Samstag, 8. Februar 2020

Schlechter Stil



Nicht das Corona-Virus macht mir Sorge, sondern die Hysterie mancher Menschen, die Angst um „die Demokratie“ haben.
Symptomatisch erscheinen mir zwei Ereignisse vom Mittwochabend (06.02.2020): In Washington D.C. hält der US-Präsident seine „Rede zur Nation“. Die demokratische Partei hat gerade das Impeachment-Verfahren verloren und die Auszählung der Stimmen bei der ersten Vorwahl in Iowa nicht auf die Reihe gebracht, ist also gegenüber dem triumphierenden Trump im freien Fall. Da ist es verständlich, dass einige nervös werden.
Nachdem der nach „demokratischen“ Regeln gewählte US-Präsident seine Rede gehalten hat, zerriss Nancy Pelosi, die genau hinter ihm sitzende Vorsitzende der gegnerischen „demokratischen“ Partei, das zuvor ausgeteilte Redemanuskript demonstrativ.
Schlechter Stil.
In Erfurt wird an diesem Mittwoch ein neuer Ministerpräsident gewählt. Obwohl die Linke bei den vergangenen Wahlen mit 29 Sitzen im Landtag von Thüringen die stärkste Fraktion bildet, wird im dritten Wahlgang der Kandidat der mit gerade einmal fünf Sitzen kleinsten Fraktion gewählt. Schnell stellt sich heraus, dass dies nur möglich war, weil die mit 22 Sitzen zweitgrößte Fraktion (AfD) zusammen mit den fünf Abgeordneten der FDP und 18 Abgeordneten der mit 21 Sitzen drittgrößten Fraktion (CDU) für den FDP-Kandidaten gestimmt hatten, wie es nach den Regeln der „demokratischen“ Landesverfassung rechtens ist.
Die deutlich erboste Fraktionsvorsitzende der thüringischen Linken warf dem gewählten Kandidaten den mitgebrachten Blumenstrauß vor die Füße, statt ihn ihm in die Hand zu geben.
Schlechter Stil.
Ein „Ukas“ der CDU-Parteizentrale führte 24 Stunden später zur Ankündigung des Rücktritts des „demokratisch“ gewählten Kandidaten, nachdem auch der Vorsitzende der Freien „Demokraten“, der zunächst zufrieden schien, dass nun zum ersten Mal ein Ministerpräsident aus seiner Partei Regierungschef werden würde, zerknirscht zurückgerudert war.
Die gesamte deutsche Presse druckte am folgenden Donnerstag auf ihren Titelseiten ein Foto ab, das aufgenommen wurde, als der Fraktionsvorsitzende der „demokratisch“ gewählten zweitgrößten Landtagsfraktion (AfD) dem Kandidaten mit Handschlag gratuliert, so wie es üblich ist, und fast alle drucken als Über- oder Unterschrift den vernichtenden Kommentar: „Handschlag der Schande“.
Schlechter Stil.
Der Normalbürger schüttelt den Kopf und wundert sich, denn es ist ihm klar, in welche Situation sich an diesem Tag die „bürgerlichen“ Parteien der politischen Mitte in der geografischen Mitte Deutschlands gebracht haben. Bei den anstehenden Neuwahlen werden vermutlich noch mehr „Normalbürger“ die AfD wählen, genau wie in Amerika nach den Debakeln vom Mittwoch noch mehr „Normalbürger“ den jetzigen Präsidenten wiederwählen werden.
Die „Demokratie“ ist am Ende!
Aber das war sie schon lange zuvor. 
An diesem Mittwoch wurde es nur offenbar.

Bevor ich gleich zu Friedrich nach Orrot fahre, um ihm bei der Vorbereitung des Bauernmarktes zu helfen, will ich noch schnell das Gespräch zusammenfassen, das ich gerade beim Frühstück mit Lena geführt habe. Ich habe ihr erzählt, was in Thüringen passiert ist. Sie hatte aus den Nachrichten, die sie bekommt, keine Notiz davon genommen. Nachdem ich fertig war, hat sie nur den Kopf geschüttelt. Als ich ihr dann auch noch vorlas, welche Bezüge der FDP-Mann (Jurist und Unternehmer) bekommt, der nur einen Tag „regierender“ Ministerpräsident von Thüringen und jetzt bis zu den Neuwahlen „geschäftsführender“ Ministerpräsident sein wird, meinte sie nur: Die Politiker sollten einmal die Erfahrung machen, mit einer Rente von 900,- Euro oder Hartz IV von 400,- Euro zu leben. Dann würden sie vielleicht näher am Volk sein, als jetzt.
Wir waren uns einig, dass es in den westlichen Demokratien nicht die mit ihren Gehältern verhältnismäßig „armen“ Politiker sind, die ihre Länder regieren, sondern eine Clique von unermesslich reichen Leuten, die ihr Geld niemals auf legale Weise (durch ehrliche Arbeit) verdient haben können. Ich sage, es sind „Banditen“. An erster Stelle stehen dabei die Banker, dann kommen die CEOs der Öl-Konzerne, dann die Chefs der Telefongesellschaften, an vierter Stelle die Vorstandsvorsitzenden der Stromkonzerne. Sie alle schöpfen nur das ehrlich verdiente Geld der Menschen ab: die Banken durch „Gebühren“, die Ölgesellschaften durch überhöhte Preise für Diesel und Benzin, die Telefongesellschaften durch überhöhte Gebühren für ihre Dienste, die Stromgesellschaften durch überhöhte Preise für die Energie, die sie liefern. Am Ende der Wert-Abschöpfungskette stehen Vermögensverwalter wie Blackrock, die das Geld ihrer Kunden vorwiegend in Immobilien investieren. Dadurch steigen dann die Mieten wieder an, die der Normalbürger zu bezahlen hat. So wandert das Geld aus den Taschen der Normalbürger in die Taschen von Leuten, die öffentlich sagen:
„Wir wollen nicht verbergen, dass wir beseelt sind vom Reichtum. Unsere Ziele sind klar, die Aufgaben festgelegt – wir wollen Milliardäre werden. Wir haben die Nase voll vom Leben nach Lenin! (...) Unser Idol ist Seine Majestät das Kapital.“ (M. Chodorkowski)
So traurig es ist, aber das, was sich im Westen „Demokratie“ nennt, ist höchstens eine Lobbykratie mit demokratischer Fassade.

Es fühlt sich richtig gut an, sein eigenes Geld zu verdienen, vor allem, wenn man ein halbes Jahr lang nur Schulden hatte. Gestern hat mir Elena R. 150,- Euro für Januar bar gegeben. Ich hatte gar nicht mehr wirklich damit gerechnet. Es waren immerhin gestern wieder fünf Teilnehmer beim Deutschkurs für russische Frauen. 
Früher wusste ich nicht einmal, wie viel Gehalt ich monatlich bekam, nur so ungefähr. Nun zähle ich mein Bargeld. Es waren heute über dreihundert Euro.

Als wir (Olga, Lena und ich) gestern (08.02.20) Nachmittag einkauften, fiel mir in Kaufland das Titelfoto der neuen Ausgabe des Spiegels (Nr. 7 vom 08.02.2020) ins Auge. Es zeigte auf schwarzem Hintergrund eine Frontalaufnahme des ernsten Gesichtes von Björn Höcke. Darunter stand in weißer Schrift „Der Dämokrat“.
Volker Pisper hat den „Spiegel“ einmal zutreffend „die Bildzeitung für Abiturienten“ genannt. Ich habe mir das Blatt gekauft und mir die Kommentare des Herrn Kurbjuweit (auf Seite 8) und den Anfang der Titelgeschichte zugemutet. Dann hatte ich genug.
Schlechter Stil.
Der Stil des Spiegels war schon immer besonders. Das konnte manchmal erhellend sein, manchmal aber auch – wie dieses Mal – raffiniert „verdunkelnd“. Ich kenne den Herrn Höcke nicht persönlich, habe auch wenig Interesse, ihn kennenzulernen, aber ich wehre mich innerlich dagegen, einen Menschen so zu „dämonisieren“. Das ist mehr als diffamierend. Wenn der Mann, dessen Äußerungen vom „Denkmal der Schande“ und von der notwendigen „Wendung der Geschichtswissenschaft um 180°“ ich als Anhänger der Meinungsfreiheit zu akzeptieren habe, ob sie mir gefallen oder nicht, als „Faschist“ bezeichnet werden darf, wie eine Institution festgestellt hat, dann ist das, wenn es nun flächendeckend von allen braven Verteidigern der Demokratie getan wird, schon bedenklich. Was sagt so ein Schlagwort schon über das Denken dieses Menschen aus? Man will überhaupt nicht auf seine Argumente eingehen, deswegen holt man die Keule heraus. Und diese Keule heißt eben einmal „Faschist“, ein andermal „rechtsextrem“ oder noch schlimmer: „Antisemit“.
Also, es scheint bei gewissen Menschen, die sich für aufrechte Demokraten halten, inzwischen geradezu unmöglich zu sein, Menschen wie Björn Höcke als Menschen zu sehen, die in unserem Land von einem Teil des Volkes in den Landtag gewählt wurden, um dort Politik zu machen. Wenn sie das tun, werden sie von den Medien raffiniert in die Nähe der übelsten Sorte von Menschen gerückt, die es auf dieser Welt je gab: in die Nähe von Nazis.
Ich finde das geradezu hysterisch.
Wo bleibt da noch ein Platz für die Vernunft?
Weimar war einst das Zentrum der größten deutschen Geister, Erfurt die Stadt Martin Luthers. Beide Städte liegen in Thüringen, also in der geographischen – und ich würde auch sagen: geistigen – Mitte Deutschlands. Nun kommt mir „die Mitte“ vor wie ein Narrenhaus.
In gewisser Weise kann man ja dem Spiegel (wie der Bildzeitung) nicht absprechen, dass sie in ihren Bildern und Geschichten etwas Untergründiges, das unser Volk bewegt, auf den Punkt bringen. Die beiden Blätter sind nah an dem, was man Volksseele nennen könnte, besonders dann, wenn diese Volksseele „kocht“.
Aber ich frage mich, wo die „Dämonen“, die der Spiegel mit seinem neuesten Titelbild gleichsam beschwört, wirklich sitzen. Jedenfalls weiß ich, dass diese realen geistigen Wesen wesentlich intelligenter sind als die Spiegel-Redakteure und nicht etwa plump die Geschichte, wie sie einmal war, wiederholen werden. Sie kommen durch die Hintertür, in der Nacht, nicht im vollen Licht der Medien. Diese vernebeln die Wahrheit nur, indem sie „Sündenböcke“ aus dem Hut zaubern, auf die alle Selbstgerechten eindreschen dürfen.
Ich wünsche mir mehr Gelassenheit.
Gestern Nachmittag habe ich Günter Zemella, der am 1. März 80 wird, im Diak besucht. Seine Frau Marlies hatte mich am Dienstag angerufen, um mir mitzuteilen, dass Herr Zemella am Freitag zuvor an seinem gesunden rechten Bein (das linke ist amputiert) operiert werden musste. Ich hatte mir daraufhin Sorgen gemacht und hätte ihn am liebsten gleich besucht. Aber da ich selbst erkältet war, wollte ich noch ein paar Tage warten, um ihm nicht auch noch meine Bakterien zu „vermachen“. So nahm ich mir gestern am Spätnachmittag, nachdem wir alle Einkäufe erledigt hatten, Zeit für den Besuch. Als ich in das Krankenzimmer eintrat, befanden sich gerade die letzten Besucher, Herrn Zemellas Sohn und seine Familie, im Aufbruch. So konnte ich mich eine gute Stunde ganz allein mit diesem großen Mann, der für mich gestern wie die Verkörperung der deutschen Volksseele erschien, unterhalten. Seine Frau Marlies hielt sich still im Hintergrund und nickte nur manchmal zustimmend.
Ich kann gar nicht beschreiben, wie verbunden ich mich mit diesem Mann fühle! Wir sind uns vom ersten Augenblick an wieder vertraut, obwohl wir uns seit etwa einem Jahr nicht mehr gesehen haben. Als ich seinen „offenen Brief“ an den Bundespräsidenten, dem ich in allen Punkten zustimmen konnte, lobe, meint er, dass ich noch viel besser schreiben könne und bittet mich, meine Texte als Buch zu veröffentlichen, damit die junge Generation weiß, was wirklich „gespielt“ wird. Ich könne das, sagt er, und seine Frau nickt zustimmend.
Wie Gunter Zemella dort in seinem Krankenbett liegt, nehme ich nicht nur seine physische Kraft, sondern auch sein inneres Feuer wahr. Er brennt immer noch für die Wahrheit. Und er freut sich, mir mitteilen zu können, dass sein zweites umfangreiches Buch – „Deutschland im Fadenkreuz“ – inzwischen in einer russischen Übersetzung vorliegt.
Er steht mit Gerard Menuhin in persönlichem (Mail-) Kontakt und ist wie ich davon überzeugt, dass dieser Mann ein „feiner Mensch“ ist.
So also sind die „Rechten“: Menschen mit einer Überzeugung, für die sie in unserer angeblich so freiheitlichen Demokratie verfolgt werden, weil sie fundamental abweicht von der „offiziellen“ Lesart der Geschichte.
Herr Zemella spricht auch von seiner großen Wertschätzung für Alexander Solschenizin. Auch dieser wahrhaft aufrechte Mensch wurde als Antisemit gebrandmarkt, nachdem er 2003 sein zweibändiges Werk über die Juden in Russland („Zweihundert Jahre zusammen) veröffentlicht hat.
Es ist schon so: freies Nachdenken über die Geschichte außerhalb der vorgegebenen Gleise ist fast nicht mehr möglich. Jeder Mensch, der es als Schriftsteller oder als Historiker dennoch wagt, wird diffamiert. Das geht so weit, dass Existenzen oder zumindest Karrieren vernichtet werden.
Jeder Mensch kennt den Spruch: „Geld regiert die Welt“. Die meisten Menschen werden dieser Aussage zustimmen, weil es tatsächlich der allgemeinen Erfahrung entspricht. Fragt man aber weiter, wer das Geld besitzt, das die Welt regiert, dann wird es schon gefährlich, sobald man Ross und Reiter nennt.

Dieser Zustand unserer „Demokratie“ bereitet mir Sorge.

1 Kommentar:

  1. Was die Titelgeschichte der neuen Spiegelausgabe anbelangt, an der nicht weniger als 21 Redakteure mitgeschrieben haben, so möchte ich doch eine Passage wörtlich zitieren. Alle Leser, die die Bilder von Escher kennen, können dabei versuchen, die Perspektive zu wechseln und den Text sozusagen gegen den Strich zu lesen. Erst dann enthüllt sich einem der Sinn.
    „Es hat schon viele turbulente Stunden in deutschen Parlamenten gegeben. In Kiel verhinderte 2005 der bis heute anonyme ‚Heide-Mörder‘ die Wahl von Heide Simonis (SPD) zur Ministerpräsidentin durch beharrliche Enthaltung. In Hessen erinnert man sich an die Winkelzüge in den Reihen der SPD, als sich Andrea Ypsilanti 2008 am Ende vergebens um eine Mehrheit für sich und einige von der Linken tolerierten Minderheitsregierung im Land bemühte. Das durch mindestens einen käuflichen Abgeordneten gescheiterte Misstrauensvotum im Bundestag, das Rainer Barzel 1972 zum Kanzler hätte machen sollen, gehört ohne Zweifel zu den schwärzesten Stunden der Demokratie in Deutschland.“
    Die Spiegel-Redakteure zeigen dadurch auf, dass es rund um alle Parteien der Mitte schon in der Vergangenheit Gerangel um die Macht gab. Dem Normalbürger ist seit langem klar, dass es in der Politik nur um Macht oder Machterhalt geht und um sonst (fast) gar nichts. Diejenigen, die noch politische Ideale verwirklichen wollten, wie Erhard Eppler oder der „ewige Thronfolger“ Prinz Charles, wurden entweder lächerlich gemacht, oder von Machtpolitikern wie Helmut Schmidt rüde beiseitegeschoben.
    „Und doch steht Thüringen für eine neue Qualität des parlamentarischen Unfalls: Die Phalanx der Demokraten gegen Rechtsextremisten und völkischen Nationalisten, von CSU bis Linkspartei immer wieder beschworen, ist an diesem Mittwoch in Erfurt für alle sichtlich zerbrochen. Viele, die dem FDP-Mann aus der Ferne und von Nah zujubelten und seine Courage lobten, haben diesen Konsens bewusst verlassen. Sie werden auch nicht mehr dorthin zurückkehren.
    Der Vorgang ist deshalb brandgefährlich. Er wird die Feinde des Systems in ihren Klischees und Vorurteilen bestätigen. Und er wird die Zweifel jener Bürgerinnen und Bürger verstärken, die mit dem politischen Betrieb im Stillen ohnehin schon länger fremdeln.
    Eine politische Kaste, die den Wählerwillen auf groteske Weise zu verbiegen versucht, wird nicht wiedergewählt, sondern vom Hof gejagt.“
    Genauso sehe ich es kommen. Wer ist dann verantwortlich für das kommende Debakel? Die „Phalanx der Demokraten“, oder die „Rechtsextremisten und völkischen Nationalisten“?
    Ich denke, dass es immer einen lachenden Dritten gibt, wenn sich zwei streiten.
    Dort sollte man vielleicht einmal nachfragen...

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