Schwäbisch Hall, der 24. Januar 2019
(Donnerstag, 4.06 Uhr)
Warum drängt
mich etwas, die Erinnerungen und Gedanken, die gerade in diesen Tagen meine
Seele erfüllen, aus dem Dunkel meines privaten Tagebuchs ins helle Licht der
Öffentlichkeit zu stellen? Diese Frage treibt mich seit gestern um und so bin
ich heute Morgen um 3.30 Uhr aufgewacht und versuche nun, mir selbst darüber Rechenschaft
abzugeben.
Auslöser
war – wie bereits gesagt – die „biografische Notiz“ von Wibke Reinstein vom 19.
Januar 2019.[1] Durch
ihren Mut und ihre Offenheit konnte ich selbst etwas anschauen, das mich nun
schon seit 33 Jahren bewegt und manchmal sogar „plagt“: wer war ich in einem
früheren Leben?
Anthroposophie
war für mich nie Theorie. Ich habe die Bücher und Vorträge Rudolf Steiners
immer so gelesen, dass ich von ihrer geistigen Wahrhaftigkeit berührt war. Alles
leuchtete mir unmittelbar ein, obwohl ich mich nicht als Intellektuellen
bezeichnen würde. Ich habe die Mitteilungen aus der geistigen Welt, die Rudolf
Steiner in all seinen schriftlichen und mündlichen Äußerungen den Menschen übermittelte,
immer als das genommen, was sie waren: in die Sprache der Menschen übersetzte
Botschaften der Hierarchien. Alles, was ich etwa hundert Jahre, nachdem es
geschrieben oder gesprochen worden war, las – ich begann mit der Lektüre der „Erkenntnistheorie
der goetheschen Weltanschauung“ aus dem Jahr 1886 im Rahmen eines „Studium
Generale“ an der Universität Stuttgart ungefähr im Jahr 1976 – nahm ich als das
auf, was es offensichtlich ist.
Die
Arbeit an dieser Grundschrift hatte ich nicht von mir aus gesucht. Sie kam
gleichsam auf mich zu. Durch meinen Lehrer Bertolt Hasen-Müller war ich 1972 auf
das Buch „Substanzenlehre“ von Rudolf Hauschka hingewiesen worden. Als ich in
Stuttgart am Alexanderplatz in der Nähe der Uhlandshöhe meinen Zivildienst
absolvierte, wanderte ich kurz nach meinem 21. Geburtstag eines Vormittages im
April 1973 auf der Hausmannstraße nach Osten. Mein Dienst als Zivi lag eher am
Nachmittag und am Abend, so dass ich vormittags in der Regel frei hatte. Beim
Spaziergang entdeckte ich voller Erstaunen die erste Waldorfschule, die ich vom
Hörensagen nur vage kannte, kam auch zum „Rudolf-Steiner-Haus“ mit dem „Eurhythmeum“
und gelangte schließlich zur Buchhandlung am Urachhausplatz. Ich hatte zuvor noch
nie eine anthroposophische Buchhandlung betreten.
Dort
fragte ich nach dem genannten Buch aus dem Vittorio Klostermann-Verlag. Aber es
war nicht mehr lieferbar. Eine andere Kundin, die sich gerade in der
Buchhandlung des Urachhausverlages aufhielt, hörte mein Anliegen und wandte
sich mir zu: Sie könne mir das Buch schenken, denn sie habe es aus dem Nachlass
ihres verstorbenen Mannes übernommen. Ich war hoch erfreut.
Die
ältere Dame gefiel mir und ich fasste sofort Vertrauen zu ihr. Sie lud mich
ein, mit ihr nach Hause zu kommen. So gelangte ich mit ihr zum „Priesterseminar
der Christengemeinschaft“.
Verwundert
betrat ich das architektonisch ungewöhnliche Gebäude und tauchte mit meiner
Begleiterin in eine Wohnatmosphäre ein, wie ich sie bis dahin noch nicht erlebt
hatte und die mir trotzdem sofort vertraut vorkam. Mir war schon aufgefallen,
dass die Dame, die hier in der verwaisten Wohnung ihres Mannes lebte, einen
besonderen Sprachakzent hatte, jedoch trotzdem ein außergewöhnlich schönes und
nahezu korrektes Deutsch sprach. Von sich aus erklärte sie mir, als hätte sie meine unausgesprochene Frage vernommen, dass sie gebürtige Russin war.
Alles
war für mich neu und aufregend. In den Regalen standen eine Unmenge Bücher. Mit
sicherem Griff zog sie die „Substanzenlehre“ heraus und dazu noch drei andere
Taschenbücher aus einem anderen Fach. Ich hatte bis zu diesem Tag noch nie eine
Buchausgabe mit einer Schrift Rudolf Steiners gesehen. Die drei weißen Bändchen
waren wohl auch die ersten Taschenbuchausgaben seiner Schriften im Verlag
Freies Geistesleben: „Die Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, „Die
Philosophie der Freiheit“ und „Das Christentum als mystische Tatsache und die
Mysterien des Altertums“.
Alle
vier Bücher schenkte mir die Dame. Ich war verzaubert von ihr und der ganzen
Umgebung, in die ich hier durch „Zufall“ geraten war. Glücklich lief ich mit
meinem Schatz zurück in die Unterkunft am Alexanderplatz. Dort kassierte ich
als erstes eine Rüge, weil ich so lange weg gewesen war, ohne mich formell
abzumelden. Ich hatte, wie ein Kind, die Zeit total vergessen.
In den
Einbänden der vier Bücher, die ich geschenkt bekommen hatte, stand mit
Bleistift geschrieben der Name des Vorbesitzers: Gottfried Husemann. Ich hatte
seine Witwe Luba getroffen.
So
waren die ersten drei Bücher Rudolf Steiners, ohne dass ich sie gesucht hatte,
zu mir gekommen.
Ich
habe später andere Menschen aus meinem Umkreis gefragt, wie sie auf Rudolf
Steiner gestoßen waren und hatte immer wieder ähnliche Geschichten gehört.
Später
wurde mir bewusst: Rudolf Steiner sucht die Menschen, die zu ihm gehören,
selbst aus, auch wenn er schon lange „tot“ ist. Ich begriff, bei diesem
Menschen handelte es sich um eine absolute Ausnahme-Persönlichkeit. An diesem
Tag, unmittelbar nach meinem 21. Geburtstag, erlebte ich zum ersten Mal –
damals natürlich noch unbewusst – das Walten des Schicksals.
Seitdem
stehen Rudolf Steiner und die Anthroposophie im Zentrum meines Lebens und
Strebens. Dabei bin ich gewiss sicher oftmals abgeglitten, habe mich immer
wieder auf Abwegen verrannt oder mich furchtbar geirrt, fühlte mich auch oft „abgehoben“:
Auf meinem Weg zum Zentrum der Anthroposophie wurde meine Seele heftig geprüft.
Aber es scheint mir, dass ich alle Krisen gut überstanden habe, ohne dass je
ein Zweifel an Rudolf Steiner und seiner Geisteswissenschaft in mir aufgetreten
wäre.
Ich
denke, es geht vielen Menschen, die mit diesem überragenden Geist in Berührung
kommen, ähnlich.
Der
anthroposophische Schulungsweg ist ein Weg voller Hürden, voller großer und
kleiner Prüfungen und eins ist gewiss: man hört sein ganzes Leben lang nicht
auf zu lernen.
Was ich
bisher veröffentlicht habe, waren persönliche Zeugnisse.
Ich
glaube, es ist die Zeit gekommen, dass wir offen und öffentlich über solche
individuellen Erfahrungen austauschen können. Für solch einen Austausch dürfen
solche Zeugnisse als Grundlage dienen, denke ich.
Vielleicht
kann man durch solche Berichte der Frage nach dem Karma und nach der eigenen
ewigen Individualität näher kommen, die jeden umtreibt, der sich ernsthaft –
und nicht nur theoretisch-intellektuell – mit Anthroposophie beschäftigt.
Die
Frage, wer ich bin, stellte sich mir
mein ganzes Leben lang. Die Frage, wer ich war,
ist noch unbeantwortet, aber ich weiß, dass ich Rudolf Steiner sehr nahe stehe.
Alles andere ist für mich im Augenblick zweitrangig und ich denke, eine definitive
Antwort wird mir möglicherweise eines Tages „von außen“ zufliegen, wenn ich es
gar nicht mehr wissen „will“.
So ist
das Leben.
[1] „Vor 26 Jahren, mit 21, hatte ich ein
nahtodesähnliches Erlebnis im Vollbewusstsein (also ohne klinischen Tod). Ich
kenne die Liebe des jenseitigen Lichts! Es ging um schicksalsmäßig entdeckte
Reinkarnation. Außerordentlich viele und differenzierte soziale Kompetenzen
konnte ich mit diesem Impuls durch das vierjährige Studium der "Sprachkünstlerischen
Therapie" in der Anthroposophie erwerben. Danach lieferte ich auch
grundlegende Ansätze zur Revolutionierung der Anthroposophie mit meiner
Biographie "Persönliche Lichtstrahlen" und dem Buch "Das letzte
Geheimnis über Mann und Frau", das ich gerne als Doktorarbeit bezeichne.
Im Zuge dessen durfte ich Vorträge und Seminare abhalten. Nebenbei arbeitete
ich ungelernt 20 Jahre sehr einsatzfreudig in der Altenpflege. Durch all das
war ich immer etwas außen vor vor dem sonstigen Leben, pflegte aber Beziehungen
zu Menschen darin.
Nach dem Tod meiner
Mutter im Mai 2017 habe ich das ungelernte Berufsleben und die
anthroposophische Vergangenheit hinter mir gelassen und die musische und
soziale Priorität aus meinem Berufsleben drastisch reduziert. Im Juli 2018
startete ich eine Umschulung zur Steuerfachangestellten mit großer Lust dazu,
noch tiefer in die Welt einzutauchen. Es hat etwas mit den Gehirnhälften zu
tun. Ich stärke nun die linke Gehirnhälfte. Erfolg: Notendurchschnitt 1,29.
Durch meine vergangenen
öffentlichen Mitteilungen und aus meinem biographischen Buch, das noch immer
käuflich zu erwerben ist, gibt es Menschen, die wissen, um wen es in meiner
Reinkarnationserfahrung geht. Man könnte nun die Frage stellen oder weiterhin
die Behauptung aufstellen, das mein jetziger Lebenswandel umso eindeutiger die
Unwahrscheinlichkeit dieser Reinkarnations-Interpretation der früheren
Ereignisse zeigen würde. Dem ist nicht so. Für weitere Informationen stehe ich
gerne persönlich zur Verfügung.“
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