Samstag, 31. März 2018

Eine katholische Osternachtsfeier in der Nikolauskirche der Comburg


Wir waren also gestern bei dem Osterhochfest in der Nikolauskirche auf der Comburg.
Wir sind bereits um 19.30 Uhr losgefahren, um noch einen guten Platz in der ersten Reihe zu bekommen, denn ich ahnte, dass die Kirche voll sein würde. Und sie füllte sich im Laufe des Abends tatsächlich mit vielen hundert Menschen.
In der zunehmenden Abenddämmerung warteten wir bis zum offiziellen Beginn um 20.30 Uhr. Nun saßen wir tatsächlich komplett im Dunkeln. Jeder Besucher hatte beim Eintritt eine Kerze bekommen und ein Festprogramm mit dem Abdruck einer schönen russischen Ikone auf der Titelseite („Christus am Karsamstag im Limbus“). Wir hatten einen Platz in der ersten Bankreihe der linken (nördlichen) Seite bekommen, die traditionell die Taufsteinseite ist.
Nach 20.30 Uhr wurde es ruhig in der vollen Kirche und das vierteilige Programm begann. Der Priester zog mit seinen Ministranten und einer großen brennenden Osterkerze durch den Mittelgang zum Hauptaltar mit dem romanischen Antependium, über dem der heruntergelassene Radleuchter schwebte.
Ich hatte ihn mir gleich nach unserer Ankunft noch einmal im Detail angeschaut, weil er sich ja gewöhnlich in unerreichbarer Höhe befindet. Ich bewunderte die beinahe vollplastischen Köpfe der Figuren in den Türmen, die bisweilen sogar eine leichte Drehung nach rechts machen. Nur die Köpfe sind dreidimensional; die Körper gehen nach unten in die Fläche über. Es sind Ritter mit Schild und Lanze oder Heilige. Über den Toren der Türme schauen weitere Figuren aus Fenstern heraus, die nur bis zum Oberkörper zu sehen sind. Diese haben ebenfalls meist Waffen in der Hand. Jede Figur ist individuell gestaltet, so auch die Propheten und Könige auf den Medaillons zwischen den Türmen.
Mein Herz schlägt höher, als ich von Turm zu Turm um den ganzen Leuchter herum schreite, obwohl es eigentlich verboten war, wie ich am Schluss von einer Helferin erfahre.
Allmählich wurden die Kerzen im Kirchenschiff entzündet und zwar vom Altar aus nach hinten. Jeder gab dabei sein Licht weiter an den Nachbarn, bis alle Lichter brannten.
Schon das war eine Erfahrung, die ich so noch nie gemacht habe, und ich denke ans Mittelalter, als es noch keinen Strom gab und als die Kirche nur von unzähligen Bienenwachskerzen erleuchtet wurde. Heute sind es durchweg weiße Stearinkerzen, auch wenn der Pfarrer von Bienenwachs redete.
Nun konnte der Gottesdienst mit einer Lesung aus der Genesis beginnen. Danach setzte die Orgel ein und die Gemeinde sang das erste Lied: „Gott gab uns Atem, damit wir leben.“ Mir fiel auf, dass die Verse über die erste Erschaffung des Menschen nicht korrekt wiedergegeben wurden, so dass man den Eindruck haben konnte, dass Gott gleich von Anfang an zwei Menschen, einen Mann und eine Frau, geschaffen hätte, denen er den Auftrag gegeben habe, über die übrige Schöpfung zu „herrschen“.
So steht es aber nicht in der Schöpfungsgeschichte, sondern es steht da, dass Gott den Menschen „männlich-weiblich“ schuf. Solche Verzerrungen der Wahrheit sind typisch für die katholische Kirche und es wundert mich nicht, dass immer weniger Menschen in die Kirche gehen. Sie können dem, was dort verkündet wird, einfach nicht mehr glauben, und zwar mit Recht, weil es Lüge ist. Das ist mir bei diesem Gottesdienst insbesondere bei der völlig banalen und viel zu langen Predigt, wieder aufgefallen.
Dieser unechte, belehrende Ton des Priesters, der nicht einmal richtig singen kann und sich auch beim Sprechen immer wieder verhaspelt, ist einfach unerträglich. Ich bin froh, dass Lena nicht mitgekommen ist. Sie hat so ein sicheres Gefühl für das Echte und Wahre, dass sie es nicht ausgehalten hätte. Nachdem ich mit ihr nun bereits zwei orthodoxe Gottesdienste miterleben durfte, einen in Paris und einen in Sankt Petersburg, kommen mir die Gesangsversuche des katholischen Priesters im Vergleich zu den wunderbaren Stimmen der orthodoxen Popen erbärmlich ärmlich vor.
Ich hatte Lena die Broschüre über die Christengemeinschaft in Russland gezeigt und dazu gesagt, dass diese Kirche eine wachsende Kirche sei, während die traditionellen Kirchen immer mehr an Mitgliedern verlören.
Ich hätte auf diese „Gesänge“ und auf die ganze Predigt, in der es um ein verlorenes Kirchengemeinderatsprotokoll und um einen schlecht gewürzten Linseneintopf ging, um zu veranschaulichen, dass manchen Menschen im Leben etwas abhandenkommen oder dass etwas zum vollen „Genuss“ fehlen kann, gerne verzichtet. Die Lesungen aus der Bibel, die Lieder, welche die Gemeinde singen durfte, und die klangvolle Orgelmusik hätten mir gereicht, um den Höhepunkt des Gottesdienstes, die Entzündung der 48 weißen Kerzen auf dem Radleuchter und sein Entschweben in die Höhe erleben zu können, die nur dreimal im Jahr, in der Christnacht, an Silvester und eben in der Osternacht vollzogen wird. Wie eine Vision des Himmlischen Jerusalems schwebte dieses erleuchtete Wunderwerk mittelalterlicher Goldschmiedekunst schließlich über dem Altar. Dabei stimmten alle Proportionen, denn der Abstand zwischen Altar und Gewölbe wurde durch den Leuchter mit Sicherheit im Verhältnis des Goldenen Schnittes unterteilt. Nachdem der Leuchter hochgezogen war, erklang ein vielstimmiges Gloria.
Bis es aber soweit war, kamen noch zwei weitere Lesungen aus dem Alten Testament: aus den Kapiteln 14 und 15 des Buches Exodus, das genau den Auszug der Hebräer aus Ägypten und den Durchgang durchs Meer erzählt, den wir am Karfreitag im Fernsehen gesehen hatten[1]. Dabei kam es wieder zu einer „Falschaussage“ bei der Kommentierung durch den Priester: er sprach vom „Roten Meer“, aber in Wirklichkeit war es das „Schilfmeer“.
Wissen die Katholiken es nicht besser, oder werden sie in ihrem Theologiestudium so geformt, dass sie alles, was nicht in das Dogma passt, zurechtbiegen müssen. Die Seelen lassen sich nicht betrügen. Sie spüren, dass etwas nicht stimmt mit dieser Kirche. Je aufgeklärter sie sind, desto weniger geben sie sich zufrieden mit den Märchen, die diese zu erzählen versucht. Ja, die katholischen Priester sprechen vom „Geheimnis des Glaubens“, aber dieser hier hat offensichtlich keine Ahnung von der Wirklichkeit des Mysteriums von Golgatha.
Der Durchzug der Hebräer durch das Meer war für den Priester offenbar Anlass, von der Taufe zu sprechen, was wieder eine vollkommene Verzerrung ist. Nicht die Hebräer sind dabei unter Wasser gekommen, sondern im Gegenteil: sie wurden gerettet. Wenn jemand „getauft“ wurde, dann waren es die Ägypter.
Als drittes wurde aus dem 36. Kapitel des Buches Hesekiel vorgelesen, das ziemlich hart über das auserwählte Volk urteilt, das im Begriffe war, die ganze Welt zu „verunreinigen“ (Verse 17 – 21), bis Gott Jahwe wieder einmal eingreift und die „steinernen Herzen“ durch „ein neues Herz und einen neuen Geist“ (Hes. 36, 26) ersetzt.
Diesen Text kannte ich noch nicht, aber er ist eine Art „Augenöffner“. Man muss nur an das denken, was gottlose „Juden“ den russischen „Christiani“ nach der Revolution angetan haben, oder was sie in Amerika bis heute der ganzen Menschheit durch die Fabrik der falschen Träume in Hollywood antun, dann erweist sich die Aktualität der Worte des Propheten Hesekiel: „Als das Haus Israel in seinem Lande wohnte und es unrein machte mit seinem Wandel und Tun (…), da schüttete ich meinen Grimm über sie aus um des Blutes willen, das sie im Lande vergossen, und weil sie es unrein gemacht hatten durch ihre Götzen. Und ich zerstreute sie unter die Heiden und versprengte sie in die Länder und richtete sie nach ihrem Wandel und Tun. So kamen sie zu den Heiden; aber wohin sie kamen, entheiligten sie meinen heiligen Namen.“
Weil Jahwe in Vers 25 sagt: „Ich will reines Wasser über euch sprengen“, meint der katholische Priester, dass der Gott des auserwählten Volkes die Juden getauft hätte. Das ist aber so auch nicht wahr. Der Begriff der Taufe im christlichen Sinne ist vielleicht verwandt mit der Tat Jahwes, aber die eigentliche christliche Taufe findet erst an der Zeitenwende im Jordan statt.
Dass das christliche Osterfest einen inneren Bezug zur Taufe hat, will ich nicht abstreiten, aber dieser Bezug ist wesentlich tiefer als die katholische Kirche denken kann. Wie oft haben wir mit unseren Kindern am Ostersonntagmorgen vor Sonnenaufgang schweigend an einer besonderen Quelle, zu der wir gelaufen oder gefahren sind, Osterwasser geschöpft, um damit unsere Augen zu reinigen und es beim Oster-Frühstück zu trinken! Das Wasser ist das Element des Lebens und der Strömungsforscher Theodor Schwenk hat solche Quellen untersucht und bei seinen Kristallisationsbildern festgestellt, dass an einigen dieser Quellen tatsächlich etwas mit dem Wasser geschehen war in diesen wenigen Minuten vor Sonnenaufgang: Die Bilder zeigten ausgesprochen harmonische Figuren. Das deutet auf die Gegenwart des Ostermysteriums hin, von dem Matthias Matusek in seinem Oster-Essay in der „Jungen Freiheit“ vom 30. 03.2018 spricht.[2]
Schließlich wird die versammelte „Gemeinde“, die zum Teil nur gekommen war, um die Zeremonie zu erleben, mit Wasser besprengt, damit sich jeder an seine Taufe erinnert fühlen soll. Aber was bedeutet den meisten Christen schon die Taufe? Es ist einfach nur noch ein traditionelles Fest, dessen eigentlicher Sinn gar nicht mehr verstanden werden kann von einem aufgeklärten, materialistischen Bewusstsein.
Dann werden die Gaben auf dem Altar unter dem Leuchter bereitet und schließlich die Eucharistie gefeiert. Wir sind auch an den Altar gegangen, einfach, um einmal unter dem herrlichen Leuchter die Hostie zu empfangen, also auch mehr aus „touristischem Anlass“. Gott möge es mir verzeihen.
Die ganze Feier dauert bis um 22.30 Uhr. Als wir aus der Kirche heraustraten, stand der Ostervollmond schon hoch am südöstlichen Himmel und die Glocken der Nikolauskirche verbreiteten nach drei Tagen Schweigen ihren wunderbaren Klang über das Hohenloher Land, während wir vom Berg zum Parkplatz hinuntergingen.
Um 23.00 Uhr waren wir wieder zu Hause.



[1] Ich meine den Hollywoodschinken „Die zehn Gebote“, den das ZDF am Nachmittag ausstrahlte.
[2] In der „Jungen Freiheit“ Nr. 14/2018 vom 30. 03. 2018 kam ein schöner Beitrag von Matthias Mattusek, der früher für den „Spiegel“ geschrieben hat. Unter dem Titel „Ein Leben ohne Mysterien ist langweilig“ schreibt er über Ostern. Was mich am meisten erstaunt, ist, dass der Autor zustimmend Rudolf Steiner erwähnt. Er schreibt: „Rudolf Steiner nannte Ostern in einem Vortrag 1908 mit Recht das „Mysterium der Zukunft“. Das sind neue Töne, die mir zeigen, dass sich bei manchen Intellektuellen vielleicht doch ein Bewusstseinswandel vollzieht. Ich weiß nicht, ob der Spiegel diesen Essay abgedruckt hätte und es wundert mich, dass der renommierte Autor jetzt in der „Jungen Freiheit“ veröffentlicht, die von den Linken als „rechtspopulistisch“ eingestuft wird und die ich seit Anfang März zum halben Preis ein Jahr lang beziehen darf. Es ist eine Zeitung, die man von Anfang bis Ende lesen kann, auch wenn ich natürlich auch nicht mit allem einverstanden bin. Aber wieso sollte ich auch. Jedenfalls ist es gut, einmal die Argumente der „neuen Rechten“ kennenzulernen


Sonntag, 18. März 2018

Helmuth von Moltke und der Osten Europas. Gedanken zur Wahl in Russland.


Jetzt habe ich die im Jahre 1972 als Privatdruck veröffentlichten Betrachtungen Jürgen von Grones über „Rudolf Steiner und Helmuth von Moltke“ zum dritten Mal gelesen. Immer wieder führt mich mein Schicksal zu der für die Zukunft Mittel- und Osteuropas und insbesondere für den deutschen Volksgeist so zentralen Individualität, die im neunten Jahrhundert als Papst Nikolaus I. und im 19. Jahrhundert als Neffe des älteren Moltkes an höchster Stelle wirkte. Jürgen von Grone macht anhand von Aussagen Rudolf Steiners in Briefen deutlich, wie wichtig die Wiederverbindung Europas mit Russland in der Zukunft sein wird.
Jürgen von Grone (1887 – 1978), selbst ein bedeutender Offizier und Träger des Ordens „Pour le Merite“[1], zitiert einen Spruch, den Rudolf Steiner dem Generalfeldmarschall Moltke am 27. August 1914 in einer sehr dramatischen Situation zu Beginn des ersten Weltkrieges nach einer persönlichen Unterredung in Niederlahnstein bei Koblenz  übergeben hat, um ihm Mut zuzusprechen:

„Siegen wird die Kraft,
die vom Zeitgeschick
vorbestimmt dem Volk,
das in Geistes Hut
zu der Menschheit Heil
in Europas Herz
Licht dem Kampf entringt.“

Der Kaiser hatte sein im Jahre 1905 gegebenes Versprechen gebrochen, sich nicht in Kriegsdinge einzumischen, wenn er, Moltke, die ihm angetragene Stellung als Stabschef  der preußischen Armee übernehmen solle. Das Eingreifen des Kaisers in den ersten Augusttagen 1914 führte schließlich zu einem verfehlten Aufmarschplan, zur Marneschlacht, zur Absetzung Moltkes , zum Stellungskrieg und zur Katastrophe vor Verdun unter seinem Nachfolger General von Falkenhayn. Moltke war kaltgestellt. Grone, der eine Analyse der Marneschlacht (vom 5. – 10. September 1914) beim Militärarchiv der Bundeswehr hinterlegt hat, führt aus:
„Nicht das Scheitern der Marneschlacht, vielmehr der Sturz des Feldherrn hat den weiteren Verlauf des Ersten Weltkrieges weitgehend bestimmt.“
Jürgen von Grone, ein Zeitzeuge und seit 1906/07 persönlich mit Rudolf Steiner bekannt, fährt fort:
„In der Wende zum Jahre 1915 traten sehr beachtliche Ereignisse ein. Während Rudolf Steiner in Berlin in einer Reihe von Vorträgen die Völkerlage in Europa im Jahrhundert der Jungfrau von Orleans behandelte und dabei darstellte, wie damals hierarchische Mächte durch das Mädchen von Orleans eine notwendige Völkerordnung in Europa herbeiführten, hob er hervor, dass in unserer Gegenwart Menschenseelen aus ihren Ich-Kräften sich für eine vom Zeitgeist geforderte Völkerordnung einsetzen müssen. Ohne Zweifel hat Helmuth von Moltke von diesen Inhalten Kenntnis erhalten.
In der Zeit nach der Amtsenthebung Moltkes hat Rudolf Steiner eine Reihe von Briefen persönlich an ihn gerichtet, in denen er immer wieder davon spricht, dass auf der irdischen Seite die Persönlichkeit Moltkes als Instrument des Volksgeistes gebraucht werde. Es handelt sich um eine durchaus hierarchisch vom Volksgeist her begründete, aber an die Ich-Kräfte sich wendende ‚Einführung‘, ganz im Sinne jenes Spruches, der nach dem Beginn des Völkerkampfes dem General von Moltke gegeben worden war.(…)
In dem ersten Briefe von Ende Dezember 1914 ist zu lesen:
‚Ihnen, Excellenz, ist viel Leid geworden. Doch Leid ist letztlich der Boden, aus dem die Geistes-Mächte das Heil der Erdenentwicklung weben müssen. Sie dienen durch Ihr Leid der großen Sache, der jetzt das deutsche Volk dienen muss. Und wenn einst das wird Vergangenheit sein, was jetzt Gegenwart ist, dann wird denen, die werden erkennen wollen, klar sein, wie Ihre Gedanken-Intentionen ebenso wie Ihr Leid zu den notwendigen Keimen gehörten, aus denen die Zukunftsmission des deutschen Volkes erblüht. Was dieses Volk noch zu tun hat, ist so bedeutsam, dass es nur durch Schicksals-Ernst errungen werden kann. (…) Menschen können aus einer Inkarnation scheinbar, bevor sie erreicht haben, was ihnen vorgezeichnet war, hinweggenommen werden, weil sie in anderen Inkarnationen wiederkommen. Völker aber verlieren die Bedingungen ihrer Mission nicht, bevor diese erfüllt ist.‘
Im November 1915, ein halbes Jahr vor dem Tod Helmuth von Moltkes am 18.Juni 1916, schrieb Rudolf Steiner in einem weiteren Brief an den General:
„Dieses Schicksal des deutschen Volkes ist mit den tiefsten und erhabensten Zielen der menschlichen Weltentwicklung verbunden. Die Fäden eines solchen Völkerschicksals sind nicht einfach. Sie müssen sich oft verwirren. Der Schicksalsweg geht durch Prüfungen. Durch Prüfungen, die an den Abgrund der Weltgeheimnisse führen. An den Abgrund, wo die große Frage ‚Sein oder Nichtsein‘ an die Seele herantritt… Wer so wie Sie, Excellenz, verbunden ist mit dem Wege des Volkes, für den spiegelt sich im eigenen Lebenswege derjenige des Volkes. Ihnen war von der geistigen Menschheitsführung auferlegt, das deutsche Volk für eine Etappe seiner Aufgabe zu führen. Dass Sie an einem bestimmten Punkt zu einem scheinbaren ‚Halt‘ gekommen sind, das ist nur, um neue Kräfte zu sammeln.“
Zwei Tage nach Moltkes Tod spricht Rudolf Steiner am 20. Juni 1916 zu Beginn des dritten Vortrages  des Zyklus „Weltwesen und Ichheit“ (GA 169) vor den Berliner Freunden einen Nachruf auf General Moltke. In diesem Nachruf bezeichnet Rudolf Steiner Helmuth von Moltke als „Brückenbauer“ (Pontifex), der die Brücke bildete zwischen seiner äußeren Tätigkeit und der Geisteswissenschaft:
„Dass er unter denjenigen, die im äußeren Leben unter den ersten stehen, dass er diesem äußeren Leben diente und doch die Brücke fand zu dem Geistesleben, das durch diese Geisteswissenschaft gesucht wird, das ist ein tiefgehend bedeutsames Symbolum.“
Jürgen von Grone fährt fort:
„Mit dem Tode Moltkes im Juni 1916  verlor Rudolf Steiner die Persönlichkeit auf Erden, die sich ihm zur Verfügung gestellt hätte, um der großen der Mitte-Menschheit obliegenden Ziele zur Ausführung zu bringen. (…) Daraus ist wohl doch zu ersehen, dass für eine weltgeschichtlich geforderte Neugestaltung ein Zusammenwirken mindestens zweier Individualitäten notwendig sein kann.“
Das Erstaunliche ist nun, dass Rudolf Steiner nach Moltkes Tod in regelmäßigen Abständen Post-Mortem-Mitteilungen der Moltke-Seele bekam, die mit ihrem Geisteslehrer auch nach dem Tode verbunden blieb. Diese Mitteilungen sind inzwischen veröffentlicht.[2]
So heißt es in einer Mitteilung, die Jürgen von Grone zitiert:
„Im neunten Jahrhundert war noch mit dem Christentum verbunden das Bewusstsein der europäischen Menschheit von dem Zusammenhang mit den geistigen Hierarchien und von der Durchgeistigung des Kosmos. Vom zehnten, elften Jahrhundert an setzte ein die Entgeistigung der Weltanschauung und des Lebens. Die Menschen Europas bekamen dann nur noch ein äußerliches Verhältnis zu Seelen, die sich zum Beispiel verkörperten in Herders oder Goethes Leib. Was diese Seelen geistig wollten, das wurde nirgends Staatskultur. Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts und dem Anfang des zwanzigsten war daher Europa ganz materialistisch, soweit das öffentliche Leben in den Staaten in Betracht kam. Da standen wir nun drinnen. Jetzt bin ich mit dem aufbrechenden Weben des Geistes wollend verbunden. In Trümmern muss gepflanzt werden. Die Lüge der Zeit hat in die Trümmer geführt. Die Wahrheit muss zu dem Erbauen des Neuen führen. Der Geist kann nur in der Wahrheit wirken. Am Juli-Ende und August-Anfang stand ich allein mit meinem Entschluss, verlassen von aller Politik, die damals an ihrem Ende war. Nicht anders konnte werden, was so lange sich vorbereitet hatte. Es soll die Wahrheit walten. Sonst geht es zu Grunde, nicht nur das Deutschtum; auch die ganze europäische Welt ginge zu Grunde, und Osteuropa müsste von Asien aus aufgebaut werden. Das darf nicht sein. Europa muss zur Selbstbesinnung kommen und selbst sich zum Geiste finden.“
Wenn Großbritannien unter Theresa May die anderen europäischen Nationen mit unbewiesenen Behauptungen gegen Vladimir Putin aufstachelt, dann besteht tatsächlich die Gefahr, dass sich der starke (und intelligente) wiedergewählte Staatschef Russlands von Europa ab- und dem autokratischen China zuwendet. Das klingt wie eine Erfüllung der Prophetie, die in den Post-Mortem-Mitteilungen von Helmuth von Moltke angedeutet wird. 
Ich sehe in der deutschen Politik weit und breit keinen würdigen Vertreter des deutschen Volksgeistes, ja nicht einmal einen Vertreter des Geistes. Wenn ich mir das Kabinett der neuen Bundesregierung anschaue, das vor ein paar Tagen vereidigt wurde, dann muss ich an einen Film wie „Tanz der Vampire“ denken. Mit den Mitgliedern Heiko Maas als Außenminister, Peter Altmeier als Wirtschaftsminister, Horst Seehofer als Innenminister und Jens Spahn als Gesundheitsminister erscheint es mir wie ein wahres Gruselkabinett.



[2] Helmuth von Moltke (1848 – 1916) – Dokumente zu seinem Leben und Wirken, Band 2, herausgegeben von Thomas Meyer, Perseus-Verlag, Basel 1993