Ich war wieder in der Kirche.
Heute hat Pfarrerin Brehmer über Markus 14, 3 -9 („Salbung in Bethanien“)
gepredigt. In dem Bibeltext wird von einer Frau erzählt, die ins Haus von
Simon, dem Aussätzigen tritt, und Jesus, der dort mit „etlichen“ „zu
Tische“ saß, mit einem „unverfälschten und köstlichen Nardenöl“ salbt. Als das
die Umsitzenden sehen, murren sie und meinen, man hätte das teure Öl für 300
Silbergroschen verkaufen und das Geld den Armen geben können. Jesus sagt:
„(…)Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich
sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das
sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“ (Mark.14, 8 + 9).
Diese Szene spielt zwei Tage vor
dem Passah-Fest, also erst am Kar-Mittwoch. Bei Lukas 7, 36 - 50 wird eine
ähnliche Szene geschildert, wo eine Frau, „die war eine Sünderin“, an Jesus,
der dieses Mal mit seinen Jüngern bei Simon, dem Pharisäer, zu Tische sitzt,
herantritt, seine Füße mit Tränen benetzt, sie dann mit den Haaren ihres
Hauptes trocknet und küsst und sie schließlich mit Salbe salbt. Das war kurz nach der Auferweckung des
Jünglings von Nain in der Stadt Kapernaum und noch vor der Speisung der
Fünftausend, also lange vor Christi Passion. Im darauffolgenden 8. Kapitel
nennt Lukas eine der Nachfolgerinnen Jesu, „von welcher waren sieben Geister
ausgefahren“, mit Namen: „Maria, die da Magdalena heißt.“ (Luk. 8, 2)
Bei Johannes im 11. Kapitel steht
die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus. Dieser „Mysterienverrat“
(Rudolf Steiner, „Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des
Altertums“, 1901) war der wahre Grund für Jesu Verurteilung und Kreuzigung (Joh. 11,
53). Bei Johannes 11,1 heißt es, dass Lazarus der Bruder von Martha und Maria
sei und es wird ausdrücklich gesagt, dass Maria jene Frau gewesen sei, „die den
Herrn gesalbt hat mit Salbe und seine Füße getrocknet hat mit ihrem Haar“ (Joh.
11,2).
Auch dieses Geschehen spielte in
Bethanien, wenige Kilometer außerhalb Jerusalems. In diesem Vorort muss es also
mindestens drei Familien gegeben haben, bei denen Jesus eingekehrt ist: Die
Familie von Simon des Pharisäers (Lukas 7), die Familie von Simon dem
Aussätzigen (Markus 14) und die Familie der drei Geschwister Lazarus, Martha und
Maria Magdalena (Johannes 11).
Lange vor der Geschichte der
Salbung Christi durch die rätselhafte, unbekannte Frau erzählt Markus im 11. Kapitel
die Ereignisse des Palmsonntags mit dem Einzug Christi in Jerusalem auf dem Eselsfüllen.
Vor und nach dem Einzug in Jerusalem weilten Jesus und seine Jünger in
Bethanien, wie in allen Evangelien übereinstimmend berichtet wird.
Der Palmsonntag ist der Beginn
der Kar-Woche. Sie wird auch die stille Woche genannt. Jeder Tag ist, wie Emil
Bock in seinen Schilderungen dieser Woche in „Die drei Jahre“ ausführt, von
einer anderen Stimmung geprägt, die jeweils mit der entsprechenden Planetenqualität
zusammenhängt. Die Palmzweige, die die Menschen in Jerusalem auf den Weg
werfen, symbolisieren die Sonnenkraft des Sonntags, das „unverfälschte,
köstliche Öl“, durch das der „Heiland“ gesalbt wird, den Gott der Heilkunst,
Merkur, der dem Mittwoch seinen Namen geliehen hat.
Die unbekannte Frau aus Markus 14,
welche die Tradition seit der „Legenda Aurea“ (13. Jahrhundert) ebenfalls mit
Maria Magdalena identifiziert, wusste, so meint Pfarrerin Brehmer, dass Jesus von Nazareth der „Messias“
ist. Das hebräische Wort bedeutet genau wie das griechische Pendant „Christos“:
der „Gesalbte“. Bei Markus wird am Kar-Mittwoch aber kein König gesalbt. Der
wäre auch nicht auf einem Eselsfüllen in Jerusalem eingeritten, sondern auf
einem Schimmel. Auf diesen "echten" König warten die Juden bis heute.
Die Unbekannte hat Jesus von
Nazareth, wie dieser selbst sagt, im Voraus zum Begräbnis gesalbt. Pfarrerin
Brehmer führt aus, dass am Kar-Freitagabend keine Zeit mehr zur üblichen
Totenwaschung und Salbung gewesen sei, weil die Juden die Sabbat-Ruhe einhalten
mussten. Das sollte dann nach dem Sabbat am Sonntag, dem ersten Tag der Woche
nachgeholt werden. Deswegen waren die Frauen, darunter auch Maria Magdalena,
schon vor Sonnenaufgang unterwegs zum Grab, um den Leichnam ihres Herrn und Meisters im Nachhinein zu
waschen und zu salben. Aber der Leichnam war verschwunden.
Das angekündigte Mysterium der
Auferstehung hatte sich während des Sabbats ereignet.
Der Sabbat galt bei den Juden als
siebter Tag der Woche, an dem Gott nach den sechs „Schöpfungstagen“ der Genesis
„ruhte“. Deswegen sollen die gläubigen Juden an diesem Tag ebenfalls ruhen, was
sie bis heute in der Regel tun. Jesus Christus „ruhte“ an diesem Tag, der vom
Sonnenuntergang des Freitagabends bis zum Sonnenaufgang am Sonntagmorgen
dauerte, äußerlich gesehen, im Grab.
In Wirklichkeit vollbrachte er
aber jenes Mysterium, an das die Christen glauben, die Juden aber nicht. Hier
scheiden sich die Geister seit 2000 Jahren, was unendliches Leid über Juden und
Christen gebracht hat. Die Russen, die unter dem Bolschewismus einer
christenfeindlichen Clique ihrer heiligen, christlichen Tradition beraubt
werden sollten, mussten für ihren Glauben einen hohen Blutzoll bringen. Dennoch
nennen sie bis heute den Sonntag „Waschkresenje“, was so viel wie „Auferstehungstag“
bedeutet.
Als Wochenlied wurde heute das
Lied „Du großer Schmerzensmann“ von Adam Thebesius aus seinem Todesjahr 1652
gesungen. Es ist das einzige Lied dieses schlesischen Pfarrers, das ins Evangelische
Gesangbuch aufgenommen wurde (Nr. 87). Thebesius wurde am 6. Dezember 1596 in
Seifersdorf bei Liegnitz geboren, also in der Nähe der Stadt, bei der heute vor
776 Jahren (am 9. April 1241) die Mongolen des Dschingis Khan in einer Schlacht
den Herzog Heinrich II. von Schlesien töteten und ganz Europa mit einer
Invasion bedrohten, plötzlich aber wieder abzogen.
Interessant ist, dass dieses Lied
an keiner Stelle die Juden, die zuerst „Hosianna“ gerufen und ein paar Tage
später „Kreuzige“ geschrien hatten, für den Tod Jesu verantwortlich macht, wie
es von dieser Seite gern behauptet wird. Thebesius spricht durchweg nur – in guter
christlicher Tradition – von „unserer
Sünd‘ und Missetat“.[1]
Die Unbekannte vom Kar-Mittwoch,
die den "Christus" als solchen ("Gesalbten") kennzeichnete, indem sie ihn mit einem Öl salbte, das
zehnmal mehr wert war, als die 30 Silberlinge, die Judas für seinen Verrat
erhielt, ist – wie gesagt – niemand anderes als die „Apostolin Apostolorum“ Maria
Magdalena, die am Ostersonntag dem Auferstandenen als erster Mensch im Garten Gethsemane
begegnet ist und ihn zuerst für den Gärtner hielt. Als sie dann jedoch seine
Wundmale erblickte, wusste sie, dass es sich um ihren Herrn, der gekreuzigt
worden war, handelt. Anders als der Apostel Thomas musste sie diese nicht
berühren um zu glauben.
Die Oster-Szene des „Noli me
tangere“ wurde seit dem 13. Jahrhundert oft in der christlichen bildenden Kunst
dargestellt, ja sie ist eigentlich das
Auferstehungsbild schlechthin, viel intimer als jene gewaltige Auferstehungsszenerie,
die kein Mensch wirklich äußerlich sehen konnte, nicht einmal die schlafenden
Wächter. Mathias Grünewald hat diese in
seiner berühmten Darstellung auf dem Isenheimer Altar rein aus der Imagination heraus
geschaffen.
Es war an einem Ostersonntag, an
dem Maria Magdalena der Legende nach in der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence
gestorben ist. Sechs Engel sollen die Frau, die als fromme Eremitin im
Sainte-Baume-Gebirge ihre letzten Jahre verbrachte und der dabei ein dichtes
Haarkleid gewachsen war, in den Himmel getragen haben.
Diese Szene sowie die Szene von
der Begegnung mit dem Gärtner wurden in der Mitte des 13. Jahrhunderts an zwei
Wänden der Magdalenen-Kapelle im ersten Geschoss des romanischen Turms der
Schwäbisch Haller Michaelskirche dargestellt. Es sind also zwei Osterbilder.
[1]
„Ach das hat unsre Sünd / und Missetat verschuldet, / was du an unsrer Statt, /
was du für uns erduldet. / Ach unsre Sünde bringt / dich an das Kreuz hinan;/o
unbeflecktes Lamm,/ was hast du sonst getan?“
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