Ich muss das Magazin, das ich
beinahe dreißig Jahre abonniert hatte und schließlich aus Ärger abbestellt
habe, weil ich seine zynisch-ironische Sprache nicht mehr ertragen konnte, das
ich aber dennoch ab und zu kaufe, um mich zu vergewissern, wie es meiner alten
„Geliebten“ geht, heute einmal loben. Die Ausgabe des „Spiegel“ vom 26.
September 2017, die als Nummer 1 erscheint, bringt eine sehr interessante
Analyse der Bundestagswahl. Ich möchte hier einen Ausschnitt widergeben, der
mir besonders gut gefällt. Unter dem Titel „Merkels Saat“ schreibt das Autorenkollektiv:
„Noch stellt niemand Merkels
Autorität offen infrage. Aber auf ihrer Amtszeit lastet eine Hypothek, die noch
kein anderer CDU-Kanzler der Partei aufgebürdet hat: Der Aufstieg der
Alternative für Deutschland ist ohne Merkel nicht denkbar, schon der Name der
Partei beinhaltet eine Referenz an die Kanzlerin, die ihre Euro-Rettungspolitik
als ‚alternativlos‘ bezeichnet hatte und in deren Folge sich die AfD dann im
Februar 2013 gegründet hatte.
Als sich die Griechenlandkrise
entspannte, war die AfD fast schon wieder verschwunden, aber dann kam im Herbst
2015 Merkels Entscheidung, die deutschen Grenzen nicht zu schließen. Die
Flüchtlingskrise wurde zur zweiten Geburtsstunde der AfD, sie vitalisierte und
radikalisierte die Partei gleichzeitig. Die Flüchtlinge waren, wie es
Spitzenkandidat Alexander Gauland in aller zynischen Offenheit sagte, ein
‚Geschenk des Himmels‘ für die AfD.
Die Republik steht nun vor der
wohl schwierigsten Regierungsbildung ihrer Geschichte. Da ist auf der einen
Seite die CSU, die in Bayern dramatisch auf unter 40 Prozent abgestürzt ist.
Sie wird scharf nach rechts ziehen, um die AfD-Konkurrenz bei der
bevorstehenden Landtagswahl im Herbst
2018 zu bekämpfen. ‚Wir hatten auf der rechten Seite eine offene Flanke‘, sagt
CSU-Chef Horst Seehofer. Die gelte es nun zu schließen. Die Grünen wiederum
wollen sich auf keinen Fall mit einer Union zusammentun, die von München aus
geführt wird. Seehofers Obergrenze ist für sie Teufelszeug, und ihr
überraschend starkes Ergebnis gibt ihnen den Mut zum Widerspruch. ‚Der
schwierigste Partner wird die CSU und nicht die Grünen‘, sagt Günther
Oettinger, der deutsche EU-Kommissar.
Zu allem Überfluss fehlt Merkel
auch noch eine Alternative, mit der sie drohen könnte, falls die Gespräche
stocken.“
Hier beschreibt der Spiegel eine
Situation, die – geistig gesehen – hoch interessant ist. Obwohl sich der
Spiegel seit seiner Gründung – soweit ich es übersehe mit einer einzigen nennenswerten Ausnahme[1] – dem Dogma des
Materialismus verschrieben hat, deutet er haarscharf auf das geistige „Gesetz
des Karmas" hin, ohne es zu benennen. Die Autoren zeigen aber exakt auf,
wie Karma wirkt.
Karma wirkte in früheren Zeiten
von einem Leben zum anderen. Im 21. Jahrhundert haben sich Ursache und Wirkung
jedoch radikal verkürzt. Von dem legendären Ausspruch von der
„Alternativlosigkeit“ bis zur Gründung der AfD vergingen gerade
einmal ein paar Wochen. Nun, etwa vier Jahre später, greift sogar die
Discounter-Kette Aldi in einer wahlbegleitenden Kampagne den Ausdruck auf, indem
sie ihn leicht abändert und sprachschöpferisch zu „aldinativlos“ umwandelt.
Immerhin deutet der Spiegel in
seiner Analyse das geistige Wirken – denn darum handelt es sich – an, indem er
Herrn Gauland zitiert: Ja, die Flüchtlingskrise war für die „Alternative für
Deutschland“ ein „Himmelsgeschenk“, denn erst dadurch ist sie groß geworden.
Die Geschichte kennt viele
solcher „Himmelsgeschenke“ seit der Antike. Es sind die sogenannten
„Danaer-Geschenke“, die immer dann eintreten, wenn die Völker oder ihre Führer eine
Verfehlung begangen haben, die den karmischen Ausgleich fordert.[2]
Der Raub der schönen Helena durch
den trojanischen Königssohn Paris löste einen Krieg aus, der zehn Jahre hin und
her wogte, aber schließlich durch die List des Odysseus mit einer totalen
Niederlage der Trojaner endete. Der Priester Laokoon hatte die Trojaner
vergeblich gewarnt.
Viele wundern sich, dass vor
allem die Menschen im Freistaat Sachsen mit überwältigender Mehrheit die AfD
gewählt haben. Auch das ist der karmische Ausgleich dafür, dass Helmut Kohl und
seine Regierung vor exakt 27 Jahren die DDR „annektiert“ und „abgewickelt“ hat.
Es war in Wirklichkeit nichts anderes als ein Raub.
Damals hat die Politik wieder
einmal in einem historischen Moment eine bedeutende Chance verpasst. Das kann
nicht ohne Folgen bleiben.
Aber so weit blicken unsere
Politiker nicht. Es gibt unzählige Beispiele für solche materialistischen
Kurzsichtigkeiten. Die Menschen an der Macht sind offenbar auf dem geistigen
Auge blind.
Aber das Volk ist genauso blind,
auch wenn es immerhin merkt, dass etwas „faul ist im Staate Dänemark“.
Aber das
bringt uns nicht weiter, auch wenn sich manche nun damit trösten, dass 87
„Prozent der Bevölkerung“[3] nicht die AfD gewählt
hätten. Aber selbst das ist eine Illusion: In Wirklichkeit waren es 87 Prozent
der Wahlberechtigten und nicht der Bevölkerung, also wesentlich weniger
Menschen, als von an und für sich intelligenten Leuten behauptet wird.
Wo Karma wirkt, darf man sich
nicht weiter in Illusionen wiegen, sondern sollte der Wahrheit – auch wenn sie
noch so unangenehm ist – ins Auge schauen. Dabei hilft auch das „Verteufeln“
des Gegners nicht. Die AfD ist in einem geistigen Vakuum entstanden. Ihre wahre
„Mission“ kann man nur verstehen, wenn man endlich die Glaubenssätze des
Materialismus überwindet und tiefer schaut.
[1]
Ich meine die Serie über die Anthroposophen von Peter Brügge im Jahre 1984, die
auch als „Spiegel-Buch“ erschienen ist.
[2]
Vergil bezeichnet das Trojanische Pferd, das die Griechen (Danaer) den
Trojanern als Geschenk zurücklassen, in seiner „Aeneis“ als solches: „“ich
fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke tragen“ (Buch II, 48 – 49)
[3]
So Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in der
Bundesrepublik am Montagmorgen im SWR2-Tagesgespräch
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