Die Rede Greta Thunbergs vor der
UNO am 23. September 2019 (Herbst-Tag- und Nachtgleiche) ist im Augenblick das
Topthema der Medien. Dabei fällt mir auf, dass– ähnlich wie bei Rudolf Steiner
oder Johanna von Orleans – nicht alle begeistert sind, sondern dass es entweder
klare Zustimmung oder deutliche Ablehnung gibt, dass also die Kommentatoren entweder
„dafür oder dagegen“ (pro oder contra) sind.
In welchem Maße das Mädchen die
Menschen polarisiert, kann man zum Beispiel bei Rafael Korenzecher, dem
Herausgeber der israelfreundlichen „Jüdischen Rundschau“[1], aber auch in den
Beiträgen der AfD-nahen „Jungen Freiheit“ studieren. Was mich dabei irritiert,
ist die unverhohlene Hetze gegen das „arme“ Mädchen, das als „krank“, ja als „verrückt“
oder gar als „wahnsinnig“ bezeichnet wird, und gegen ihre Anhänger. All die
Besserwisser, die vermutlich nie den Mut aufbringen würden, ihre Ansichten vor
einem internationalen Gremium wie dem „Weltwirtschaftsforum“ in Davos oder der
UNO in New York zu äußern, weisen darauf hin, dass es „mächtige“ Hintermänner
gebe, die das Mädchen steuern, ja sogar „missbrauchen“ würden.
Ich halte das für
Ablenkungsmanöver von Menschen, die wollen, dass alles so bleibt wie es ist[2], weil sie sich in ihrem
vermeintlich ewig andauernden Wohlstand eingenistet haben. Wer gegen die
einfachen Wahrheiten ist, die Greta Thunberg siebenundvierzig Jahre nach dem
Report des „Club of Rome“ über die „Grenzen des Wachstums“ eigentlich nur –
allerdings mit dem Nachdruck der jungen Generation – wiederholt, zeigt nur,
dass er ein Anhänger der PS-starken SUVs, der Billigflüge und des
Billigfleisches ist.
Anders kann ich ihren Spott nicht
verstehen.
Ich hatte gestern meine eigene
Sicht der Dinge auf Facebook unter der Überschrift „Ein paar Gedanken zu Greta
Thunberg“ veröffentlicht und viel Zustimmung erhalten.[3] Besonders beeindruckt hat
mich der Vergleich Gretas mit Johanna von Orleans, der nicht von mir stammt. Heute
Morgen las ich, dass auch die australische Schriftstellerin Adriana Koulias
diese innere Beziehung aufgegriffen hat[4]. Ich würde nicht so weit
gehen, in Greta (= Margareta) die wiedergeborene Johanna zu sehen, aber ich
nehme in ihr einen wichtigen christlichen Impuls wahr, der vergleichbar mit dem
johanneischen „Ändert euren Sinn!“ (Meta Noete) ist.[5]
Dennoch verblüfft mich der
Vergleich, zumal ich gestern aus dem Regal einer öffentlichen „Buchtheke“ zufällig auf ein Suhrkamp-Bändchen aus dem Jahre 1971 gestoßen bin. Es
handelt sich um Band 12 der von Ursula Michels-Wenz herausgegebenen „Gesammelten
Stücke“ von Bernard Shaw (1856 – 1950). Der Band enthält seine „dramatische
Chronik in sechs Szenen und einem Epilog“ mit dem Titel „Die heilige Johanna“ aus dem Jahre 1923. Natürlich
begann ich gleich darin zu lesen, weil ich mich schon immer für das Mädchen aus
Domremy interessiert habe.
Die erste Szene setzt ein im
Frühjahr 1429. La Pucelle steht unbeirrt schon seit zwei Tagen vor dem Schloss von
Vaucouleurs und wartet auf eine Audienz beim Hauptmann Robert de Baudricourt,
von dem sie Pferde und Soldatenkleider erbeten möchte, um Orleans von den
Engländern zu befreien und den Dauphin Charles nach Reims zu führen, wo er zum
rechtmäßigen König von Frankreich gesalbt werden kann. Das hätte ihr Gott
aufgetragen, der durch die Stimmen des Erzengels Michael, der heiligen
Katharina und der heiligen Margareta zu ihr spreche.
Der Befehlshaber der Garnison,
Robert de Baudricourt, hält das etwa 17-jährige Mädchen für „verrückt“ und will
sie zunächst gar nicht anhören. Erst als sich ein weiterer adliger Offizier,
Bertrand de Poulengey, für Johanna einsetzt, empfängt er sie, um ihr schließlich
sogar ihren Wunsch zu erfüllen.
Greta Thunberg stand am 20. August
2018 zum ersten Mal ganz allein vor dem schwedischen Parlament (Riksdag) in Stockholm und hatte nur ein
Plakat in der Hand, auf dem die drei Wörter standen „skolstrejk för klimatet“. Dort
wurde sie von dem Klimaaktivisten und Börsenspekulanten Ingmar Rentzhog[6] entdeckt, der sie sofort als
Identifikationsfigur erkannte und förderte.
Genau ein Jahr und zahlreiche Demonstrationen
(gegen die menschengemachte Belastung der Atmosphäre im Rahmen der durch sie
angestoßenen „Fridays-for-Future“-Bewegung) später fuhr sie mit ihrem Vater in
einem Segelboot „klimaneutral“ und publikumswirksam über den Atlantik nach New York,
um an dem UN-Klimagipfel im September teilzunehmen, zu dem sie eingeladen
worden war.
Der zu den meistgespielten
Dramatikern des 20. Jahrhunderts zählende Brite George Bernard Shaw, der seit
September 1884 Mitglied des sozialistischen Clubs „The Fabian Society“ war, in
den er auch seine Freundin Annie Besant, die bekannte Theosophin, einführte[7], hat sein Stück über die
Jungfrau von Orleans ohne jeden Spott verfasst, weil er als Engländer klar
erkannt hat, dass die Jungfrau nicht nur für Frankreich, sondern auch für
England gekämpft hat, wie er in einem BBC-Radio-Interview vom 31. Mai 1931 anlässlich
ihres 500.Todestages andeutete, eine Meinung, die auch Rudolf Steiner vertrat. Diese
Einsicht ist jedoch erst sehr viel später aufgekommen, lange nach dem Tod des
Mädchens. Ich denke, dass es auch noch einige Jahre dauern wird, bis sowohl die
Anhänger, als auch die Gegner Gretas sehen werden, dass sie nicht nur für die „Klimaaktivisten“
(was heute bei manchen fast schon ein Schimpfwort ist), sondern für die ganze Menschheit kämpft.
Ich möchte zum Abschluss eine
Passage aus der ersten Szene von George Bernard Shaws Bearbeitung der
Johanna-Biographie anhand der Prozessakten zitieren:
Robert de Baudricourt unterhält
sich mit Bernard de Poulengey über Johanna:
„Robert: (…) Ich habe sie eben
hier gehabt. Ich habe mit ihr gesprochen. Erstens: sie ist verrückt. Aber gut,
das macht nichts. Zweitens: sie ist kein Bauernmädchen. Sie ist ein
Bürgermädchen. Das ist sehr wichtig. Ich kenne diese Schicht genau. Ihr Vater
war im vorigen Jahr hier, um sein Dorf in einem Streitfall zu vertreten. Er
gilt dort etwas. Er ist Landwirt. Keiner von diesen Amateur-Gutsbesitzern. Er
verdient Geld und lebt davon. Immerhin: kein Arbeiter und kein Handwerker. Er
könnte einen Vetter haben, der Advokat ist oder Pfarrer. Solche Leute zählen
vielleicht gesellschaftlich nicht, aber sie können der Obrigkeit gehörig
zusetzen. (…)“
Das erinnert mich stark an die
Geschichte von Gretas Eltern, die nach der Meinung der Gegner ganz andere
Interessen verfolgen würden als die Befürworter naiv zu glauben scheinen.
„(…) Poulengey: Wozu taugt
gesunder Menschenverstand? Wenn wir nur etwas davon hätten, würden wir uns dem
Herzog von Burgund und dem englischen König anschließen. Sie haben das halbe
Land besetzt, bis hinunter zur Loire. Paris gehört ihnen schon. Sogar dieses
Schloss gehört ihnen. Du weißt genau, dass wir es dem Herzog von Bedford
übergeben mussten und dass du es nur gegen Ehrenwort behalten darfst. Der
Dauphin ist in Chinon, wie eine Ratte im Loch, nur kämpfen will er nicht. (…)
seine Leute haben den Mut verloren, und er kann keine Wunder vollbringen. Ich
sage dir: nichts kann unsere Sache jetzt retten als ein Wunder. (…) Wir
brauchen jetzt ein paar Verrückte. Du siehst, wohin uns die Normalen gebracht
haben.“
[2]
„Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“
[5]
Meine Meinung dazu habe ich bereits am 18. August 2019 auf meinem Blog „Kommentare
zum Zeitgeschehen“ bekannt gegeben: https://jzeitgeschehenkommentare.blogspot.com/2019/08/uber-den-atlantik-gedanken-zu-greta.html
[6]
Der Gründer der kommerziellen Umweltorganisation „We have no time“ hatte Greta
vor dem Reichstag entdeckt und berichtete gleich ab dem 20. August 2018 in den
sozialen Netzwerken von ihr. Sie wurde laut Wikipedia ohne ihr Wissen in den
Stiftungsrat der Organisation aufgenommen. Ihr Vater hat inzwischen bekannt
gegeben:“Sie hat keine Verbindung mehr dazu. Sie will nicht mit irgendeiner Organisation
in Verbindung gebracht werden. Ob ideell oder nicht. Sie will ganz frei sein.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Greta_Thunberg
Lasst sie doch endlich mal sein, was sie ist und das wiederum einzig sie selbst bestimmen lassen. Was hat man denn davon, was gibt es einem, wenn man weiss, sie sei die neue Johanna oder Klaus Kinski? Das ist doch schwachsinniges Gefasel ohne jeglichen Wert, man martert nur unnötig sein kleines Hirn, statt zu erleben und zu erfahren, was durch sie in die Welt gekommen ist.
AntwortenLöschenDanke für den Kommentar und das Kompliment. Ich benütze nur das "Gehirn", das mir Gott mitgegeben hat und glaube nach wie vor an das Grundrecht der "freien Meinungsäußerung" liebe oder lieber manroe.
AntwortenLöschenIch habe nichts gegen freie Meinugsäusserungen gesagt, sondern über den Sinn und Unsinn der häufig durch sie zutage tritt.
LöschenMeine Texte zu Greta Thunberg werden im Augenblick auf Facebook sehr kontrovers diskutiert. Ich beteilige mich jetzt nicht mehr daran. All die negativen oder hämischen Gedanken und Gefühle, die dort verbreitet werden, versperren den Weg für die michaelischen Kräfte, die meiner Meinung nach durch dieses Mädchen wirken wollen. Es ist ein Weckruf an die Menschheit, vielleicht der letzte, bevor es wirklich zu spät ist. Dass sich sogenannte „Anthroposophen“ gegen dieses mutige Mädchen stellen, verwundert mich. Sind sie wirklich so blind?
AntwortenLöschenAllein ihr Mut zeigt schon, dass sie michaelische Qualitäten besitzt. Dass dabei Widersacher-Dämonen versuchen, ihre Mission zu verhindern oder abzulenken, ist selbstverständlich. Wer sich so in der Öffentlichkeit exponiert wie Greta Thunberg, bietet den einen eine wunderbare Projektionsfläche, den anderen das rote Tuch. Keiner von all den Kommentatoren kennt das Mädchen persönlich und bei keinem habe ich den Eindruck, dass er sie mit den höheren Erkenntnisorganen anschaut; ich spreche dabei nur von jenen, die sich im Internet äußern, nicht von jenen, die schweigen.
Ich entscheide mich von nun an für das Schweigen und versuche, das Mädchen mit guten Gedanken zu begleiten.
si tacuisses, philosophus mansisses
AntwortenLöschenLieber Claus, da hast Du sehr recht. Aber manchmal muss man sich auch das Maul verbrennen, um etwas "anzustoßen".
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