Nach der „demokratieverträglichen
Lösung“ (Stern vom 13.02.2020) der „unverzeihlichen Wahl“ (Bundeskanzlerin
Merkel) eines FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit Hilfe der Stimmen der
AfD-Abgeordneten und dem Rückzug von AKK als Fraktionsvorsitzende und möglicher
Kanzlerkandidatin der CDU wirft nun ein neuer Bewerber seinen Hut in den Ring:
der „CDU-Chefaußenpolitiker“ (Bild) Norbert Röttgen. Seine „Demokratieverträglichkeit“
stellte er gestern noch in einem Interview mit der Bildzeitung unter Beweis,
die heute auf ihrer Titelseite Präsident Putin einmal wieder anklagt, wenn sie
schreibt: „Putins Bombenkrieg in Syrien – Deutschland droht neue
Flüchtlingskrise“. Dabei beruft sich die Bildzeitung im Innenteil ihrer
heutigen Ausgabe (S 3) auf eine eher dubiose Quelle: Yasser N. (38) von der
Rettungsorganisation „Weißhelme“[1].
Unter der Überschrift: „Erster
CDU-Politiker fordert Sanktionen gegen Putin“ druckt die „Bild“ auf der
gleichen Seite (S 3), in der auch der Herr Yasser Who? von der
„Rettungsorganisation“ die russische Luftwaffe anklagt, für die „Katastrophe“ in
Syrien verantwortlich zu sein, weil sie seit 2015 „unsere Städte bombardiert“,
das Interview mit Herrn Röttgen (54), unserem potentiellen und sicher
„demokratieverträglichen“ kommenden Bundeskanzler ab: „... die gezielte
Bombardierung von Zivilisten durch die russische Luftwaffe ist ein
abscheuliches Kriegsverbrechen. (...) Das, was jetzt nötig ist, ist maximaler
politischer und wirtschaftlicher Druck auf Russland, die Bombardierung der
Zivilbevölkerung einzustellen. Wenn die Verbrechen weitergehen, muss es
Sanktionen gegen Russland geben.“
Bisher war ich der Meinung, dass
die bombardierte Stadt Idlib die letzte Bastion der Kämpfer der Anti-Assad-Opposition
von Terrororganisationen wie ISIS, Al-Nusra, oder Al-Quaida sei, die seit 2011
mit ausländischer Unterstützung daran arbeiten, das legitime, wenn auch nicht
ganz demokratische Assad-Regime zu stürzen. Nun sind nicht mehr die
„Terroristen“ Kriegsverbrecher, sondern die Verbündeten der syrischen
Regierung, die von dieser selbst gegen die inneren Feinde zur Hilfe gerufen
wurden: die russischen Soldaten.
Als 2011 eine Koalition von sieben
Staaten (Frankreich, Großbritannien, Türkei, Norwegen, Dänemark und Italien)
unter Führung der US-Regierung den wirtschaftlich intakten Staat Libyen
bombardierten und damit einen „Fail State“ schufen, wird das bis heute von
niemandem als Kriegsverbrechen bezeichnet. Oder doch: von einem, nämlich von
dem „selbsternannten“ (TAZ) Friedensforscher Daniele Ganser, der kürzlich in
der ostdeutschen Stadt Bautzen einen Friedenspreis erhielt.
Aber der Schweizer gilt heute
laut Wikipedia als „Verschwörungstheoretiker“ und ist deshalb vermutlich nicht
„demokratieverträglich“.
Am Dienstagabend (18.02.20) zeigte Arte in
seiner Reihe „Thema“ zwei interessante Dokumentationen: Zuerst
einen zweiteiligen Film über den mächtigen saudischen Prinzen Mohamed bin Salman
(MbS) und seine Verwicklung in die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi
am 2. Oktober 2018 von Martin Smith, der seit vielen Jahren regelmäßig in den
(öl-) reichen Wüstenstaat reist und sich in der korrupten Herrscherfamilie
umsieht: „Mord im Konsulat“[2].
Anschließend kam eine für mich
noch interessantere Sendung von und über den britischen Journalisten Robert
Fisk, der seit nunmehr über 40 Jahren den Nahen Osten bereist und alle
Schauplätze aus eigener Anschauung kennt: „An vorderster Front – Die Wahrheiten
des Robert Fisk“[3]
von Jung Chan (2019).
Der Vater von Robert Fisk war
dekorierter Offizier im Ersten Weltkrieg und nahm seinen zehnjährigen Sohn an
die Kriegsschauplätze mit. Er erkannte aufgrund eigener Recherchen, dass über
diesen Krieg viele Lügen im Umlauf waren. Sein Sohn Robert hat seitdem einen
kritischen Blick auf „offizielle“ Wahrheiten, die von Leuten fabriziert werden,
die das Geschehen aus der Ferne beobachten und ansonsten sicher in ihren Büros
sitzen. Er erinnert mich in gewisser Weise an T.E. Lawrence.
Robert Fisk ist am 12. Juli 1946
geboren und lebte zur Zeit der Invasion Israels in den Libanon im Jahr 1982 in
Beirut, wo er als einer der ersten von dem Massaker an den palästinensischen Flüchtlingen
von Sabra und Shatila[4] berichtete, das unter den
Augen der israelischen Besatzer geschah.
Er sprach bei einer Rede in der „First
Congregational Church“ von Berkely am 22. September 2010 von „Lies, Misreporting, and Catastrophe in the Middle
East“ und stellte fest: „I think it is the duty of a foreign correspondent to
be neutral and unbiased on the side of those who suffer, whoever they may be”
und erzählte weiter: “After the allied victory of 1918, at the end of my
fathers war, the victors divided up the lands of their former enemies. In the
space of just seventeen months, they created the borders of Northern Ireland,
Yougoslawia and most of the Middle East. And I have spent my entire career – in
Belfast and Sarajewo, in Beirut and Baghdad – watching the people within those
borders burn.”[5]
In der Dokumentation erweist sich
Robert Fisk, der Arabisch spricht, als profunder Kenner der Kultur und der
Geschichte der arabischen Völker im Mittleren und Nahen Osten. Er erwähnt auch den
Geheimvertrag von 1916, bei dem der britische Diplomat Sykes und der
französische Diplomat Picot dafür sorgten, dass das besiegte Osmanische Reich,
das mit dem feindlichen Deutschland verbündet war, nach dem Ersten Weltkrieg unter
Großbritannien und Frankreich aufgeteilt wurde. Dieser Geheimvertrag war auch
der Grund dafür, dass sich T.E. Lawrence schließlich desillusioniert zurückzog,
als er merkte, dass die Briten mitnichten einen unabhängigen arabischen Staat
wollten. Natürlich sah Lawrence auch, dass die Araber noch sehr in Stammesbegriffen
dachten und nichts dabei empfanden, ihre besiegten Feinde auszuplündern. Mit
diesen stolzen Beduinen, die mit ihren Herden als Nomaden durch die Wüste
zogen, war kein Staat im modernen Sinne zu machen. Das schafften nur die
Kolonialmächte, die schließlich den Zionisten durch den Vertrag von Balfour
freie Hand ließen, in Palästina den Staat Israel zu errichten, der bis heute
einerseits den Schein einer Demokratie in der Region erfüllt, andererseits einen
dauernden Stachel, ja eine Art Pulverfass im Zentrum der arabischen Völker
bildet, wie ich in meinen Deutschkursen mit syrischen Flüchtlingen erleben
konnte, die sich weigerten, von einem Staat „Israel“ zu sprechen.
Das ganze heute bestehende
Unglück, all die schrecklichen Bilder von den Zerstörungen in den einst
berühmten syrischen Städten Aleppo oder Damaskus, gehen – so wird mir wieder
einmal klar – im Grunde auf die Politik der Siegermächte nach dem Ersten
Weltkrieg und den Vertrag von Versailles zurück. Nicht Russland ist, wie die
Bildzeitung gestern in ihrer üblichen Kurzsichtigkeit und Verkürzung schrieb,
für die Flüchtlingsströme verantwortlich, sondern jene Länder, die sich in die Regierungen
dieser Länder einmischten und sie – wenn
sie nicht spurten – mit Krieg überzogen.
Der Ursprung für die heutigen „Flüchtlingsströme“
liegt also im Jahre 1916 in jenem Geheimvertrag, den hier kaum jemand kennt,
der jedoch bei den Flüchtlingen, wie ich selbst erleben konnte, wohlbekannt
ist, dem „Sykes-Picot-Abkommen“. 32 Jahre nach diesem Abkommen wurde der Staat
Israel gegründet.
Ist es ein Zufall, dass Arte in
den ersten Monaten des Jahres 2020 sowohl das Filmepos „Exodus“ von Otto
Preminger aus dem Jahr 1960, das die Gründung des Staates Israel schildert, als
auch den Film „Lawrence von Arabien“, der das Scheitern der Gründung eines arabischen
Staates veranschaulichte, zeigte?
Filme festigen unser Bild von der
Geschichte nachhaltig. Was sie zeigen, erscheint als Wirklichkeit, Aber in
Wirklichkeit sieht der Zuschauer nur die Sicht der Produzenten. Das ist sowohl
bei „Exodus“ als auch bei „Lawrence of Arabia“ der Fall, die beide von jüdischen
Produzenten finanziert wurden.
Die Ironie der Geschichte ist,
dass auch der kompromisslos auf der Suche nach der Wahrheit und Wirklichkeit reisende
Brite Robert Fisk durch das Sehen eines Films zur Wahl seines Berufes
inspiriert wurde, wie er selbst in der Dokumentation von Yung Chan berichtet:
Als Jugendlicher sah er Alfred Hitchcocks Film „Foreign Correspondent“ aus dem
Jahr 1940[6], den der britische
Filmregisseur, nachdem er 1939 zu Kriegsbeginn das United Kingdom verlassen
hatte, für den Produzenten Walter Wanger (eigentlich: Feuchtwanger) in
Hollywood drehte, und deshalb beschloss, Auslandskorrespondent zu werden.
Weil er sich auch im
Westjordanland umschaute und kritisch über die israelische Siedlungspolitik
berichtete, wurde er von gewissen Kreisen als Antisemit verleugnet. Dabei ist
er – vielleicht zusammen mit Peter Scholl-Latour – einer der wenigen
Auslandskorrespondenten, die sich – unabhängig von der offiziellen Politik –
für die Wahrheit hinter den Kulissen interessieren.
Natürlich sind solche Leute nicht
bequem. So wurde ihm seine Mitarbeit bei der „Times“ in London gekündigt.
Heute arbeitet er für den „Independant“.
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