Gestern waren meine Freundin und ich in Wolpertshausen beim „Zweiten Hohenloher Bauerntag an Lichtmess“.
Die
Mehrzweckhalle war in beiden Sälen mit etwa 1200 Menschen voll besetzt. Die
meisten waren tatsächlich Bauern, wie ich an den interessanten, von Wind und
Wetter und der fruchtbaren Hohenloher Landschaft geprägten Physiognomien
ablesen konnte. Am liebsten hätte ich von all diesen bäuerlichen Ureinwohnern
ein Foto gemacht, so interessant waren ihre individuellen Gesichter.
Gleichsam „angelockt“ hatte Rudolf
Bühler diese Menschen mit der Ankündigung freien Essens („Bauernschmaus“) und
Trinkens.
Und tatsächlich: der streng durchorganisierte Nachmittag – die Veranstaltung
begann um 13.30 Uhr und endete gegen 17.30 Uhr – war gegliedert durch Pausen,
in denen eine Schar von Dirndl tragenden Frauen verschiedene Speisen und
Getränke servierte: Zuerst Maultaschen mit Kartoffelsalat, dann Hefezopf mit
Kaffee und schließlich noch ein Bauernvesper mit Dosenwurst und Schwarzbrot –
und das alles „auf Kosten des Hauses“!
So blickte ich nur in zufriedene
Gesichter, obwohl die sechs Vorträge, die an diesem Nachmittag gehalten wurden,
wenn man sie wirklich aufnahm, die Kraft hatten, die Gedankengebäude unserer
gewohnten Anschauungen zu erschüttern. Im Sinne des Mottos des Bauerntages, „Gemeinsam
Zukunft gestalten“ waren sie geradezu „revolutionär“.
Zuerst sprach Bauernpfarrer im
Ruhestand Willi Mönikheim über die alttestamentarische Erzählung vom „Turmbau
zu Babel“. Mit seiner vorwiegend im Hohenloher Dialekt gehaltenen Andacht
stimmte er gleich am Anfang auf die Landschaft ein, in der wir uns befanden. Ich
hatte den Eindruck, dass in Wolpertshausen vor etwa 30 Jahren ein Projekt
begonnen hatte, das wie ein Gegenbild zum Turmbau zu Babel gelesen werden kann:
die Schaffung der „Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft“.
Nach der Ansprache von Rudolf
Bühler, der auch die ganze Veranstaltung moderierte, folgte die kraftvolle Rede
von Hubert Weiger. Der Präsident des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) war
der erste, der die verfehlte Landwirtschaftspolitik des Deutschen Bauernverbandes
anklagte, die durch die Orientierung der Erzeugerpreise am „Weltmarkt“ geradezu
zum Untergang der vielen kleineren bäuerlichen Betriebe beigetragen habe und
nur die großen überleben lasse. Er prangerte an, dass die Bauern, die auf ihre „Ratgeber“
hörten, obwohl sie traditionell Bewahrer und Pfleger der Natur sind, heute eher
als Umweltsünder betrachtet werden müssten, die die Böden, das Wasser und die
Luft vergiften und die Tiere ausbeuten würden.
Mir gefielen die deutlichen Worte
und mich überzeugten die Argumente des obersten „Bosses“ meines Schwagers
Gottfried, der sich als Geschäftsführer des BUNDs Unterfranken der Zerstörung
der Natur beruflich täglich entgegensetzt. Ob die Vertreter des
Bauernverbandes, die wie ich später erfuhr, ebenfalls gekommen waren, genau so
begeistert von der Rede waren, bezweifle ich.
Noch weniger begeistert dürften
sie von der gewohnt kämpferischen Rede von Rezzo Schlauch gewesen sein, der
sich direkt an sie wandte und kein gutes Haar an der Politik der Bauernverbände
ließ. Er deckte auf, dass der Bauernverband eher auf die agrarindustriellen
Großkonzerne hören und in Brüssel nicht die
Bauern selbst vertreten würde. So kämen 80 Prozent der landwirtschaftlichen, an
die Fläche gebundenen Subventionen der EU nicht den hart und ehrlich
arbeitenden kleinen und mittelgroßen Bauern zu, sondern den Agrarriesen, die bäuerliches
Land kauften und für überhöhte Preise verpachteten.
Am besten gefiel mir aber die
kurze Ansprache von Fritz Vogt, dem „Bankdirektor i.R.“, die eher leise war,
aber die Sache auf den Punkt brachte: Er erinnerte an die Tatsache, dass in
älteren Zeiten an Mariä Lichtmess das Personal den Dienstherren wechselte und
rief die versammelten Bauern dazu auf, auch ihren Dienstherrn zu wechseln. Der alte Dienstherr sei das Kapital, dem wir uns alle unterworfen hätten. Das Kapital,
so sagte er kurz und bündig, sei aber gleichzusetzen mit dem Tod, denn es
zerstöre unseren Planeten. Der neue Dienstherr könne nur das Leben sein. Und
der Landwirt und ehemalige Leiter der kleinsten Bank Deutschlands, der Raiffeisen-Sparkasse von
Gammesfeld, der durch den Film „Schotter wie Heu“ berühmt geworden ist, rief
die versammelten Bauern auf, als erstes auf alle Subventionen zu verzichten.
Zum Abschluss ging ich mit meiner Freundin vor, um mich bei Rudolf Bühler, dem Pionier einer neuen bäuerlichen Zukunft für die
Veranstaltung und das Essen persönlich zu bedanken. Er fragte mich lächelnd, ob
ich auch ein Bauer sei, und ich antwortete: „Ja, im Herzen!“
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