Gestern (15.10.) Vormittag brachte ich Lena gegen 11.00 Uhr zu ihrem
Zahnarzt Doktor Svenson, der ursprünglich aus Dänemark stammt, aber der
„Schwedensohn“ heißt. Zu diesem freundlichen Menschen, der seinen Patienten von
Anfang an das Du anbietet und sie auch selbst duzt, muss Lena regelmäßig gehen. Ich bringe sie dann immer brav in seine Praxis
und habe dann bisweilen die Gelegenheit, im „Stern“ zu lesen.
Gestern schlug ich das Inhaltsverzeichnis der Ausgabe Nr. 42 vom
10.10.2019 auf und sah, dass mich drei Beiträge
interessierten. Da es bei Lena gestern etwas länger
dauerte als sonst, konnte ich zwei von den drei Reportagen lesen. Am
spannendsten fand ich die Geschichte, die die Journalistin Ulrike Posche über
Greta Thunberg geschrieben hat.
Eigentlich wollte ich mich ja nicht mehr (öffentlich) zu diesem
Mädchen äußern, aber die Formulierungen aus dem „Stern“ bestätigen meine
eigenen „Überlegungen“, wie ich sie am 18. August, dem Todestag meines Vaters,
zum ersten Mal aufgeschrieben (und veröffentlicht) habe.
Im Sternartikel heißt es gleich zu Beginn, die Aussage des Sioux-Indianers
Arvol Looking Horse
indirekt
aufnehmend:
„Die hat uns der Himmel geschickt!“
Dann geht es weiter mit dem Versuch, die sechzehnjährige „Göre“ irgendwie einzuordnen, da sie doch
offenbar ein ziemliches Rätsel ist:
„Mit furchtlosem Blick aus granitgrünen Augen, mit kindlicher
Zornesfalte und schief gezogenem Mund.“
In dieser kurzen äußeren Beschreibung steckt (in der ersten
Hälfte) einerseits Bewunderung, gleichzeitig aber auch (in der zweiten Hälfte)
die schnoddrige Respektlosigkeit heutiger Journalisten.
Dann kommt ein Vergleich, um das Mädchen irgendwie noch besser
verorten zu können. Nicht die Heilige Johanna aus dem 15. Jahrhundert wird hier
als Vergleichsperson herangezogen, wie auch schon geschehen
,
sondern eine literarische Figur, die seit der Verfilmung im Jahr 1968
unzähligen jungen Menschen auf der ganzen Welt den Mut einimpfte, auch einmal
gegen die Erwachsenen zu rebellieren: Pippi Langstrumpf, 1949 von Astrid
Lindgren erfunden und im Film von Olle Hellbom von der Kinderdarstellerin Inger
Nilsson 1968 stilprägend verkörpert.
Ulrike Posche meint jedoch, dass dieser Vergleich nicht aufgeht:
„Eine bezopfte Schwedin, die so gar nichts mit unserer
rothaarigen, sommersprossigen Lieblingsanarchistin gemein hat, mit der wir und
Generationen von Kindern weltweit aufgewachsen sind.“
Mit Pippi Langstrumpf hat Greta Thunberg laut Ulrike Posche offenbar
„nichts gemein“ außer ihrer weltweiten Popularität und ihren Zöpfen. Dabei
erblickte die „Lieblingsanarchistin“ bereits vor 70 Jahren das „Licht der Öffentlichkeit“
in dem Kinderbuch der schwedischen Schriftstellerin, die auch knapp 20 Jahre
später bei den Dreharbeiten des Films beratend zur Seite gestanden hatte. Pippilotta
Rollgardinia Victualia Pfefferminz Ephraimstochter Langstrumpf, wie sie im Deutschen mit vollem
Namen heißt, hat sich tief ins kollektive Unterbewusstsein eingeprägt und es
ist für mich kein Zufall, dass exakt fünfzig Jahre später in der Hauptstadt
Schwedens abermals ein bezopftes Mädchen für Aufmerksamkeit sorgt, allerdings
dieses Mal nicht rothaarig, sondern blond, wie es sich für ein Schwedenmädel
gehört. Manche stoßen sich an ihrem „arischen“ Aussehen und wollen sie in die
Nähe der Nazis rücken.
Ulrike Posche fährt fort:
„Eine, die scheinbar reglos die größte, jawohl, die größte Jugendbewegung
der Menschheitsgeschichte anführt. Von Berlin bis Bangladesch, von Nairobi bis
Neuseeland. Größer als die Kinderkreuzzüge im 13. Jahrhundert, größer als die
Friedensbewegung, der Arabische Frühling und die Achtundsechziger. (…) Wir
sagen: Seit Jesus hat niemand eine so weltumspannende Bewegung ausgelöst wie
die manchmal sehr zornig guckende Greta Thunberg aus Stockholm.“
Und hier nun erinnere ich mich an das Testament von Bernard
Lievegoed („Die Rettung der Seele“), das ich vor nunmehr fast zwei Monaten in
meine Überlegungen einbezog.
Ich schrieb am 18. August:
„Ich versuche, das was geschieht, von einem höheren
Gesichtspunkt aus zu sehen. Wenn ich wieder
irgendwo von Greta Thunberg lese, dann muss ich unwillkürlich daran
denken, was der niederländische Anthroposoph Bernard Lievegoed kurz vor seinem
Tod im Jahr 1992 über eine zu erwartende
weltweite Bewegung ausgesprochen hat und wie es Jan van der Meulen in dem
Bändchen „Die Rettung der Seele“ im Kapitel „Der siebte Tag – Die Aufgabe Manus
in der Zukunft“ aufgeschrieben hat.
Dazu ist zu erläutern, dass Manu
jener große Sonneneingeweihte war, der in der Bibel Noah genannt wird und
während der Sintflut Schiffe bauen ließ, um den untergehenden Kontinent
Atlantis in Richtung Osten zu verlassen und eine neue, die erste
„nachatlantische Kultur“
im heutigen Indien zu
begründen. Dan Lindholm, der norwegische Anthroposoph, hat die indischen Sagen
veröffentlicht, in denen dieser Menschheitsführer Manu heißt.
Bernard Lievegoed sagt:
„Es ist natürlich schwierig, nun
konkret anzugeben, wie der neue Impuls des Manu aussehen wird. Was ich darüber
jetzt sagen werde, muss daher als ein vorsichtiger Versuch gewertet werden.
Doch eines scheint mir sicher: Er wird nicht erscheinen, um eine neue Religion
zu stiften. Ich habe eher den Eindruck, dass er den Impuls zu einer mächtigen
sozialen Bewegung geben wird, die große Teile der Welt umfassen wird. Es könnte
sich dabei um eine Bewegung von Menschen handeln, die der
egoistisch-materialistischen Kultur überdrüssig sind und die das Bedürfnis
haben, eine Kultur auf der Basis des Interesses für den anderen Menschen zu
begründen. (…) Doch ich vermute, dass sich jemand erheben wird, der vielleicht
nicht einmal in politischer Hinsicht so eine große Rolle spielen wird, der aber
imstande ist, große Menschengruppen für soziale Ideale zu begeistern.“
Um Missverständnissen vorzubeugen: ich habe an keiner Stelle
behauptet, Greta sei der wiedergeborene Manu. Ich sehe nur einen Zusammenhang
zwischen ihrem Wirken und dem Impuls des großen Sonneneingeweihten, seitdem das
schwedische Mädchen mit einem Segelboot von der englischen Stadt Plymouth aus
über den Atlantik nach Nordamerika fuhr, also die Fahrt Noahs während der
Sintflut in entgegengesetzter Richtung antrat, um etwas gegen die
Wetterphänomene zu unternehmen, die im Jahre ihrer Geburt (2003) mit einer
wochenlangen Dürre in Mitteleuropa zum ersten Mal eine größere Anzahl von
Menschen (darunter vor allem die Bauern) beunruhigte.
Der Kontinent Atlantis war nach den Forschungen Rudolf Steiners
untergegangen, weil die Menschen das Wetter manipuliert hatten. So war es zu
dem „vierzig Tage“ lang anhaltenden Regen und zu der folgenden Sintflut gekommen, von der das Alte
Testament berichtet (1. Buch Mose, Kapitel 6 und 7) und in der große Teile der
Menschheit ertrunken sind. Nur Noah, seine Familie und die Tiere und Pflanzen,
die er auf seiner Fahrt nach Osten in der „Arche“ mitnahm, überlebten. Danach
sah die Welt ganz anders aus. Die modernen Geowissenschaften bringen die
mythische Sintflut mit dem Abschmelzen der Gletscher nach der letzten Eiszeit
in Zusammenhang, das zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 120 m führte.
Ulrike Posche charakterisiert mit ihrer schönen Empathie
anschließend Greta Thunberg mit Worten, die ich gut nachvollziehen kann:
„Nein, sie ist keine fröhliche Pippi Langstrumpf. Sie ist nicht
gefällig wie manche politisch aktive Teenager vor ihr. Und schon gar nicht ist
die Erfinderin von ‚Fridays for Future‘ gefallsüchtig. Sie ist ‚different‘,
anders. Das hat sie selbst oft erzählt. Vielleicht ist das der Grund für all
das, was geschah, als der Himmel sie uns schickte.“
Es ist unglaublich: eine moderne Journalistin versucht das
Phänomen „Greta“ hier schon zum zweiten Mal mit einem geradezu religiösen Motiv
zu erfassen. Offenbar ist es anders nicht mehr möglich: Das Mädchen hat uns
„der Himmel geschickt“.
Das entspricht genau der Aussage von Arvol Looking Horse, des „spiritual leaders“ der Sioux, der sie
kürzlich bei einer persönlichen Begegnung als „Maphiyata Echiyatan Hin
Win – Woman who came from the Heavens“ bezeichnete (Diese wichtige Information
habe ich nur deshalb, weil sie jemand auf Facebook gepostet hatte).
Aber auch mit der Sprache der
modernen Philosophie versucht Ulrike Posche, dem Phänomen beizukommen. Sie
schreibt etwa in der Mitte ihres Stern-Artikels:
„Der Philosoph Friedrich Hegel
schrieb im 19. Jahrhundert sinngemäß, dass sich die ‚Weltseele‘ in jeder Epoche
eine Figur suche, in der sie Fleisch werden könne. Das klingt, zugegeben,
wieder einmal ziemlich opulent für ein Mädchen, das gerade einmal anderthalb
Meter groß ist. Aber vielleicht verkörpert Greta Thunberg im Moment ja wirklich
jenen ‚Weltgeist‘, der bislang nur durch unsere Diskussionen, Debatten und
Artikel waberte. Das wäre ein ganz schöner Batzen für ein sensibles Geschöpf
mit Kindergesicht, Grübchen und Zopf. Doch noch hält sie es aus.“
Solche Worte klingen in den Ohren
eines Zeitgenossen erst einmal unerhört. Und doch rühren sie in mir etwas an,
das meinen eigenen Empfindungen entspricht. Es sind ganz sachliche Empfindungen,
auch wenn sie wie „Schwärmereien“ erlebt werden können. Wer mit den geistigen
Gesetzen vertraut ist, hat natürlich einen anderen Blick auf die historischen
Ereignisse, deren Zeuge wir sind, als jemand, der noch nie etwas von Rudolf
Steiner gelesen hat. Das als „Phantastik“ abzutun, verbaut dem Zeitgenossen
jedoch den Weg zu den wahren, „hinter den Kulissen wirkenden“ geistigen Wesen
, die die Menschen früher
leiteten und heute nur noch inspirieren.
Eine solche geistige
„Inspiration“ sehe ich hinter den Worten von Ulrike Posche. Sie hat mehr vom
Wesen des schwedischen Mädchens wahrgenommen als ihre Kritiker, die mit dem
Mädchen nicht zurande kommen, und es deshalb mit Spott und Häme überhäufen.
In der Zeitschrift, die ich mir
am Nachmittag gekauft habe, kommt direkt im Anschluss an den Beitrag von Ulrike
Posche ein weiterer Artikel über eine „Umweltbewegung“, die zurzeit die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ganz anders auf sich lenkt als die
Schülerdemonstrationen an den Freitagen. Unter dem Namen „Extinction Rebellion“
begleitet die 2018 in dem Städtchen Stroud in England begründete, straff
organisierte Bewegung mit gezielten „gewaltfreien“ Aktionen die Klimadebatte.
In dem Beitrag eines Autorenteams mit der Überschrift „Wir haben einen Notfall“
heißt es gleich zu Beginn:
„Wer weiß schon, ob der biblische
Noah seine Arche pink angemalt hat. Jedenfalls hatte er der Sintflut etwas
entgegenzusetzen, hat etwas getan und nicht gezögert und gezaudert. Und Pink
sieht doch toll aus. Also malen die Blockadetrupps von ‚Extinction Rebellion‘,
dieser neuen Klimabewegung aus England, rosa Tierbilder auf die mitgebrachte
Holzarche am Großen Stern in Berlin – gleich unter der Siegessäule.“
Ich finde es erstaunlich, dass
hier das Motiv der Sintflut gleich am Anfang herangezogen wird, ja sogar Noah
mit seiner Arche zitiert wird. Später im Text wird Roger Hallam, der etwa
60-jährige „Frontmann und Mitbegründer der Bewegung“ mit den „langen grauen
Haaren“ als „Mahner“ bezeichnet. Die Assoziation zu den alttestamentarischen
Propheten, ja sogar zu Noah drängt sich auf.
Dabei ist mir diese Bewegung
weniger sympathisch als die fast ausschließlich von Jugendlichen getragene
Bewegung der „Fridays for Future“. Was man dieser vorwirft, ist bei jener der Fall: es handelt sich um medienwirksam inszenierte Auftritte mit Kostümierungen
und Straßenblockaden. Schon der Name verrät etwas von jener Dringlichkeit, mit
der auch Greta Thunberg auftritt, wenn sie bei ihrer UN-Rede am 23. 09. 2019 vom
„größten Massenaussterben“ sprach, das den Planeten Erde seit wenigen
Jahrzehnten bedroht. Diese „Extinction“ ist keine „Lüge“, sondern
wissenschaftlich fundierte Realität. So sagt auch der populäre Fernsehmoderator
Dirk Steffens, der die ganze Welt bereist, um seine Sendungen für „Terra X“
aufzunehmen: „Das Artensterben bedroht unsere Existenz“.
Die Lage ist also durchaus ernst. Bewegungen wie „Fridays for
Future“ oder auch „Extinction Rebellion“ tragen dazu bei, dass die Menschen
„wachgerüttelt“ werden, wenn sie irrtümlich meinen, der Zukunft mit dem Denken
der Vergangenheit beikommen zu können. Es geht tatsächlich um nicht mehr und
nicht weniger als um „Die Rettung der Welt“.
Aber bevor die Welt gerettet werden kann, muss die Seele gerettet
werden, sagt Bernard Lievegoed. Dazu ist die Einsicht vonnöten, die Rudolf
Steiner bereits im Jahre 1904 geäußert hat, also etwa hundert Jahre vor der
Geburt von Greta Thunberg, als er über den großen Eingeweihten des
Sonnenorakels sprach:
„Dem Hauptführer (Manu) standen
andere Götterboten zur Seite, welche für die einzelnen Lebenszweige seine
Absichten ausführten und an der Entwicklung der neuen Rasse arbeiteten. Denn es
handelte sich darum, das ganze Leben im Sinne der neuen Auffassung von einer
göttlichen Weltregierung einzurichten. Die Gedanken der Menschen sollten
überall von dem Sichtbaren auf das Unsichtbare hingelenkt werden. Das Leben
wird durch die Naturmächte bestimmt. Von Tag und Nacht, von Winter und Sommer,
von Sonnenschein und Regen hängt der Verlauf dieses menschlichen Lebens ab. Wie
diese einflussreichen sichtbaren Tatsachen mit den unsichtbaren (göttlichen)
Kräften im Zusammenhang stehen und wie der Mensch sich verhalten solle, damit
er diesen unsichtbaren Mächten gemäß sein Leben einrichte: das wurde ihm
gezeigt. Alles Wissen und alle Arbeit sollte in diesem Sinne getrieben werden.
Im Gang der Sterne und der Witterungsverhältnisse sollte der Mensch die
göttlichen Ratschlüsse sehen, den Ausfluss der göttlichen Weisheit. Astronomie
und Witterungskunde wurden in diesem Sinne gelehrt. Und seine Arbeit, sein
sittliches Leben solle der Mensch so einrichten, dass sie den weisheitsvollen
Gesetzen des Göttlichen entsprechen. Nach göttlichen
Geboten wurde das Leben geordnet, wie im Gang der Sterne, in den
Witterungsverhältnissen und so weiter die göttlichen
Gedanken erforscht wurden.“ (Rudolf Steiner, „Aus der Akasha-Chronik“, GA
11)
Hier macht der Geistesforscher
ausdrücklich auf die Bedeutung der Erforschung der „Witterungsverhältnisse“
aufmerksam.
Man kann es auch anders sagen:
Auf die Beobachtung des Himmels.