Freitag, 26. Oktober 2018

Bemerkungen zum Historikerstreit



Als ich am Freitagabend (26.10.2018) gegen 21.00 Uhr von meinem Deutschkurs zurückkam, schaute ich noch in meine Mailbox und fand einen Link von Günter Zemella, dem ich meinen letzten Text („Propaganda vs. Geschichte“) gesandt hatte. Er hat mich auf ein Porträt des feinsinnigen Historikers Ernst Nolte aufmerksam gemacht, das im Jahre 2013 von BRAlpha ausgestrahlt wurde.
Ich schaute mir den etwas länger als 60 Minuten dauernden, einfühlsamen Film von Andreas Christoph Schmidt an, in dem nicht nur die Bedeutung von Ernst Nolte als Historiker, sondern auch der sogenannte Historikerstreit von 1986 bis 1988 behandelt wurde, der bis heute die Zunft und die Gesellschaft spaltet und der Ernst Nolte in der deutschen Geschichtswissenschaft zu einer „persona non grata“ gemacht hat. Wieder geht der Angriff auf die Objektivität von Noltes Geschichtsauffassung von jüdischen Forschern aus, die sich gegen die angebliche Relation der „Einmaligkeit des Holocaust“ wehren, allen voran der Adorno-Schüler Jürgen Habermas. Ich kannte den Ausdruck „kausaler Nexus“, den Ernst Nolte in die Geschichtsforschung eingeführt hatte, noch nicht, aber seit ich das mit seinem Vorwort versehene Buch von Johannes Rogalla von Bieberstein über den „Jüdischen Bolschewismus“ gelesen habe, ist mir klar, dass es lange vor dem Nationalsozialismus Lager und Massenmord im Namen einer Ideologie gab, die vor allem von Juden vertreten wurde.
In dem Film kommen auch zwei jüdische Persönlichkeiten zu Wort, deren emotionalen Statements in einem starken Kontrast zu Noltes besonnener, um Verstehen ringende Art standen: George Steiner und Elie Wiesel.
Über die bewusste Erhebung des Holocaust in den Rang einer Ersatzreligion schreibt auch Norman Finkelstein in seinem 2001 erschienenen und von Vertretern jüdischer Organisationen heftig angefeindeten Buch „Die Holocaust-Industrie – Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird“. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der auch in dem Porträt des deutschen Historikers mehrmals mit seiner Position gezeigt wird: Elie Wiesel.
Finkelstein schreibt (a.a.O. S 53f):
„Nur ein Katzensprung trennt die Behauptung, der Holocaust sei einzigartig, von der Behauptung, der Holocaust sei rational nicht zu begreifen. Wenn es kein dem Holocaust vergleichbares geschichtliches Ereignis gibt, dann muss er darüberstehen und kann folglich nicht von der Geschichte erfasst werden. In der Tat, DER HOLOCAUST ist einzigartig, weil er unerklärlich ist, und er ist unerklärlich, weil er einzigartig ist.“
Hier begegnet mir wieder eine Art von Argumentation, die mir als rein formallogisch vorkommt. Allmählich verstehe ich, wieso Jesus Christus immer wieder Auseinandersetzungen mit den jüdischen „Schriftgelehrten“ hatte, die ihre intellektuellen Gaben für ein Bücherwissen und eine Argumentation verwendeten, die man nur als spitzfindig bezeichnen kann. Andere haben das Wort von der „Rabulistik“ dafür geprägt, das sich auf die Rabbis bezieht, deren lebenslange Hauptbeschäftigung die Auslegung der Thora war.
Finkelstein schreibt weiter:
„Novick hat diese Mystifizierung ‚Heiligsprechung des Holocaust‘ getauft, und Elie Wiesel ist ihr erfahrenster Fürsprecher. Für Wiesel ist DER HOLOCAUST, wie Novick zu Recht anmerkt, wirklich eine ‚Mysterien‘-Religion. So intoniert Wiesel, dass DER HOLOCAUST ‚in die Finsternis führt‘, ‚alle Antworten verweigert‘, außerhalb, wenn nicht jenseits der Geschichte liegt‘, ‚sich dem Wissen wie der Beschreibung widersetzt‘, ‚nicht erklärt oder bildlich vorgestellt werden kann‘, ‚niemals zu erfassen und zu ermitteln‘ sei, eine ‚Zerstörung der Geschichte‘ und eine ‚Veränderung im kosmischen Maßstab‘ markiere. Nur der Priester-Überlebende (sprich: nur Wiesel) ist geeignet, sein Mysterium zu erahnen. Und doch ist das Mysterium DES HOLOCAUST, wie Wiesel bekennt, ‚nicht zu vermitteln‘; ‚wir können noch nicht einmal darüber sprechen‘. Folglich trägt Wiesel in seinen Reden für das Standarthonorar von 25000 Dollar (plus Limousine mit Chauffeur) vor, dass das ‚Geheimnis‘ von Auschwitz‘ ‚Wahrheit im Schweigen liegt‘.
Aus dieser Perspektive läuft ein rationales Verständnis DES HOLOCAUST darauf hinaus, ihn zu leugnen. Denn eine rationale Annäherung leugnet die Einzigartigkeit und das Mysterium DES HOLOCAUST. Und wer diesen HOLOCAUST mit dem Leiden anderer vergleicht, begeht für Wiesel ‚absoluten Verrat an der jüdischen Geschichte‘."
Wenn ich solche Überlegungen lese, wird mir bewusst, wie sehr auch ich jahrelang – vollkommen unbewusst – mit einer „Schere im Kopf“ die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte vermied. Da ich mir jedoch keine Denkverbote auferlegen lassen will, habe ich vor ein paar Jahren begonnen, mich dieser Geschichte behutsam anzunähern, allerdings gleichzeitig auch der Geschichte Russlands und der Sowjetunion.
Das erste bedeutende Buch, das Ernst Nolte veröffentlichte, handelte vom „Faschismus in seiner Epoche“. In der 1961 erschienen Untersuchung unterscheidet er konzis zwischen dem italienischen und dem deutschen Faschismus, die ganz unterschiedliche Wurzeln hätten. In der Sowjetunion wurde der Begriff, wie ich von Lena weiß, in einer anderen Bedeutung benützt: „Faschisten“ waren alle, die rechts waren. Der Begriff „Faschismus“ war in manchen populären Reden gleichbedeutend mit Kapitalismus. Der Sozialismus war dagegen die bessere Form einer klassenlosen Gesellschaft, in der es angeblich die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nicht mehr gab. Linke Historiker unterscheiden nicht einmal mehr zwischen Faschismus und Sozialismus, sondern sprechen von „Totalitarismus“, einem Begriff, der alle Unterschiede verwischt.
All das wurde mir beim Ansehen des Porträts Ernst Noltes gestern Abend deutlich. Ich schrieb Günter Zemella, der mir diesen wertvollen Link zugesandt hatte, eine Dankesmail.

Ernst Nolte wurde aufgrund seines Buches „Der Faschismus in seiner Epoche“ 1965 als ordentlicher Professor an die Universität Marburg berufen, wo der Historiker Wolfgang Abendroth lehrte. An der "linken" Universität Marburg lehrte im Fach Germanistik bis 1975 auch mein hochverehrter Lehrer Professor Heinz Schlaffer. 
Ernst Nolte ist im Jahre 1923 geboren. Das Porträt von Andreas Christoph Schmidt wurde anlässlich seines 90. Geburtstages am 13. Januar 2013 ausgestrahlt.

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