Der Mensch ist ein übersinnliches
Wesen, das mit anderen übersinnlichen Wesen verbunden (Religio) ist. Immer mehr
Menschen werden sich dieser Tatsache bewusst. Der Körper ist nur eine Hülle,
mit denen sich die Wesen umgeben. Im Kern aber sind alle Wesen übersinnlich:
vom Mineral über die Pflanze und das Tier bis zum Menschen. Erst wenn ich das
erkannt habe, kann ich in mir erleben, welche „Mission“ ich habe, denn jedes
übersinnliche Wesen hat eine Mission, für das es sich vor der Geburt entschieden
hat (nicht nur Greta Thunberg).
Dann brauche ich im Grunde keine Kirche
mehr: „Alle Menschen, die in sich den Christus erleben, dürfen sich vereint fühlen
in einer (unsichtbaren) Kirche“, heißt es im „Credo“ der Christengemeinschaft.
Gestern Abend gegen 18.40 Uhr, als ich
müde und abgearbeitet auf dem Sofa lag und eine interessante Sendung über den
Skandal des Buches „Lady Chatterlys Liebhaber“ von D.H. Lawrence[1] in der Arte-Mediathek anschaute, fiel mir
plötzlich ein, dass es um 19.00 Uhr in der Christengemeinschaft einen Vortrag
von Wolfgang Gädeke aus Kiel gab, zu dem ich gehen wollte, weil an diesem
Dienstag mein Russisch-Kurs wegen der Herbstferien ausfiel.
Wolfgang Gädeke habe ich vor vielen
Jahren schon einmal in Stuttgart sprechen gehört. Er verwaltet das Archiv der
Christengemeinschaft und hat insbesondere über den angeblichen Konflikt
zwischen Christengemeinschaft und Anthroposophischer Gesellschaft geforscht und
publiziert. Der Konflikt war dadurch entstanden, dass verschiedene Aussagen
Rudolf Steiners von maßgeblichen Mitgliedern beider Strömungen missverstanden
worden waren.
An diesem Abend sprach Wolfgang Gädeke
über das Thema „Religion? Ja. Aber Kirche?“
Zum Vortrag waren etwa 50 Zuhörer
gekommen, vorwiegend Mitglieder der hiesigen Gemeinde. Fremde sah ich fast
keine. Der noch recht frisch wirkende, langjährige emeritierte Priester der
Christengemeinschaft sprach frei und führte seine Gedanken wie ein Musikstück
am Thema entlang logisch in einer Sprache aus, die jeder Zuhörer verstehen
konnte. Es war ein Vortrag für die Öffentlichkeit, kein interner. Obwohl er im
Kirchenraum sprach und wir Zuhörer mit dem Rücken zum Altar in einem Halbkreis
um den Redner saßen, blieb er verständlich und ohne allzu gewagte Ausflüge in
die Esoterik. Das ist auch gar nicht nötig, denn, wie ich schon oben, seinen
wichtigsten Gedanken aufgreifend, festgestellt habe, haben alle Wesen nicht nur
eine materiell-körperliche Seite, sondern auch eine seelisch- und eine
geistig-übersinnliche. Nur der Körper ist sichtbar und tastbar, aber schon die
Gefühle und erst recht die Gedanken gehören einer nicht sinnlichen Sphäre an,
in der auch die anderen geistigen Wesen, die man Elementarwesen, Engel oder
Götter nennen kann, leben. Dort begegnen wir auch den Verstorbenen, die uns
einst in ihrem irdischen Leben nahe standen.
Wenn man aufmerksam darauf wird, kann
man diese anderen geistigen Wesen immer wieder im eigenen Leben erleben. Das sind dann
bereits die ersten übersinnlichen Erlebnisse; das habe jedoch nichts mit
„Stimmen hören“ zu tun. Allerdings gäbe es immer mehr Menschen, die jemanden
sehen, der etwas Wichtiges zu ihnen sagt, und dann plötzlich wieder
verschwunden ist.
Drei solcher Beispiele führt Wolfgang
Gädeke an: Das erste ist ein Erlebnis, das der Ulmer Beamte Udo Wiczorek in
seinem Buch „Seelenvermächtnis“ (1997) beschreibt. Als er einmal mit seiner
Frau auf den Höhen der Dolomiten in Südtirol unterwegs war, sprach ihn ein Mann
an, der auf einer Bank saß. Als er seine Rede im Weitergehen noch bewegte,
drehte sich Udo Wiczorek noch einmal nach ihm um, aber außer der Bank war
weit und breit niemand zu sehen. Wolfgang Gädeke hat – so berichtet er –
zweimal mit dem Autor, der kein Anthroposoph ist, telefoniert, um Näheres zu erfahren.
Das zweite Beispiel, das er erwähnt,
hat ihm eine Frau erzählt, die zusammen mit drei anderen Frauen in der
Entbindungsstation der anthroposophischen Filderklinik lag. Da trat ein ihr völlig fremder Mann
an sie heran und sagte, sie solle ihr Kind, wenn es dann geboren ist, drei
Jahre lang stillen. Danach ging der Fremde zu den drei anderen Frauen im
Zimmer. Das Merkwürdige war, dass die Erzählerin die anderen Frauen durch den
Mann hindurch sehen konnte. Als er mit allen drei Frauen gesprochen hatte, war
er plötzlich verschwunden. Die Berichterstatterin hat anschließend ihre
Zimmernachbarinnen gefragt: alle drei hatten den Mann gesehen.
Das dritte Beispiel handelt von dem
Kind einer Frau eines Christengemeinschaftspriesters der ersten Generation. Als
sie beim Bügeln war, kletterte das etwa drei- oder vierjährige Bübchen auf die
Brüstung des geöffneten Fensters und stürzte aus dem zweiten Stock mehrere
Meter in die Tiefe. Die Mutter rannte sofort hinaus. Da stand der Junge völlig unversehrt
und strahlte. Die Mutter sagte erstaunt: „Du hast aber einen guten
Schutzengel!“
Der Bub erwiderte: „Zwei, Mama!“
Es gibt in unserer Zeit, in der die traditionellen
Kirchen ihre Mitglieder verlieren, viele Menschen, die solche Erlebnisse haben und
wieder beginnen zu glauben. Eine Kirche ist dann nur noch dazu da, die Sakramente
(Taufe, Konfirmation, Trauung, Beichte, Priesterweihe, das Abendmahl und die letzte
Ölung) zu spenden, die den Gläubigen an Leib, Seele und Geist zu stärken vermögen.
[1] Die Erzählung
hatte der britische Autor bereits im Jahre 1928 in Florenz, wo er damals lebte,
als Privatdruck veröffentlicht, sie wurde aber in Großbritannien sofort
verboten und durfte erst im November 1960 nach einem spektakulären
Gerichtsprozess in London bei Penguin-Books unzensiert erscheinen. Ein anglikanischer
Bischof, der beim Prozess aussagte, meinte, D.H. Lawrence habe in seinem Buch tiefe
religiöse Gefühle vermittelt, sowohl, was die Beziehung des Menschen zur Natur ,als
auch, was die (sexuelle) Beziehung zwischen Mann und Frau anbelangt. In dem Film „Der Prozess der Lady Chatterly – Orgasmus und Klassenkampf
in einem englichen Garten“ von Mathilde Demoisel (Frankreich 2019) wird der Prozess
minutiös nachgearbeitet: https://www.arte.tv/de/videos/085404-000-A/der-prozess-der-lady-chatterley/
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