Gestern kam eine Dokumentation
auf Arte, in der Campino, der Leadsänger der „Toten Hosen“[1] erzählt, wie er als
14jähriger in diesem Schlüsseljahr zum ersten Mal in London war und die
Atmosphäre dieser Zeit tief verinnerlicht hat: „London’s Burning: Campino auf
den Spuren des Punk“ von Hannes Rossacher und Simon Witter (Deutschland 2016).
In jenem Jahr, ein Jahr vor dem
Silber-Jubiläum der Thronbesteigung von Königin Elisabeth im Jahre 1952, geriet
die Wirtschaft des Landes durch zahllose Streiks, die durch die Gewerkschaften
angeführt wurden, in eine ihrer schlimmsten Krisen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Weil auch die Müllmänner streikten, häufte sich der Müll zum Jubiläum 1977 auf
Londons Straßen zu Bergen. Von diesem „Müll“ haben die „Punks“ ihren Namen.
Die depressive Stimmung der Jugendlichen,
die sich Sicherheitsnadeln ins Gesicht stachen, zerfetzte Kleider trugen und
wilde Frisuren liebten, drückte sich in dem Slogan „No Future“ aus.
Ich habe diesen Musikstil nie
geliebt und auch die ganze Mode war mir zuwider. Wenn ich solche Jugendliche
sah, dann waren sie mir nur fremd und noch heute trennen mich Welten von ihnen.
Zu einer menschlichen Begegnung kam es nie, auch wenn ich hin und wieder einen
Schüler hatte, der sich als Punk fühlte. Sie repräsentieren wie die vielen
anderen anschließenden Stilrichtungen wie „Gothic“ oder „Metal“ eine Welt, zu
der ich keinen Zugang habe und auch keinen Zugang suche. Ich bin in der Studenten-
und Hippiegeneration groß geworden und trug viele Jahre (bis 2009) lange Haare.
In einem Lied höre ich in der Dokumentation,
die ich etwa bis zur Hälfte angeschaut habe zweimal ein Lied, in dem die Zeile
vorkommt: „I am an Antichrist – I am an Anarchist!“ Hier erkenne ich die Entgegensetzung
zu den „ich-bin“-Worten des Christus. Ich bin überzeugt, dass dieser
Musikrichtung, die mit allen bisherigen Traditionen des Rock’n Roll brach, noch
deutlicher als bei den Beatles und den Rolling Stones eine Inspiration Ahrimans
zugrundeliegt. Was 1968 mit „Sympathy with the Devil“ als Eröffnungssong auf
dem Album „Beggars Banquet“ die Tür zum Bösen aufstieß, nahm mit Black Sabbath,
Alice Cooper und ACDC offen satanistische Züge an und erreichte mit den
„Sex-Pistols“ acht Jahre später im Jahr 1976 seinen selbstzerstörerischen
Höhepunkt.
Was Pattie Smith in dieser Szene
suchte, ist mir bis jetzt unklar. Diese Frau schätze ich eigentlich, seitdem
ich ein Interview mit ihr und Christoph Schlingensief anlässlich einer
Ausstellung im Münchner „Haus der Kunst“ gesehen habe. Auch der Sänger Lou Reed,
den ich ebenso schätze, hatte offenbar einen stilprägenden Einfluss auf die
Punk-Szene, besonders sein Album „Rock’n Roll Animal“. Auf dem Cover des Albums
trug er ein silbernes Halsband, das Modegeschichte schrieb.
Die „Sex Pistols“ spielten ihren
ersten Gig ausgerechnet in einer Kirche, der Kirche Notre-Dame im Londoner
Stadtteil Soho, wie der Fremdenführer auf den Spuren der Wurzeln des Punk, der
40 Jahre später durch London führt, erklärt. „Punk“ ist heute offenbar ein Teil
der „Pop-Kultur“, oder wie Mike Clewley, der Kulturmanager Londons Campino
erklärt, „Teil des britischen Nationalerbes“. Der (ahnungslose) Mann erklärt,
dass Punk junge Menschen heute noch in der ganzen Welt „inspirieren“ würde. Da
hat er wohl recht, aber ganz anders, als er denkt.
Obwohl die Band damals landesweit
verboten war, ließ sie die katholische Kirche spielen. Merkwürdig, dass der
„Antichrist“ aus einer christlichen Kirche in die Welt kam…
„London’s Burning“ (London brennt) ist ein guter Titel für die Dokumentation. Was es heißt, wenn eine Stadt
wirklich brennt, konnte ich vorgestern, gestern und heute im Fernsehen sehen:
es wurden in den Nachrichten Bilder von der vollkommen zerstörten Stadt
Paradise in Kalifornien gezeigt. So etwas habe ich noch nie gesehen: Über 20000
Häuser bis auf die Grundmauern zerstört, über 70 verkohlte Leichen. Unglaublich!
Feuer ist immer ein Zeichen für das Wirken von Widersachermächten.
Nicht umsonst wird die Hölle in der Tradition immer als Feuer-Pfuhl
dargestellt. Aus dem Paradies ist so eine Art Hölle von heute geworden.
Natürlich habe ich Mitleid mit
den Menschen, die dort alles verloren haben oder die in den Flammen grausam
umgekommen sind. Ich stelle mir vor, ich fahre auf einer Straße und versuche zu
fliehen und rechts und links brennt der Wald. Die Hitze im Auto wird immer
unerträglicher und schließlich steht der Tank in Flammen. Da ist kein Entkommen
mehr. Ein Alptraum.
Wenn Campino vor seinem inneren Auge die britische Hauptstadt "brennen" sieht, dann deutet er unbewusst auf einen ähnlichen Zusammenhang.
Campino scheint richtig
begeistert zu sein von der Punk-Bewegung. Und doch glaubt er im Gegensatz zu
den echten Punkern offensichtlich noch an eine Zukunft und ist in der Lage, die
Ereignisse von vor 40 Jahren zu reflektieren. Viele sind es nicht mehr, denn
sie sind im Kampf mit der Droge unterlegen wie zum Beispiel der Lead-Sänger der
Sex-Pistols, Sid Viciuos. Der im Jahr 1957 in London geborene Punk-Musiker starb erst 22-jährig am
2. Februar 1979 an einer Überdosis Heroin in New York. Mit bürgerlichem Namen
hieß er Simon John Ritchie.
"Vicious" bedeutet „lasterhaft“, „böse“;
ein „vicious circle“ ist ein Teufelskreis. Die englische Redewendung „to break
the vicious circle“ bedeutet: den Teufelskreis durchbrechen.
Auch die New Yorker Band „Richard
Hell & the Voidoids“ klingt ziemlich schräg. Was Voidoiden[2] sind, weiß ich nicht, aber
was „hell“ bedeutet, schon: Hölle. Die Band sang 1977 das Lied „Blank Generation“. Das englische Wort „blank“ heißt „blass“, „leer“, „ohne Leben“, gemeint ist vermutlich die leere Seele als das perfekte Einfallstor für
Dämonen. Jedenfalls wurde diese Art von Musik und Mode durch Malcolm McLaren[3], den Manager der Sex
Pistols, nach London gebracht und hat dadurch das Gesicht der Stadt an der
Themse für die nächsten zehn Jahre geändert, erzählt der Sänger und Autor Chris
Sullivan Campino in dem Film.
Man kann hier mit Mephisto sagen,
dass der Name schon verrät, wes Geistes Kind man ist: „nomen est omen“
Auch der Name der Band „The
boomtown rats“ (die Boomstadtratten) mit dem Sänger Bob Geldorf deutet auf den
geistigen Stand der „Musiker“ hin. Ich frage mich, wie man sich selbst solche
Namen wie die „Sexpistolen“ und die „Stadtratten“ geben kann. Das wird heute
gerne als Provokation gedeutet. Aber für den, der tiefer sieht, drückt sich
darinnen mehr aus: diese „Musiker“ sind „inspiriert“ von einem
Widersachergeist.
Bob Geldorf sagt in der
Dokumentation, dass es in der wirtschaftlichen Krisenzeit Ende der 70er Jahre
überall Ratten in London gab, weil der Müll nicht mehr entsorgt wurde. Das wäre
immerhin eine rationale Erklärung für den Namen seiner Band.
1979 war die englische Regierung
am Ende. Dann kam die „eiserne Lady“, Maggie Thatcher.
Auch Deutschland machte in jener
Zeit eine heftige Krise durch. Die RAF entführte und tötete Industrielle. Im
Herbst 1977 erreichte der Terror seinen Höhepunkt mit der Entführung des
Passagierflugzeuges „Landshut“, der Ermordung Hans-Martin Schleyers und dem
Selbstmord der Führungsriege der RAF im Hochsicherheitstrakt in
Stuttgart-Stammheim. Ich war mitten in den Vorbereitungen auf mein
Staatsexamen. Ich wohnte mit I. in einer winzigen Einzimmerwohnung im
Dachgeschoss eines gründerzeitlichen Hauses in der Schwarenbergstraße im
Stuttgarter Osten.
Eine weitere New Yorker Band beeinflusste
den Londoner Punk maßgeblich, „The Ramones“, von der ich zum ersten Mal von meinem Kollegen
Thomas Roder gehört habe, der selbst ein begeisterter Musiker ist und immer wieder in Ellwanger Kneipen auftrat. Die beinahe schon mythischen „Ramones“
spielten im New Yorker CBGB-Club 1977 den Song „Blitzkrieg Bop“. Das ist wieder
so ein provokanter Titel, der halbbewusst an die Nazi-Zeit erinnert und damit
eigentlich nichts Gutes heraufbeschwört. Wer will schon „Blitzkrieg“?
New York, so wird erzählt, war
eine kreative Insel in einem Riesenland. Dort entstanden die Ideen. In London
wurden sie dann aufgegriffen und von Großbritannien aus über die ganze Welt ausgebreitet.
Mir kommt das Ganze so vor, als
spielten sich dumme Jungs, die nicht einmal Gitarre spielen oder richtig singen
konnten, zum Zentrum einer „Idee“ auf, die alle, die progressiv sein wollten,
ergriff und den Rest als Nerds betrachtete. Über diese „20jährigen“, die schon
fertig sein wollen und ihre Meinung überall hinausposaunen, lästert schon
Rudolf Steiner in seinen Vorträgen vom Januar 1917.
Die Medien, die an dieser
Antikulturrevolution mächtig verdienten, bliesen diese Möchtegern-Musiker zu
Popstars auf, die sie eigentlich gar nicht sein wollten. Die teuflischen Inspirationen lebten manche bis zum bitteren
Ende, ohne zu merken, wer sie da in Wirklichkeit verführt hatte. Aber zumindest
war ihr Leben nicht langweilig, dank der Musik, der Mädchen und der Drogen. Was
dieses schnelle Leben jedoch nachtodlich für die jungen Leute bedeutet, das kann
man nur erahnen. Es dürfte für einige nicht sehr angenehm sein, sondern eher
einer schrecklichen, nicht enden wollenden Achterbahn gleichen.
Der „Impresario“ Malcolm McLaren
ist immerhin schon 1946 geboren und war 1976 bereits über dreißig Jahre alt. Von
ihm hätte man ein wenig mehr Reife und Vernunft erwarten können. Ohne ihn wären
die „Sex Pistols“ vielleicht noch eine ganz brauchbare Band geworden, wie zum
Beispiel die „Pussycats“[4], die 1976 mit „Mississippi“
einen Nummer-eins-Hit in Großbritannien landeten. Aber genau gegen diese weichgespülte
Pop-Musik und gegen die Kommerzialisierung des Rock rebellierten die zornigen
jungen Männer und Frauen von London 1976. Als Viv Albertine von der Mädchenband
„Slits“ damals Johnny Rotten[5], den Gründer der „Sex Pistols“,
spielen hörte, war sie begeistert.
Julien Temple, der Filmemacher,
der den ersten Musikfilm mit den Sex Pistols drehte („The great Rock’n Roll
Swindle“[6]), sagte, dass sie damals
wie Menschen vom Mars oder mit ihren stacheligen Haaren wie "Insektenmänner" aussahen. Sie schrien in einem “Song” „I
hate you!“ statt „I love you“ und zerstörten ihn dadurch zugleich. Der
Filmemacher wurde zunächst verjagt und ging dann auf ein zweites Konzert. Dort
waren nur etwa 15 Zuhörer und er sagt, sie sahen aus wie „verrückte
Alptraumfiguren aus einem Cartoon“.
Die „Sex Pistols“ existierten
eigentlich nur 18 Monate und nahmen nur ein Album auf.
Durch ihren Auftritt bei der
Bill-Grundy-Show im britischen Fernsehen wurden sie über Nacht in ganz
Großbritannien berühmt. Die Boulevardpresse tat ihr übriges, um die Empörung
auszubeuten und weiter anzuheizen. Aus den harmlosen Jungs wurden die „Schädlinge“
der Nation. Von da an war die Welt für viele Jugendliche unter 25 eine andere.
In Deutschland griff Nina Hagen die „Idee“ des Punk auf und sang 1979 mit dem
Lied „Auf’m Bahnhof Zoo“ einen der ersten deutschen „Punksongs“. Im
österreichischen Fernsehen zeigte sie zur besten Sendezeit, wie sich Frauen
selbst befriedigen, und begründete das damit, dass das Leben ja ohne guten Sex
doch nur „die Hölle“ sei. Auch dieser völlig unreifen Frau gelang es damals
durch ihre freche Art, die guten Bürger nachhaltig zu erschrecken, was ihr ohne
Fernsehen nie gelungen wäre.
McLaren, der in der Londoner
Kings Road den Modeladen „Sex“ führte, hatte Wilhelm Reichs „Die Mysterien des
Orgasmus“ studiert und wollte der „ultimative disraptor“ sein, der die alte
Ordnung stürzt und sehen will, was dann passiert. Er hatte für sein „Punk-Paket“
vier Prinzipien: Nonkonformität, Antiautorität, Do it Yourself und Chaos.
McLaren war der „spiritus rector“
hinter der Punkbewegung.
Durch ihn wurde sie erst groß und
bekannt.
[1]
Mein ältester Sohn liebte früher die „Toten Hosen“ und hat sie mindestens zweimal „live“
erlebt. Einmal habe ich ihn von Pforzheim aus zu einem Konzert nach Karlsruhe
gefahren. Ich mag die Band, die mit Liedern wie „Du lebst nur einmal“ zeigt,
wie materialistisch sie eingestellt ist, nicht, besonders seit sie meint, sich
„gegen rechts“ positionieren zu müssen. Das erscheint mir für einen Musiker wie
Campino, der immerhin mit Wim Wenders zusammengearbeitet hat, ein wenig „billig“.
[2]
Der Name klingt nach einer ausgestorbenen Saurier-Art.
[3]
Der Schotte wurde als zweijähriger von seinem Vater verlassen und wurde von der
jüdischen Großmutter (mütterlicherseits) Rose Corre Isaacs erzogen, einer
Tochter von einst reichen portugiesischen Diamanten-Händlern. McLaren erzählte
später, dass seine Großmutter ihm gesagt hatte: „To be bad is good … to be good
is simply boring“ (schlecht sein ist gut – gut sein ist nur langweilig). Als Malcom
sechs war, heiratete seine Mutter den Juden Martin Levy, und öffnete mit ihm
einen Frauenkleiderladen im Londoner East End. https://en.wikipedia.org/wiki/Malcolm_McLaren.
Immer wieder fällt mir auf, dass hinter den großen Pop-Gruppen jüdische
Impresarios stehen. Der wohl bekannteste ist Brian Epstein, der Manager der
Beatles. McLaren interessierte sich für die Philosophie von Wilhelm Reich. Das
war der Grund, warum er seinen Modeladen in London „Sex“ nannte.
[4]
Der Name der Band „Pussycats“ erinnert an eine erotische Komödie aus dem Jahr 1965:
„What’s new, pussycat?“ von Clive Donner. In dem Film, dessen Drehbuch aus der
Feder des sexbesessenen Woody Allen stammte, spielen neben Peter O’Toole und
Peter Sellers auch so bekannte weibliche Schauspielerinnen wie Ursula Andress
und Romy Schneider mit. Wenn man das „Pussy“ durch „Sex“ und das „Cats“ durch „Pistols“
ersetzt, dann hat man im Grunde genau die Gegenthese zur These.
[5]
„rotten“ heißt „verdorben“ und klingt ein bisschen wie „Ratten“. Der Gründer von
The Sex Pistols wurde 1956 als John
Joseph Lydon in Irland in eine katholische Familie geboren und katholisch
erzogen. Später sagte er:”I never
had any godlike epiphanies or thought that God had anything to do with this dismal
occurrence called life” https://en.wikipedia.org/wiki/John_Lydon
[6]
Der Titel Swindel bedeutet „Schwindel“ und geht auf McLarens Grundregeln
zurück, „wie man das Publikum täuscht und betrügt“ (Campino).
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