Samstag, 16. November 2019

Hintermänner


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Der Höhepunkt des Bielefelder Parteitages der Grünen war die Wahl des Duos Habeck/Baerbock zur neuen Doppelspitze der Partei. Robert Habeck, den manche schon als zukünftigen Bundeskanzler sehen, bekam etwas über 90% der Stimmen der Delegierten, Annalena Baerbock (38) sogar das Traumergebnis von 97,1%.[1]
Die Partei hat deutlich signalisiert, dass sie wieder „Regierungsverantwortung“ übernehmen möchte. Dabei kritisiert sie das vor wenigen Tagen von der Koalition verabschiedete „Klimapaket“ als vollkommen unzureichend. Falls die Partei bei den nächsten Bundestagswahlen tatsächlich als zweitstärkste Partei nach der CDU/CSU eine Koalition mit den „Schwarzen“ eingehen könnte, dann läge das ganz im Trend der Bewegung „Fridays for Future“ und vermutlich auch auf der Linie von Greta Thunberg. Gegen diese Bewegung und insbesondere gegen die junge Schwedin hetzen die Rechten, wie man zum Beispiel am Titelbild der neuesten Ausgabe des Magazins „Compact“ ablesen kann, das der gestern erwähnte Jürgen Elsässer zu verantworten hat.
Robert Habeck, der am 2. September 1969 in Lübeck geboren wurde, ist seit 1996 mit der Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Andrea Paluch verheiratet, mit der zusammen er Kinderbücher und Romane schreibt, die stark von skandinavischer und englischer Literatur beeinflusst sind, wie ich auf Wikipedia lese.[2] Der sympathische junge Mann, der an der Universität Freiburg Philosophie und Germanistik studiert hat und an der Universität Hamburg zum Doktor der Philosophie promoviert worden ist, müsste also einen Sinn für das, was in unserer Zeit notwendig ist, haben.
Auch Annalena Baerbock finde ich sehr sympathisch. Sie hätte ich vor knapp einem Jahr in Kirchberg erleben können, wo sie auf einer Veranstaltung von Rudolf Bühler einen Vortrag hielt. Die am 15. Dezember 1980 geborene Frau, die bereits zwei Töchter hat, ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, hat an der Universität Hamburg Politikwissenschaft und öffentliches Recht und an der London School of Economics Völkerrecht studiert, dürfte also auch auf diesem Gebiet eine gewisse Kompetenz haben.
Das Paar strahlte gestern nach der Wahl vor Freude. Diesen Optimismus und dieses Strahlen möge ihm Gott für die „Nach-Merkel-Zeit“ erhalten.
Das Dumme in unserer Zeit, die so dringend den Optimismus für eine friedliche und „nachhaltige“ Zukunft benötigt, ist auf der anderen Seite das Gift, das ständig von gewissen Zirkeln gegen ihre Kritiker verspritzt wird. Diese Netzwerke werden vielleicht in Zukunft eher mit rechtsgerichteten Parteien gemeinsame Sache machen, die gegen die Elektromobilität einstehen und die bisherige Wachstumspolitik der Wirtschaft eher befürworten.
Das beste Beispiel für solche Leute ist der US-Präsident Donald Trump, der als Milliardär Politik als Geschäft sieht und sich bei seinen Entscheidungen nicht um die Natur und das Klima bekümmert. So will er vor allem amerikanisches Erdgas verkaufen, das durch die umweltschädliche Methode des großflächigen „Fracking“ gewonnen wird und torpediert – vermutlich im Auftrag der amerikanischen Ölindustrie – die russische Erdgaspipeline „Nordstream 2“, die kurz vor der Fertigstellung steht. Diese Einmischungspolitik US-amerikanischer Geostrategen in die Politik souveräner Staaten steht auch hinter der Forderung dieser Kreise, dass Deutschland seinen Beitrag zu den Verteidigungsausgaben (der NATO-gelenkten Bundeswehr) auf 2% des Bruttosozialprodukts erhöhen solle, was diese nun willfährig im Haushalt für das Jahr 2020 anstrebt.
Ich weiß nicht, inwieweit der amerikanische Präsident Donald Trump, der mehr aus dem Instinkt als aus dem Intellekt heraus zu handeln scheint, die amerikanische Politik selbstständig gestaltet. Ich vermute vielmehr gewisse Interessen hinter ihm, die ihm das Handeln „einflüstern“.
Da wäre zum Beispiel der wenig bekannte Multimilliardär Robert Mercer, der im Hintergrund die Fäden zieht, wie in der Sendung „Fake America great again“[3], die ich bereits zum zweiten Mal auf Arte gesehen habe, wegen seiner Verbindungen zu Cambridge Analytica, Breitbart News und anderen Firmen aufgezeigt wird.
Robert Mercer ist am 11. Juli 1946 geboren, hat Computertechnologie studiert, bei IBM als Entwickler gearbeitet und gilt als einer der Erfinder von elektronischen Sprachprogrammen wie „Google-Translater“. Er setzt sich auf diesem Gebiet mit seiner Hedgefonds-Firma „Renaissance Technologies“ für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz ein. Er hat nachweislich den englischen Führer der UKIP (UK Independence Party) Nigel Farage in seiner Kampagne zum Austritt Großbritanniens aus der EU („Brexit“) unterstützt und wohl auch die Wahl Donald Trumps in seinem Sinne beeinflusst.
Man darf also in der Politik nicht auf die Leute schauen, die im Vordergrund agieren, sondern vielmehr auf jene „Hintermänner“, die sich wie Robert Mercer meistens bedeckt halten und von denen nur Weniges an die Öffentlichkeit gelangt. Es ist dadurch möglich, dass es immer wieder Menschen wie Edward Snowden, Julian Assange oder auch Christopher Wylie[4] gibt, die solche Hintergründe für eine kritische Öffentlichkeit sichtbar machen. Leider interessieren sich nur wenige dafür, beziehungsweise haben nur wenige wegen ihrer Tagesarbeit die Zeit, sich gründlich zu informieren. So können solche Whistleblower von den Regierungen weiter verfolgt und bedroht werden, wie der „Spiegel“ in seiner neuesten Titelgeschichte (Ausgabe 47 vom 16.11.2019) ausführt.
Ein anderer Film wurde gestern Abend auf Arte wiederholt, den ich bereits einmal gesehen hatte: „Rasputin – Mord am Zarenhof“ von Eva Gerbering (Deutschland 2016)[5].
Der Film verspricht im Fall des Gottesmannes aus Sibirien (geboren am 10. Januar 1869), der bedeutenden Einfluss auf die Zarin Alexandra Fedorowna Romanowa, eine gebürtige Prinzessin aus dem Hause Hessen-Darmstadt, erlangte, weil er es mit seinen geistigen Kräften schaffte, die Bluterkrankheit des einzigen Sohnes und Zarewitch zu heilen, neue Forschungsergebnisse vorzubringen: Der russische Historiker Boris Kolonizki und Olga Utotschkina, die derzeitige Leiterin des Jussopow-Palais in Sankt Petersburg, zeigen auf, dass nach dem Mord an Rasputin am 16. Dezember 1916 mehrere englische Diplomaten Sankt Petersburg fluchtartig verließen. Einer davon war Oswald Rayner, der später die englische Ausgabe der Memoiren von Felix Jussopow[6] lektoriert und übersetzt hat.[7] Der Geheimagent und enge Freund von Jussopows wohnte im Sankt Petersburger Hotel „Astoria“ und verließ Sankt Petersburg überraschend nach dem 16. September 1916.
Felix Jussopow[8], der mit einer Nichte von Zar Nikolaus II. verheiratet, aber eigentlich homosexuell war, galt am Anfang des Jahrhunderts als einer der reichsten Männer der Welt. Er veröffentlichte später im Pariser Exil seine Memoiren[9], in denen er auch seine Version von der Geschichte vom Mord an Rasputin erzählte, die aber nach der Aussage von Olga Utotschkina voller Unwahrheiten ist, weshalb auch die Tochter Rasputins dagegen geklagt hatte (siehe Anmerkung 9).
In dem Film „Rasputin – Mord am Zarenhof“ wird auch darauf hingewiesen, dass Großbritannien kein Interesse daran hatte, dass Russland mit dem Deutschen Reich einen Separatfrieden schließt, wie es Rasputin dem Zaren und seiner Frau empfohlen hatte. Das hätte noch vor dem Kriegseintritt Amerikas am 7. April 1917 den Krieg zugunsten der Mittelmächte erheblich beeinflussen können, denn dann wären die Truppen von der Ostfront an die Westfront verlegt worden und das Deutsche Reich hätte mit Sicherheit über die Entente-Mächte gesiegt. Der Mord an Rasputin am 16. Dezember 1916 war offenbar kriegsentscheidend und ganz im Sinne der alliierten Feinde Deutschlands, die von Großbritannien angeführt wurden.
Dieser Meinung ist auch Willy Wimmer in seinem Buch „Und immer wieder Versailles“, das diese Zusammenhänge aufzeigt. Er führt aus:
„Die Siegerhistorie sucht zu verschleiern, dass dieser Weltkrieg Österreich-Ungarn und dem kaiserlichen Deutschland aufgezwungen wurde. Ein Schweizer Historiker hat dazu einmal sinngemäß formuliert, dass die Geschichte auf Dauer nicht gefälscht werden könne. Ich finde, die europäische Zusammenarbeit darf nicht von dieser Siegerhistorie dominiert werden, so dass daraus Gift für die Zukunft entsteht. Dieses Gift wird heute außerhalb Deutschlands in übelster Weise formuliert, und wir Deutsche werden darauf eine adäquate, europabezogene, nachbarschaftliche Antwort finden müssen, denn die Zusammenarbeit in Europa ist inzwischen ein Wert an sich geworden. Schmerzlich vermissen viele Menschen in Deutschland eine Politik der guten Nachbarschaft gegenüber Russland und den Menschen in diesem großen Nachbarland. Das Ganze hat etwas mit den Ereignissen in Versailles zu tun. Sieht man es sich allerdings ganz nüchtern an, ohne Diskussionen über das Konferenzgeschehen an sich, dann findet man in den Abläufen unmittelbar zuvor Antworten auf heutige politische Fragen. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, was ich im Sommer 1988 von der Führungsspitze der CIA in Washington gehört habe – die Aufstellung der sowjetischen Streitkräfte in Mitteleuropa sei eine Konsequenz aus Napoleon und Hitler. Eigentlich ist noch eine dritte Komponente hinzuzufügen, die nicht im allgemeinen Bewusstsein präsent ist: die Bemühungen von britischer, amerikanischer und auch französischer Seite, um Russland unter allen Umständen im Krieg gegen Deutschland zu halten, damit die russischen Soldaten die amerikanischen, britischen und französischen Kriegsziele gegen Deutschland erledigen und um das Werk von Versailles zu vollenden. Ich spreche die angelsächsische Invasion nach der Revolution in Russland an, vor allem die militärischen Bewegungen unter dem Kommando des britischen Generals und späteren Feldmarschalls Ironside.[10] Beschäftige ich mich mit Versailles und den Konsequenzen für die heutige Zeit, dann muss ich drei Invasoren beachten: Napoleon, Ironside und Hitler. Diese internationale angelsächsische Okkupation weiter Teile Russlands hat eine Vorgeschichte, und zwar eine sehr spektakuläre, die auch heute noch Romanautoren interessiert: die Ermordung des Priesters Rasputin, dem eine besondere Nähe zu der aus Deutschland stammenden Zarin am Petershof nachgesagt wurde. Er hat sich nachweislich für einen Frieden mit Deutschland eingesetzt und wurde dann, wie bereits erwähnt, von einem britischen Geheimagenten erschossen, um nur ja alles zu unternehmen, damit Russland sich nicht auf einen Sonderfrieden mit dem kaiserlichen Deutschland und Österreich-Ungarn einlässt. Das muss man in diesem Kontext sehen, weil es auch sehr deutlich macht, wie die Interessenlage der Alliierten im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland und gegen Russland gerichtet war, was sich dann auch auf den Zweiten Weltkrieg auswirkte.“ (S 196f)



[3] Den Film von Thomas Hutchon (Frankreich 2018) kann man auf der Arte-Mediathek noch bis zum 9. Februar 2010 abrufen https://www.arte.tv/de/videos/082806-000-A/fake-america-great-again/
[5] Bis zum 15.12.2019 in der Arte-Mediathek verfügbar: https://www.arte.tv/de/videos/060142-000-A/rasputin-mord-am-zarenhof/ Insbesondere die Passagen nach Minute 43:30
[6] “Rasputin, his malignant Influence and his Assassination”, London o.J.
[7] Der Mann war ein Mitglied des MI6 und lebte während des Ersten Weltkrieges in Sankt Petersburg. Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Oswald_Rayner
[9] „La Fin de Raspoutine“, Plon 1927 (Deutsch : „Rasputins Ende, Erinnerungen, Pantheon, Berlin 1928) Die Tochter Rasputins, Maria, die ebenfalls im Pariser Exil lebte, klagte gegen die dort gemachten Aussagen. Siehe die französische Wikipediaseite zu Felix Jussopow: https://fr.wikipedia.org/wiki/F%C3%A9lix_Ioussoupov

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