf Steiner für ihn zum Rater werden, der ihn mit vorsichtiger Deutlichkeit auf Papst Nikolaus I. und die Ereignisse des 9. Jahrhunderts hinwies, um ihn einen gültigen Blickwinkel für die Schicksale, in die er verstrickt war, finden zu lassen. Nach seinem plötzlichen Tode wurden die ihm von Steiner gereichten Hilfen erst recht fruchtbar – er fing im nachtodlichen Leben an, die Verknotungen zu durchschauen. Rudolf Steiner stand dabei in ständiger geistiger Verbindung mit ihm und war bereit, Botschaften von der sich befreienden Entelechie an seine Witwe entgegenzunehmen und schriftlich weiterzuleiten. Diese post-mortem-Briefe bilden ein einzigartiges Dokument des zwanzigsten Jahrhunderts zur Überwindung der Erkenntnisgrenzen zwischen Lebenden und Verstorbenen – gleichsam ein Motiv, das durch die unendliche Zahl der Kriegsopfer im Sinne des: ‚Hört auf unsere Impulse!‘ gefordert wird. Wenn diese Substanz ernst genommen wird, kann eine im Odilienleben bereits aufscheinende Kultur der geistigen Arbeit zwischen Lebenden und Verstorbenen beginnen, einen zivilisatorischen Neubeginn für Mitteleuropa keimen zu lassen.“ (S 138f)