Mittwoch, 23. Januar 2019

Wie ich zu Rudolf Steiner fand


Schwäbisch Hall, der 24. Januar 2019 (Donnerstag, 4.06 Uhr)

Warum drängt mich etwas, die Erinnerungen und Gedanken, die gerade in diesen Tagen meine Seele erfüllen, aus dem Dunkel meines privaten Tagebuchs ins helle Licht der Öffentlichkeit zu stellen? Diese Frage treibt mich seit gestern um und so bin ich heute Morgen um 3.30 Uhr aufgewacht und versuche nun, mir selbst darüber Rechenschaft abzugeben.
Auslöser war – wie bereits gesagt – die „biografische Notiz“ von Wibke Reinstein vom 19. Januar 2019.[1] Durch ihren Mut und ihre Offenheit konnte ich selbst etwas anschauen, das mich nun schon seit 33 Jahren bewegt und manchmal sogar „plagt“: wer war ich in einem früheren Leben?
Anthroposophie war für mich nie Theorie. Ich habe die Bücher und Vorträge Rudolf Steiners immer so gelesen, dass ich von ihrer geistigen Wahrhaftigkeit berührt war. Alles leuchtete mir unmittelbar ein, obwohl ich mich nicht als Intellektuellen bezeichnen würde. Ich habe die Mitteilungen aus der geistigen Welt, die Rudolf Steiner in all seinen schriftlichen und mündlichen Äußerungen den Menschen übermittelte, immer als das genommen, was sie waren: in die Sprache der Menschen übersetzte Botschaften der Hierarchien. Alles, was ich etwa hundert Jahre, nachdem es geschrieben oder gesprochen worden war, las – ich begann mit der Lektüre der „Erkenntnistheorie der goetheschen Weltanschauung“ aus dem Jahr 1886 im Rahmen eines „Studium Generale“ an der Universität Stuttgart ungefähr im Jahr 1976 – nahm ich als das auf, was es offensichtlich ist.
Die Arbeit an dieser Grundschrift hatte ich nicht von mir aus gesucht. Sie kam gleichsam auf mich zu. Durch meinen Lehrer Bertolt Hasen-Müller war ich 1972 auf das Buch „Substanzenlehre“ von Rudolf Hauschka hingewiesen worden. Als ich in Stuttgart am Alexanderplatz in der Nähe der Uhlandshöhe meinen Zivildienst absolvierte, wanderte ich kurz nach meinem 21. Geburtstag eines Vormittages im April 1973 auf der Hausmannstraße nach Osten. Mein Dienst als Zivi lag eher am Nachmittag und am Abend, so dass ich vormittags in der Regel frei hatte. Beim Spaziergang entdeckte ich voller Erstaunen die erste Waldorfschule, die ich vom Hörensagen nur vage kannte, kam auch zum „Rudolf-Steiner-Haus“ mit dem „Eurhythmeum“ und gelangte schließlich zur Buchhandlung am Urachhausplatz. Ich hatte zuvor noch nie eine anthroposophische Buchhandlung betreten.
Dort fragte ich nach dem genannten Buch aus dem Vittorio Klostermann-Verlag. Aber es war nicht mehr lieferbar. Eine andere Kundin, die sich gerade in der Buchhandlung des Urachhausverlages aufhielt, hörte mein Anliegen und wandte sich mir zu: Sie könne mir das Buch schenken, denn sie habe es aus dem Nachlass ihres verstorbenen Mannes übernommen. Ich war hoch erfreut.
Die ältere Dame gefiel mir und ich fasste sofort Vertrauen zu ihr. Sie lud mich ein, mit ihr nach Hause zu kommen. So gelangte ich mit ihr zum „Priesterseminar der Christengemeinschaft“.
Verwundert betrat ich das architektonisch ungewöhnliche Gebäude und tauchte mit meiner Begleiterin in eine Wohnatmosphäre ein, wie ich sie bis dahin noch nicht erlebt hatte und die mir trotzdem sofort vertraut vorkam. Mir war schon aufgefallen, dass die Dame, die hier in der verwaisten Wohnung ihres Mannes lebte, einen besonderen Sprachakzent hatte, jedoch trotzdem ein außergewöhnlich schönes und nahezu korrektes Deutsch sprach. Von sich aus erklärte sie mir, als hätte sie meine unausgesprochene Frage vernommen, dass sie gebürtige Russin war.
Alles war für mich neu und aufregend. In den Regalen standen eine Unmenge Bücher. Mit sicherem Griff zog sie die „Substanzenlehre“ heraus und dazu noch drei andere Taschenbücher aus einem anderen Fach. Ich hatte bis zu diesem Tag noch nie eine Buchausgabe mit einer Schrift Rudolf Steiners gesehen. Die drei weißen Bändchen waren wohl auch die ersten Taschenbuchausgaben seiner Schriften im Verlag Freies Geistesleben: „Die Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, „Die Philosophie der Freiheit“ und „Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums“.
Alle vier Bücher schenkte mir die Dame. Ich war verzaubert von ihr und der ganzen Umgebung, in die ich hier durch „Zufall“ geraten war. Glücklich lief ich mit meinem Schatz zurück in die Unterkunft am Alexanderplatz. Dort kassierte ich als erstes eine Rüge, weil ich so lange weg gewesen war, ohne mich formell abzumelden. Ich hatte, wie ein Kind, die Zeit total vergessen.
In den Einbänden der vier Bücher, die ich geschenkt bekommen hatte, stand mit Bleistift geschrieben der Name des Vorbesitzers: Gottfried Husemann. Ich hatte seine Witwe Luba getroffen.
So waren die ersten drei Bücher Rudolf Steiners, ohne dass ich sie gesucht hatte, zu mir gekommen.
Ich habe später andere Menschen aus meinem Umkreis gefragt, wie sie auf Rudolf Steiner gestoßen waren und hatte immer wieder ähnliche Geschichten gehört.
Später wurde mir bewusst: Rudolf Steiner sucht die Menschen, die zu ihm gehören, selbst aus, auch wenn er schon lange „tot“ ist. Ich begriff, bei diesem Menschen handelte es sich um eine absolute Ausnahme-Persönlichkeit. An diesem Tag, unmittelbar nach meinem 21. Geburtstag, erlebte ich zum ersten Mal – damals natürlich noch unbewusst – das Walten des Schicksals.
Seitdem stehen Rudolf Steiner und die Anthroposophie im Zentrum meines Lebens und Strebens. Dabei bin ich gewiss sicher oftmals abgeglitten, habe mich immer wieder auf Abwegen verrannt oder mich furchtbar geirrt, fühlte mich auch oft „abgehoben“: Auf meinem Weg zum Zentrum der Anthroposophie wurde meine Seele heftig geprüft. Aber es scheint mir, dass ich alle Krisen gut überstanden habe, ohne dass je ein Zweifel an Rudolf Steiner und seiner Geisteswissenschaft in mir aufgetreten wäre.
Ich denke, es geht vielen Menschen, die mit diesem überragenden Geist in Berührung kommen, ähnlich.
Der anthroposophische Schulungsweg ist ein Weg voller Hürden, voller großer und kleiner Prüfungen und eins ist gewiss: man hört sein ganzes Leben lang nicht auf zu lernen.
Was ich bisher veröffentlicht habe, waren persönliche Zeugnisse.
Ich glaube, es ist die Zeit gekommen, dass wir offen und öffentlich über solche individuellen Erfahrungen austauschen können. Für solch einen Austausch dürfen solche Zeugnisse als Grundlage dienen, denke ich.
Vielleicht kann man durch solche Berichte der Frage nach dem Karma und nach der eigenen ewigen Individualität näher kommen, die jeden umtreibt, der sich ernsthaft – und nicht nur theoretisch-intellektuell – mit Anthroposophie beschäftigt.
Die Frage, wer ich bin, stellte sich mir mein ganzes Leben lang. Die Frage, wer ich war, ist noch unbeantwortet, aber ich weiß, dass ich Rudolf Steiner sehr nahe stehe. Alles andere ist für mich im Augenblick zweitrangig und ich denke, eine definitive Antwort wird mir möglicherweise eines Tages „von außen“ zufliegen, wenn ich es gar nicht mehr wissen „will“.
So ist das Leben.



[1]Vor 26 Jahren, mit 21, hatte ich ein nahtodesähnliches Erlebnis im Vollbewusstsein (also ohne klinischen Tod). Ich kenne die Liebe des jenseitigen Lichts! Es ging um schicksalsmäßig entdeckte Reinkarnation. Außerordentlich viele und differenzierte soziale Kompetenzen konnte ich mit diesem Impuls durch das vierjährige Studium der "Sprachkünstlerischen Therapie" in der Anthroposophie erwerben. Danach lieferte ich auch grundlegende Ansätze zur Revolutionierung der Anthroposophie mit meiner Biographie "Persönliche Lichtstrahlen" und dem Buch "Das letzte Geheimnis über Mann und Frau", das ich gerne als Doktorarbeit bezeichne. Im Zuge dessen durfte ich Vorträge und Seminare abhalten. Nebenbei arbeitete ich ungelernt 20 Jahre sehr einsatzfreudig in der Altenpflege. Durch all das war ich immer etwas außen vor vor dem sonstigen Leben, pflegte aber Beziehungen zu Menschen darin.
Nach dem Tod meiner Mutter im Mai 2017 habe ich das ungelernte Berufsleben und die anthroposophische Vergangenheit hinter mir gelassen und die musische und soziale Priorität aus meinem Berufsleben drastisch reduziert. Im Juli 2018 startete ich eine Umschulung zur Steuerfachangestellten mit großer Lust dazu, noch tiefer in die Welt einzutauchen. Es hat etwas mit den Gehirnhälften zu tun. Ich stärke nun die linke Gehirnhälfte. Erfolg: Notendurchschnitt 1,29.
Durch meine vergangenen öffentlichen Mitteilungen und aus meinem biographischen Buch, das noch immer käuflich zu erwerben ist, gibt es Menschen, die wissen, um wen es in meiner Reinkarnationserfahrung geht. Man könnte nun die Frage stellen oder weiterhin die Behauptung aufstellen, das mein jetziger Lebenswandel umso eindeutiger die Unwahrscheinlichkeit dieser Reinkarnations-Interpretation der früheren Ereignisse zeigen würde. Dem ist nicht so. Für weitere Informationen stehe ich gerne persönlich zur Verfügung.“


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