Freitag, 18. Januar 2019

Spaltungstendenzen



Eben kam in 3SAT-Kulturzeit ein Nachruf auf Amoz Oz, den linksliberalen israelischen Schriftsteller und Friedensaktivisten, der am 28. Dezember 2018 mit 79 Jahren gestorben ist. Er wird in dem Portrait als „Das Gewissen Israels“ bezeichnet, das nun fehle. Er wird auch ein moderner „Prophet“ genannt, weil er bereits mit 28 Jahren während des Sechs-Tage-Krieges davor warnte, die eroberten Gebiete besetzt zu halten.[1] Ohne ihn, so heißt es, würde sich Israel nicht zum besseren, sondern zum schlechteren verändern.
Das erinnert mich an einen anderen Beitrag, den ich heute auf Facebook fand. In einer – mir bisher völlig unbekannten – Zeitschrift („Das Magazin“) kam eine Reportage von Hannes Grassegger mit dem Titel „Der böse Jude“. Es geht um die Machenschaften des im Hintergrund arbeitenden Arthur J. Finkelstein, der für die amerikanischen Republikaner Kampagnen organisiert hatte, indem er die Methode anwandte, den politischen Gegner schlecht zu reden. Im Jahre 2011 gipfelte seine Aktivität in einer Kampagne gegen George Soros, den er als eine Art „Antichrist“ hinstellte, um die Wahl Victor Orbans in Ungarn zu unterstützen. Am Ende des Artikels lese ich den Satz, den der im August 2017 gestorbene Finkelstein in seiner letzten öffentlichen Rede ausgesprochen haben soll:
„Ich wollte die Welt ändern. Das habe ich getan. Ich habe sie schlechter gemacht.“[2]
Dass es unter Juden immer wieder zu Spaltungen kommt, die offenbar seit alttestamentarischen Zeiten zu ihrer Geschichte dazu gehören, dafür kann man viele Beispiele finden. Dass diese „Unsitte“ aber auch unter den Anthroposophen seit Rudolf Steiners Tod massiv aufgetreten ist und heute andauert, das tut mir tief in der Seele weh.
Natürlich darf es geistige Auseinandersetzung geben, aber sie muss sachlich geführt werden. Wer den anderen menschlich herabsetzt oder gar verteufelt, disqualifiziert sich selbst.
Jeder Konflikt ist Ausdruck einer geistigen Auseinandersetzung, die man losgelöst von den Trägern anschauen sollte, rät Rudolf Steiner.
Das ist für mich maßgeblich.
Wer sich zur Diffamierung des politischen Gegners versteigt, macht die Welt nicht besser, sondern schlechter. Deshalb mag ich auch das „Trump-Bashing“ oder auch das beliebte „AfD-Bashing“, sobald es personalisiert wird, nicht.
Auf eine Metaebene angesichts solcher Auseinandersetzungen stellt sich der emeritierte Kieler Kognitionsforscher Werner Mausfeld in seinem Buch „Warum schweigen die Lämmer?“, Westend-Verlag, 2018. Er spricht von der bewussten Fragmentierung der Wahrnehmung durch die staatsabhängigen Medien, die im Dienste der Eliten statt Information Propaganda liefern.
Er führt aus:
„Die Anwendung von ‚Hard Power‘[3] hat aus Sicht der Herrschenden einen gewissen Nachteil, weil wir aufgrund unserer natürlichen moralischen Sensitivitäten dazu neigen, darauf mit Empörung und Auflehnung zu reagieren. Dies wiederum ist für die Herrschenden mit Kosten verbunden. Der einflussreiche amerikanische Politikwissenschaftler und Propagandatheoretiker Harold D. Lasswell hat dies 1930 in der Encyclopedia of the Social Sciences auf den Punkt gebracht: Meinungsmanagement ist ‚kostengünstiger als Gewalt, Bestechung oder irgendeine andere Kontrolltechnik.‘
Daher wurde seit den historischen Anfängen versucht, Machttechniken zu entwickeln, mit denen sich unsere moralischen Sensitivitäten gleichsam unterlaufen lassen, die also weniger Widerstand im Volk aktivieren. Diese Machttechniken werden heute oft als ‚Soft Power‘[4] bezeichnet; sie umfassen das gesamte Spektrum von Techniken, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Vermittlungsinstanzen für diese Formen der Machtausübung sind – unterstützt durch Stiftungen, Think-Tanks, Elitennetzwerke und Lobbygruppen – insbesondere private und öffentliche Medien, Schulen und der gesamte Erziehungs- und Ausbildungssektor sowie die Kulturindustrie. Die Wirkungen von ‚Soft-Power-‚Techniken sind für die Bevölkerung weitgehend unsichtbar; es ist also kaum mit Protesten gegen diese Formen der Indoktrination zu rechnen. (…) Es geht also bei ‚Soft Power‘ letztlich um eine psychologische Kriegsführung gegen die Bevölkerung …“ (S 64 f)
Zu dieser „Soft Power“ gehört auch das machiavellistische Prinzip: „Divide et impera“, (Teile und herrsche). Die hinter all den Spaltungen stehenden Machteliten können das Volk, das heißt, die ‚Lämmer‘ dadurch schwächen, dass sie sich spalten.
Als in den Jahren 1932 bis 1935 auch in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft vehemente Spaltungsversuche unternommen wurden, die schließlich zum Ausschluss von über 3000 Mitgliedern, darunter enge Schüler von Rudolf Steiner, und von zwei durch Rudolf Steiner bei der Weihnachtstagung 1923/24 selbst eingesetzten Vorstandsvorsitzenden, fehlte in der Welt eine wichtige moralische Instanz. Wo immer solche personalisierten Spaltungstendenzen in der anthroposophischen Gesellschaft auch heute auftreten, sollten sich die Akteure prüfen, welchen geistigen Mächten, vielleicht ohne es zu merken, sie dienen.

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