Der Mensch steht zwischen luziferischen
und ahrimanischen Mächten und versucht, das Gleichgewicht zu halten. Heute
treten wir, astrologisch gesehen, vom Sternbild der Jungfrau in das Sternbild der Waage ein. Die Waage
des Erzengels Michael habe ich gestern auf meinem Gang in die Gelblinger Gasse
am südlichen Ost-Chor der Michaelskirche wieder einmal bewundert. Diese beiden
Waagschalen sind allerdings nicht im Gleichgewicht. Die rechte hat Hans
Beuscher, der Michaels-Bildhauer, höher gesetzt als die linke. In dieser Schale
sitzen die Seelen, die als „zu leicht befunden“ wurden.
Wir treten in die Zeit des „Seelenwägers“
ein.
Am 21. September haben zwei
interessante Persönlichkeiten Geburtstag gefeiert, einer von beiden allerdings
im Himmel. Steven King, der Horror-Autor, wurde 70. Leonard Cohen wäre 83
geworden.
Beide haben beziehungsweise
hatten unbestritten eine große poetische Begabung. Beide sind durch bittere
Erfahrungen mit Alkohol und Drogen gegangen. Beide litten immer wieder unter
Depressionen. Und beide wurden im Grunde von Frauen „gerettet“.
In den USA läuft gerade mit
unerwartet großem Erfolg die neueste Verfilmung des 1500-Seiten-Romans „Es“ in
den Kinos, den Steven King im Jahre 1986 veröffentlichen ließ, im Jahr der Challenger-Katastrophe
und von Tschernobyl. In Kürze läuft der Film, der von einem Milliarden Jahre
alten verwandlungsfähigen Monster handelt, das Kinder mordet, um sich von ihnen
zu ernähren, auch in deutschen Kinos an. Im „Club der sieben“, einer wehrhaften Clique von tapferen Freunden,
begegnet „Es“ Kämpfern, die sich ihm entgegenstellen wie Michael dem Drachen.
Ich weiß nicht, welcher Geist
Steven King inspiriert. Aber seitdem ich die Besprechung des deutschen
Schriftstellers Thomas von Steinaecker in der "Süddeutschen Zeitung" vom
vergangenen Donnerstag gelesen habe, ist mein Interesse geweckt. Er fordert: „Gebt
ihm den Nobelpreis!“
Auch die Filmkritik von David
Steinitz mit dem Titel „Der amerikanische Albclown“ fällt äußerst positiv aus. Der
Filmkritiker berichtet:
„Dabei ist es fast ein Wunder,
dass Stephen King die Vorlage überhaupt schreiben konnte. Schon in den frühen
Siebzigerjahen, vor dem großen Erfolg, war er schwerer Alkoholiker. In seinem
Buch ‚On Writing‘ aus dem Jahr 2000 hat er diese Zeit beschrieben: dass er
schon trank, als er mit Ende zwanzig mit seiner Frau und zwei Kindern in einem
Trailer im ländlichen Maine lebte. Tagsüber arbeitete er als Englischlehrer,
nachts stand er in einer Reinigung an der Mangel, weil das Geld nicht reichte –
dazwischen setzte er sich neben einem Berg zerdrückter Bierdosen zum Schreiben
hin. So entstanden Kurzgeschichten in klassischer Pulp-Tradition, die in
Herrenmagazinen erschienen, und schließlich, 1974, der Roman „Carrie“, sein
Durchbruch. Plötzlich war er reich und konnte sich auf das Schreiben
konzentrieren, aber die Verlagsschecks reichten nun nicht nur fürs Bier, sondern
auch für Kokain. In den achtziger Jahren war die Kokain-Sucht so aus dem Ruder
gelaufen, dass King sich Tampons in die Nase stecken musste, wenn er sich über
seine Schreibmaschine beugte, weil er Nasenbluten bekam. Manche Bücher aus
dieser Zeit, ‚Tommyknockers‘ zum Beispiel, lesen sich, als seien sie in
Abwesenheit des Verfassers entstanden. King hat kürzlich dem ‚Rolling Stone‘ erzählt,
er könne sich nicht erinnern, wann er einige Romane geschrieben habe. (…) In
diesem Gemütszustand schrieb er zwischen 1981 und 1984 den Roman ‚Es‘.“
Solche Aussagen sind erstaunlich,
denn sie zeigen deutlich, welchen „Einflüssen“ sensible Menschen, insbesondere
Schriftsteller, ausgesetzt sein können. Rudolf Steiner spricht in diesem
Zusammenhang von dem späten Nietzsche, der seit November 1889 dezidiert „antichristliche“
Werke verfasste. Damals, so Rudolf Steiner, sei Ahriman zum ersten Mal als
Schriftsteller aufgetreten. Ich denke, das tut er bis heute.
Aber es wäre falsch, Ahriman und
Luzifer zu „verteufeln“. Beide Kräfte sind gottgewollt und helfen dem Menschen,
wenn er sie sich bewusst macht, zum Gleichgewicht zu finden.
Der einst sehr prominente
evangelische Theologe und spätere Mitgründer der Christengemeinschaft Friedrich
Rittelmeyer hat im Jahre 1903 in Nürnberg zum Entsetzen der rechtgläubigen protestantischen
Kollegen vier Vorträge über Friedrich Nietzsche gehalten. Gleich zu Beginn gibt
er zu bedenken:
„Wenn Sie nun diesem Mann einige
Stunden des Nachdenkens mit mir widmen wollen, dann erwarten Sie, bitte, eines
nicht von mir, dass ich nämlich, weil er ein Feind des Christentums war und
mich meine Lebenserfahrung auf einen entgegengesetzten Standpunkt geführt hat,
nun von vorneherein gegen ihn alle Register der Entrüstung ziehe oder gar die
Trompeten des Weltgerichts erschallen lasse (…) Es ist ja freilich aus vielen
Gründen nicht tief genug zu bedauern, dass Nietzsche seine Anklagen gegen das
Christentum zuletzt in einem so maßlos heftigen Ton vorgetragen hat. Unwahrhaftig
wäre es, das zu verschweigen; aber noch unwahrhaftiger wäre es, nun deshalb gar
nicht auf ihn zu hören. Feinde sind einem Menschen geschenkt, damit er an ihnen
wachse und erstarke. (…) Insbesondere eine Religion wie das Christentum kann
sich nur, wenn sie tapfer angegriffen wird, in ihrer wahren Kraft und inneren
Größe offenbaren; was aber an ihr schwach und vergänglich ist, das zu halten
kann ja niemand im Ernst wünschen.“[1]
[1]
Gerhard Wehr, Friedrich Rittelmeyer – Sein Leben - Religiöse Erneuerung als Brückenschlag,
Urachhaus, Stuttgart, 1998, S 61
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