Samstag, 11. Februar 2017

"Das Geheul"

Je mehr ich nachdenke und lese, desto mehr wird mir bewusst, dass wir durch die Wahl des neuen US-Präsidenten in ein neues Zeitalter eingetreten sind, das apokalyptische Züge anzunehmen scheint. Immer mehr bin ich der Überzeugung, dass es das „Karma der Unwahrhaftigkeit“, von dem Rudolf Steiner vor exakt 100 Jahren sprach, ist, das nun über die Menschheit hereinbricht. Dabei verdichtet sich in mir immer mehr der Verdacht, dass es vor allem einflussreiche Juden sind, die dieses Karma zu verantworten haben, so wie einst Juden für den Tod des Messias verantwortlich waren und dann 2000 Jahre lang das erfahren mussten, was sie sich selbst herbei „gewünscht“ hatten: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ (Matth. 25,27)
Wir sind Zeugen von geschichtlichen Prozessen von biblischem Ausmaß. Immer mehr wird mir bewusst, dass alles, was in diesem Jahr viele Menschen beunruhigt, Teil der Heilsgeschichte ist. Auch wenn der israelische Ministerpräsident unmittelbar vor der Amtseinführung Donald Trumps davon sprach, dass die „alte Welt untergehen wird“, so glaube ich doch fest daran, dass aus dieser Menschheitskrise schlussendlich etwas Positives hervorgehen wird. Nach der „Zerstörung der jetzigen Gesellschaft“ (Steve Bannon) wird eine neue Welt entstehen, vermutlich allerdings zuerst nur die „Schöne neue Welt“, die Aldous Huxley in seinem gleichnamigen Roman beschrieben hat. Der Zukunfts-Roman seines Kollegen George Orwell, „1984“, erfährt in diesen Tagen neues Interesse und klettert erstaunlicherweise auf die ersten Plätze der Bestseller-Listen.
Gestern Abend zeigte 3SAT im Rahmen einer Filmreihe, die im Zusammenhang mit der am Donnerstag eröffneten 67. Berlinale, dem nach Cannes zweitwichtigstem Kino-Filmfestival, steht, einen Berlinale-Filmbeitrag aus dem Jahre 2010: „Howl“ von Rob Epstein (Regie) und Jeffrey Fiedman (Drehbuch).
Der „experimentellle“, biografische Film spielt auf zwei Ebenen: in Schwarz-weiß-Bildern sieht man, wie Allen Ginsberg sein langes, vierteiliges Gedicht „Howl“ vorträgt. Das war am 7. Oktober 1955 in einem Club in San Francisco und die „Performance“ ist bekannt geworden unter dem Namen „Six Gallery Reading“. In der zweiten Ebene wird in farbigen Bildern der Prozess gezeigt, der zwei Jahre später, also 1957, wegen „Obszönitäten“, die das Gedicht enthielt, exemplarisch vor einem Gericht in San Francisco gegen den Verleger Lawrence Ferlinghetti geführt wurde.
Der jüdische Autor Allen Ginsberg (1926 – 1997) gilt zusammen mit seinen Freunden Jack Kerouac (1922 – 1969) und Neal Cassady (1926 – 1968)als Inspirator der sogenannten „Beat Generation“, also auch meiner Generation. Ich denke hier besonders an ein Plakat, das die Teilnahme des Poeten, der auch meine Lieblingsmusiker Grateful Dead, Bob Dylan und Leonard Cohen inspiriert hat, im Jahr 1967 in einer Veranstaltung im Avalon Ballroom in San Francisco ankündigt:


Das Plakat zeigt, dass der Jude inzwischen, einer Mode der Zeit folgend, zum Buddhismus "konvertiert" war. Zur Zeit der Entstehung von „Howl“ lebte er aber noch ganz in jüdisch-religiösen Vorstellungen. Besonders die Zeilen, die dem Gott „Moloch“ gewidmet sind, beziehen sich auf das Alte Testament beziehungsweise auf die Thora, wo dieser Gott namentlich siebenmal erwähnt wird. Der alles verschlingende Gott spielt auch eine wichtige Rolle in der dritten Ebene des Films, in der farbige, animierte Bilder gezeigt werden, die auf die Drogenerfahrungen des Autors zurückzugehen scheinen.
Der Film, den ich mit großem Interesse anschaue, macht mir einmal wieder bewusst, wie sehr jüdische Intellektuelle das Denken, Fühlen und Wollen der damaligen Jugend weltweit beeinflussten. Die Beat Generation war die erste, die die traditionellen christlichen Werte, die nicht mehr zu tragen vermochten, radikal in Frage stellte. Das Wort „Beat“ bedeutet „Schlagen“. Insofern kann man den aufkommenden Protest durchaus metaphorisch als ein Schlagen an die Pforten der christlichen Kirchentradition sehen. Nur so ist zu begreifen, dass sich das damals noch christliche Amerika 1957 durch einen Prozess gegen den „neuen Geist“ zu verteidigen versuchte – und unterlag. Die „Freiheit der Kunst“ steht seitdem über den „Geboten“ des Christentums und hat schließlich zu dem Zustand geführt, in dem sich die „permissive Gesellschaft“ heute befindet: „anything goes“.
Daran ist nichts zu kritisieren. Es ist der Gang der Geschichte und dieser hat ebenfalls einen höheren Sinn, auch wenn es nicht jedem gefällt.
Zehn Jahre nach dem „Prozess wegen Obszönität“ feierte die Jugend den „Summer of Love“ und im gleichen Jahr verschärfte sich mit dem Mord an Benno Ohnesorg am 2. Juni der Protest der deutschen Studenten und radikalisierte sich.
Die Hippies von San Francisco und die APO von Berlin waren zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Jugendbewegung der Hippies war hauptsächlich inspiriert von Allen Ginsberg, einem jüdischen Poeten, und seinen Freunden, die Studentenbewegung, die sich als Außerparlamentarische Opposition (APO) verstand, von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse, drei jüdischen Denkern aus der sogenannten "Frankfurter Schule".
Dabei wäre das Jahr 1967 die Chance gewesen, die Ideen Rudolf Steiners zur „Dreigliederung des sozialen Organismus“, die er 50 Jahre zuvor, im Jahr 1917, zum ersten Mal formuliert hat, wieder ins Blickfeld zu nehmen und zu diskutieren.
Immerhin hat sich einer der Studentenführer, Rudi Dutschke, auch damit auseinandergesetzt und bisweilen von einem „dritten Weg“ zwischen Kommunismus und Kapitalismus gesprochen.

Im Grunde aber wurde die Chance damals verpasst.

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