Mir war, als ich gestern den Text über
den Beginn des Jugoslawienkrieges schrieb, wobei ich eine lange Passage aus der
„Pflichtlektüre“ „Und immer wieder Versailles“ von Willy Wimmer abtippte, nicht
bewusst, dass exakt vor 20 Jahren, im November 1999 beim Bundesparteitag der
Grünen in Bielefeld ein Farbbeutel mit roter Farbe den damaligen Außenminister
Joschka Fischer am Hinterkopf getroffen hat, weil sich Mitglieder der Partei,
die nicht nur aus der Umweltbewegung, sondern auch aus der Friedensbewegung
hervorging, darüber erregten, dass sich die erste Rot-Grüne Koalition von den Amerikanern
in den NATO-Krieg auf dem Balkan, also in den ersten Krieg auf europäischem
Boden seit dem Zweiten Weltkrieg, hineinziehen ließ. Das war in der Tat der
„Sündenfall“ der Grünen, einer Partei, für die ich einmal viel Sympathie und
die ich mehrmals gewählt hatte.
Gestern begann – zwanzig Jahre nach
dem „Sündenfall“ wieder ein Parteitag der Grünen in derselben Stadt und die
Nachrichtensendung „heute“ blendete bei der Berichterstattung auch Bilder aus
jenem Parteitag ein, eben jene Szene mit dem Farbbeutel, an die ich mich sehr
gut erinnern kann.
Ich kann mich auch noch an die
Begründung Joschka Fischers erinnern, der meinte, Deutschland habe nach
Auschwitz eine Verpflichtung, sich gegen Völkermord einzusetzen, und wenn es
sein muss, auch mit Waffengewalt. Er meinte mit dem Völkermord das Massaker von
Srebrenica, bei dem im Juli 1995 angeblich 8000 Bosniaken von Serben
hingerichtet worden sind, obwohl in der Schutzzone UNO-Blauhelme stationiert
waren.
Auf der Wikipedia-Seite lese ich dazu:
„Lange Zeit wurde in vielen serbischen
Medien das Massaker von Srebrenica geleugnet. Auch in westlichen Print- oder
Onlinepublikationen wurde gelegentlich die Behauptung aufgestellt, die
Ereignisse hätten gar nicht stattgefunden oder seien in den Medien falsch oder
verzerrt dargestellt worden.
Im deutschsprachigen Raum relativierte
vor allem Jürgen Elsässer in der Tageszeitung ‚Junge Welt‘ das Massaker, unter
anderem durch Berufung auf serbische Kriegsopfer. Die Klassifizierung des
Geschehens als Völkermord nennt Elsässer eine ‚Lüge‘ und einen ‚Mythos‘. Er
behauptet, eine Reihe von muslimischen Toten seien im Sommer 1995 Opfer von
Liquidationen geworden, die andere Muslime um Naser Oric verübt hätten. Dem
Haager Kriegsverbrechertribunal wirft Elsässer unter Bezugnahme auf dessen
Urteil gegen Oric vor, es urteile einseitig zuungunsten serbischer Angeklagter.
Elsässer streitet vereinzelte Massaker nicht ab, betont jedoch, dass diese
nicht gezielt und systematisch vorgenommen worden seien. Die Taten seien allein
von ‚marodierenden serbischen Einheiten zu verantworten. Viele der Soldaten
kamen aus der Region um Srebrenica und wollten den Tod von Angehörigen rächen,
die zuvor bei moslemischen Überfällen getötet worden waren.‘ Die Beweise für
die systematische Planung und Durchführung der Verbrechen sind jedoch in den
Prozessen vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal aktenkundig.
Ähnlich relativierende, serbische
Kriegsverbrechen und den Genozid in Srebrenica als ‚Rachemassaker‘ für
vorausgegangene bosnische Kriegsverbrechen deutende Positionen finden sich auch
in den Reiseberichten, Texten und Interviews des österreichischen
Schriftstellers Peter Handke, begleitet von vehementer Kritik an der
vermeintlich ‚einseitigen‘ journalistischen Berichterstattung. Die
Opferrechtsorganisation ‚Mütter von Srebrenica‘ forderte die Schwedische
Akademie auf, die Vergabe des Literatur-Nobelpreises 2019 an Peter Handke zu
revidieren. Die Organisationsleiterin Munira Subasic wird in diesem
Zusammenhang mit den Worten zitiert: ‚Es ist traurig, dass ein so wichtiger
Preis dem Leugner des Genozids in Srebrenica verliehen wurde, wenn alle wissen,
was in Srebrenica passiert ist. (…) Mit dieser Entscheidung wurden die Mütter
von Srebrenica, die ihre Söhne, Männer und Brüder verloren haben, noch einmal
verletzt und ins Herz getroffen.‘
Zu jenen, die den Begriff ‚Völkermord‘
ablehnen, gehört der ehemalige serbische Präsident Tomislav Nikolic. Milorad
Dodik bestritt Anfang Juli 2015, dass ein Völkermord stattgefunden habe,
nachdem er diesen und die Zahl von 8000 Opfern bereits im April 2010, vor
seiner Wahl zum Präsidenten der Republik Srpska, in Zweifel gezogen hatte.
2015, zum 20. Jahrestag des Massakers forderte er, Srebrenica müsse auch zu
einem Gedenkort für den ‚Völkermord an den Serben‘ erklärt werden. Der Begriff
wird in einigen Fällen auch abgelehnt, weil nur männliche Personen dem Massaker
zum Opfer gefallen seien, keinesfalls alle bosniakischen Flüchtlinge. Im
Gerichtsurteil gegen Radislav Krstic wird allerdings betont, dass die
systematischen Morde an der männlichen Bevölkerung einen katastrophalen
Einfluss auf die stark patriarchalischen Familien der Bosniaken Srebrenicas
hatten und damit diese ethnische Gruppe zerstörten, was den Tätern bewusst
gewesen sei. Die Journalistin Diana Johnston leugnete den genozidalen Charakter
des Massakers in ihrer ersten Publikation 2002 sowie 2015; die Begründung des
ICTY sei weit hergeholt, behauptete sie.
Der Völkerrechtler William Schabas
bewertete 2009 die Verbrechen in Srebrenica und während des gesamten Krieges in
Bosnien eher als ethnische Säuberung, nicht als Genozid.
Häufig wird die Gesamtzahl der
ermordeten Bosniaken relativiert. Die Zweifler betonen, die hohen offiziellen
Opferzahlen hätten den Zweck, die serbische Seite zu dämonisieren und von
Verbrechen gegen die Serben abzulenken, in der Region Srebrenica selbst oder zu
anderen Gelegenheiten, wie etwa der ‚Operation Sturm‘. Statt von 7000 bis 8000
Opfern des Massakers von Srebrenica sei von einer deutlich niedrigeren Zahl
auszugehen. Gestützt wird dies unter anderem mit der Behauptung, 1996 seien in
Wählerverzeichnissen zu Wahlen in Bosnien-Herzegowina 3000 Vermisste und
angeblich Tote wieder aufgetaucht. (…)
Zweifel an der etablierten Darstellung
der Ereignisse werden auch vorgebracht, weil seit Juli 1995 Tausende von
Leichen nicht gefunden bzw. exhumiert wurden. Von den Exhumierten wiederum sind
bislang viele nicht identifiziert.“[1]
Das Thema vom „Völkermord in
Srebrenica“ wird also durchaus kontrovers diskutiert. Es erscheint mir
deutlich, dass die westliche Seite versucht, das Massaker im Nachhinein als
Rechtfertigung für den völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen die Serben zu
instrumentalisieren. Die Serben sind bis heute mit Russland verbündet. Der NATO-Krieg
war also eine Art Startsignal, um indirekt Russland zu warnen, das sich damals
anschickte, mit dem im August 1999 zum Ministerpräsidenten gewählten ehemaligen
KGB-Offizier Wladimir Putin von den Wirren der 90-er Jahre zu erholen.
Die serbische Geheimorganisation
„Schwarze Hand“ hatte schon – im Auftrag dubioser Hintermänner – dafür gesorgt,
dass es mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers und seiner Frau
einen Anlass gab, den Ersten Weltkrieg auszulösen. Das Ende der Geschichte war,
dass im Jahre 1919 durch den Zusatzfrieden von Trianon der Vielvölkerstaat
Österreich-Ungarn zerschlagen und zerstückelt wurde, eine Folge der fatalen
Idee des „Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ von US-Präsident Woodrow Wilson
bzw. der hinter ihm stehenden Zirkel, die wohl genau wussten, was sie damit
erreichen wollten. Den Krieg auf dem Balkan muss man auch in diesem
Zusammenhang sehen.
Aber es fällt schwer, 100 Jahre
Geschichte im Bewusstsein zu halten und es macht Mühe, die Dokumente zu
studieren, insbesondere dann, wenn sie der „offiziellen Geschichtsschreibung“
widersprechen. So geht diese bis heute im Prinzip von der „Alleinschuld
Deutschlands“ am Ausbruch des Ersten Weltkriegs aus oder verschweigt – wie
Christopher Clark in seinem Buch „Die Schlafwandler“ – die Rolle des Britischen
Empires und der Französischen Republik.
Genauso will man im Fall des Massakers
von Srebrenica eine „Alleinschuld“ der Serben unter ihrem damaligen Präsidenten
Milosevic „konstruieren“, denn das passt in die „langfristige Planung“ jener
Netzwerke, die im Hintergrund die Politik gestalten und die Politiker nur als
Marionetten benützen.
Ich selber habe das Vertrauen in
unsere Politiker schon lange verloren. Was ich sage, klingt nach
„Verschwörungstheorie“. Aber ich stelle nur Fragen und bezweifle seit langem
Vieles, was offiziell verkündet wird, so zum Beispiel die offizielle Version
vom Anschlag auf die WTC-Türme am 11. September 2001. Inzwischen gelten solche
„Verschwörungstheorien“ bereits als „Hetze“ und als „rechtsextrem“.[2]
Das sind in meiner Sicht Schritte zu
einem allgemeinen Denkverbot, das immer mehr durch Gesetze wie das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“,
oder das bereits im Jahre 1993 beschlossene Gesetz gegen „Volksverhetzung“ (Strafgesetzbuch § 130) institutionalisiert
werden muss. Dazu gehört natürlich insbesondere jede Kritik an Israels
Besatzungspolitik.
Als die Sängerin Anna Loos am 9.
November bei der Feier zum Mauerfall-Jubiläum, die im ZDF übertragen wurde, ein
Video mit der Botschaft „Genug mit Besatzung“ in hebräischer Schrift zur besten
Sendezeit einblendete, das wohl kaum jemand entziffern oder verstehen konnte,
titelte die traditionell israelfreundliche Bildzeitung auf der ersten Seite
ihrer Ausgabe vom 11. 11. In gewohnter rot-weißer Großschrift:
„Anti-Israel-Hetze auf Mauerfall-Feier“. Es wird der Botschafter des Staates
Israel, Jeremy Issacharoff zitiert:
„‚Am 9. November haben wir den
Mauerfall gefeiert, aber auch würdevoll an die Progromnacht vor 81 Jahren erinnert,
die auch symbolisch für die Schrecken des damals nahestehenden Holocaust steht‘
Es sei eine Schande, dass einige es für angebracht hielten, dieses Ereignis für
politische Zwecke gegen Israel zu instrumentalisieren.“ (Bild vom 11.11.2019, S 2)
[2] In den Nachrichten
wurde gestern von einem AfD-Stadtrat aus Halle berichtet, der aus dem Kulturausschuss
der Stadt „entfernt“ wurde, weil von ihm ein angeblich „rechtsextremes“ Video aufgetaucht
sei. In dem Videoausschnitt, der in „3SAT-Kulturzeit“ gezeigt wurde, tut er nichts
anderes, als die offizielle Version der New-Yorker-Anschläge in Frage zu stellen. Ihm wird zum Vorwurf gemacht, dass er dabei auf die Tatsache hinweist, dass beim
Einsturz der Türme kaum Juden umgekommen waren, weil sie die Gebäude rechtzeitig
verlassen hätten. Das sei antisemitisch.
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