In den SWR2-Nachrichten hörte ich
eben, dass US-Präsident Trump „not amused“ sei über das mysteriöse Verschwinden
des saudi-arabischen Journalisten Jamal Kashoggi am 2. Oktober aus der
saudischen Botschaft in Istanbul. Seit diesem Tag wurde der Mann nicht mehr
gesehen. Es wird, gestützt auf Aussagen der türkischen Polizei, berichtet, dass
ein 15-köpfiges Kommando Saudi-Arabiens am 2. Oktober in das saudische Konsulat
eingedrungen sei, Kashoggi ermordet und seinen Körper in Stücke gesägt habe. Ob
das stimmt, ist unklar. Donald Trump sagte nun, Saudi-Arabien werde hart
bestraft werden, wenn sich diese Geschichte als wahr herausstelle. Gleichzeitig
würde es sich der US-Präsident dabei jedoch mit der amerikanischen
Rüstungsindustrie verderben, die Waffen
in der Höhe von mehreren Milliarden an die Wüstenprinzen verkaufen möchte.
Der 1958 geborene Jamal Kashoggi war
ein kritischer Journalist, der 2017 freiwillig ins US-amerikanische Exil ging. Sein
türkischstämmiger Vater war Leibarzt des Königs Abdulaziz al Saud, sein Onkel
der Waffenschieber Adnan Kashoggi und sein Cousin Dodi Fayed, der Geliebte von
Prinzessin Diana. Schon diese Verwandtschaftsverhältnisse zeigen die intimen
Zusammenhänge zwischen der saudischen Elite und westlichen Staaten wie Großbritannien
und den USA an. Michael Lüders[1] geht in
seinem neuesten Buch „Armageddon im Orient – Wie die Saudi-Connection den Iran
ins Visier nimmt“, das ich gerade lese, in dem Kapitel „Schmutzige Geschäfte“
näher auf diese Verbindungen ein. Er schreibt:
„Sowohl der präsidiale Bush-Clan
(George H.W. Bush wurde 1989 der Nachfolger Ronald Reagans im Präsidentenamt)
wie auch die saudische Führung waren in die ‚Iran-Contra-Affäre‘ verwickelt.
Und sie waren Schlüsselfiguren bei den Absprachen im Afghanistankrieg, ohne den
es Osama Bin Ladens Aufstieg kaum gegeben hätte. Ein entscheidender
Strippenzieher: Prinz Bandar, der saudische Botschafter in Washington. Auch bei
den amerikanischen Waffenlieferungen im irakisch-iranischen Krieg hatte er die
Finger im Spiel. Ebenso beim Sturz Saddam Husseins. Nicht zu vergessen die
Evakuierung hochrangiger Saudis aus den USA unmittelbar nach 9/11 und die
Blockade aller juristischen Versuche, die saudische Führung für die Anschläge
zur Rechenschaft zu ziehen.
Oberstes Gebot solcher
Schattenaktivitäten war stets die Diskretion. Nichts sollte an die
Öffentlichkeit gelangen. Geschah das doch, was in der Regel einige Jahre
zeitversetzt der Fall war, schlossen sich die Reihen innerhalb des politischen
Establishments. Kein demokratischer Präsident hat jemals die Machenschaften
eines republikanischen Vorgängers aufgeklärt, und umgekehrt. Leugnen,
abwiegeln, als geheim deklarieren – dieser Dreischritt genügte in der Regel, um
Justiz und Medien zufriedenzustellen. In den 1980er Jahren entstand jener
giftige Cocktail, der dem Nahen und Mittleren Osten immer wieder blutige
Katastrophen, den USA 9/11 und den Europäern einen anhaltenden Flüchtlingstreck
aus der Region beschert hat. Zu den Zutaten gehören: ein explodierendes Budget
für CIA und NSA, eine verdeckte und zunehmend privatisierte Kriegsführung, die
Transformation vor allem der arabischen Golfstaaten in einen Waffenbasar, die
Zusammenarbeit mit verbrecherischen Bankenvertretern, Drogenhändlern und
windigen Waffenschiebern wie dem Saudi Adnan Kashoggi, einem Männerfreund Prinz
Bandars. Kashoggi hat ein Vermögen an der ‚Iran-Contra-Affäre‘ verdient, dem
Highlight imperialer Politik unter Reagan und dessen Vizepräsidenten H.W. Bush.
Und noch ein Muster zeichnet sich ab.
Die Amerikaner verkaufen nukleare Technologie an den Iran unter dem Schah. Noch
Jahrzehnte später drohen sie mit Krieg, um rückgängig zu machen, was sie selbst
eingeleitet haben. Sie liefern Geld und Waffen an dubiose Mudschahidin, die
anschließend den Terror in die USA tragen, woraufhin die Amerikaner diesem
Terror den Krieg erklären. Solange Saddam Hussein Krieg führte gegen den Iran,
war er ihr Verbündeter. Als er allerdings mit Kriegsende 1988 pleite war und
weder Washington noch Riad die Bereitschaft zeigten, ihm einen finanziellen
Ausweg zu ebnen, überfiel er zwei Jahre später die amerikanische Tankstelle
Kuweit – um die leere Staatskasse wieder aufzufüllen. In den westlichen Medien
wie auch der Politik avancierte er daraufhin umgehend zum ‚zweiten Hitler‘.
Hier zeigt sich der ‚Fluch der bösen Tat‘, wie es die Reporterlegende Peter
Scholl-Latour nannte. Eine Intervention zieht die nächste nach sich. Erst
werden Probleme geschaffen, deren vermeintliche Lösung anschließend noch ganz
andere, weitaus gefährlichere Krisen herbeiführt: ein Teufelskreis, aus dem sich
die US-Außenpolitik bis heute nicht befreien konnte oder wollte. “[2]
Ich denke, dass dem derzeit regierenden amerikanischen Präsidenten und seinen Kollegen aus den „Boys-Clubs“
(Andy Thomas) bald das Lachen vergehen wird, wenn sich ihre „lustige“ Politik
in einem Armageddon entlädt, auf das sie, beflügelt von evangelikalen
Endzeitvisionen, zielstrebig zuzusteuern scheinen, wie Michael Lüders in seiner
neuesten, tiefgehenden Analyse des nahöstlichen Pulverfasses, in dem auch
Israel eine Schlüsselrolle zukommt, glaubhaft darlegt.
[1] Der ehemalige
Nahost-Korrespondent der „Zeit“ ist in der Nachfolge von Peter Scholl-Latour derzeit
Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und ein ausgewiesener Nahostexperte.
Seine Bücher „Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet“ (C.H.
Beck, München 2015) und „Die den Sturm ernten – Wie der Westen Syrien ins Chaos
stürzte“ (C.H. Beck, München, 2017) erlangten hohe Auflagen und sind das Beste,
was man zurzeit über die Problematik lesen kann, wenn man einen kompetenten Ein-
und Überblick bekommen möchte.
[2] Michael Lüders, Armageddon im Orient – Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt, C.H. Beck, München 2018, S. 55ff
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