Gestern war also Herr M. M. aus Rumänien bei mir und wir haben von 19.00 – 21.15 Uhr zusammen
Deutsch geübt. Dabei habe ich als Grundlage den Anfang der Titelgeschichte aus
dem neuen „Spiegel“ (Nr. 37 vom 9.9.2017) gewählt, die sich mit dem derzeitigen
Bundestagswahlkampf in den östlichen Bundesländern der Republik – also in der
ehemaligen kommunistischen DDR – beschäftigt. In gewisser Weise ist dieser
„Bericht“ vom Wahlkampf eine Illustration dessen, was ich gestern über das
„sich befehdende Parteiwesen“ als Mittel Ahrimans aus dem Züricher Vortrag von
Rudolf Steiner zitiert habe.
Unter dem Titel „Früchte des
Zorns“ erläutert der Autor: „Selten wurde in der deutschen Politik so erbittert
gestritten und gehasst wie derzeit auf den Marktplätzen und im Internet. Mit
der AfD wird die Wut wohl in den Bundestag einziehen.“
Es ist interessant gewesen,
meinem Schüler dabei den Unterschied zwischen „Zorn“ und „Wut“ zu erklären. In
der deutschen Sprache spricht man vom alttestamentarischen „Zorn Gottes“, aber
nicht von seiner „Wut“.
John Steinbeck meinte einen
höheren Zorn, als er 1939 seinen Roman „Die Früchte des Zorns“ schrieb, der von einer Farmersfamilie handelt,
die ihre Heimat im mittleren Westen verlassen musste, weil der Humus der
umgebrochenen und zum Ackerland verwandelten Prärie in einer gigantischen
Staubwolke („Dust Bowl“) davongetragen wurde. Das fand in den 30er Jahren
tatsächlich statt und ist ein frühes Beispiel für den völlig falschen Umgang
der weißen Farmer mit der Natur in der Neuen Welt. Solch ein „Fehlverhalten“
rächt sich, wie wir auch heute wieder an der Erwärmung der Ozeane durch den
„Künstlichen Treibhauseffekt“ sehen können, der zu den bisher stärksten
Hurrikanen geführt hat, die Nordamerika getroffen haben. Diese Ereignisse
können religiöse Menschen mit dem „Zorn Gottes“ erklären.
Den Titel des Romans verdankte
John Steinbeck seiner Frau, die in ihm eine Anspielung auf einen Vers aus der
„Offenbarung des Johannes“ widergeben wollte: „Und der Engel schlug seine
Sichel an die Erde und schnitt den Weinstock der Erde und warf ihn in die große
Kelter des Zornes Gottes“ (Off. 14,19).
Obwohl die Bürger der ehemaligen
DDR seit der Wiedervereinigung viel Geld aus dem Westen erhalten haben, um ihr „rückständiges“
Land in eine „blühende Landschaft“ zu verwandeln, fühlen sie sich von der
Politik nicht wahrgenommen. Sie greifen den alten Slogan aus den
Montagsdemonstrationen vor der „Wende“ auf und deklamieren auf ihren
Versammlungen: „Wir sind das Volk“, und beklagen sich dabei, dass die Politik
sie als Volk gar nicht ernst nimmt. Ihr Protest hat ausgerechnet in einer aus der ehemaligen DDR stammenden Kanzlerin ihr Ziel gefunden: „Merkel muss weg! Wir sind das Volk!“
Der Artikelschreiber zeigt sich, wie
die meisten Medienvertreter, zunächst einmal parteiisch und versucht, die AfD und
die Ossis, wie üblich, pauschal in die rechte Ecke zu stellen. Auch er nimmt die wahren Gründe
für den Protest nicht wirklich wahr. Zum Schluss lenkt er jedoch ein wenig ein,
als er den Politik-Professor Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin
zitiert: „An der Polarisierung der Gesellschaft seien aber nicht nur die Spalter
in der AfD schuld, (…) sondern auch ‚viele der Anständigen‘, die im Gefühl der moralischen
Überlegenheit im Herbst 2015 jegliche, auch sich später als berechtigt herausstellende
Äußerung zur Flüchtlingsfrage in die ‚rechte Ecke‘ gestellt hätten“ (S 20).
Durch die Flüchtlingskrise wurden
in den Menschen in Ostdeutschland bis dahin unbewusste Ängste geweckt, die sich
seit zwei Jahren in Bewegungen wie Pegida und in einer Partei wie der AfD Luft machen.
Die tiefere Ursache für diese „Hassgefühle“
aber will niemand untersuchen.
Sie hängen meiner Überzeugung nach
damit zusammen, dass sich die westdeutsche Politik nach der Wiedervereinigung lediglich
um die Wirtschaft gekümmert, aber die Kultur vernachlässigt hat. Ich meine die wahre,
geistige Kultur, nicht das, was zum Beispiel an der Berliner Volksbühne durch einen
Frank Castorf betrieben wurde. Das war Kulturzertrümmerung.
Die ehemalige DDR wurde vom Westen
materiell aufgebaut, aber an die Stelle der „Idee des Kommunismus“ trat: nichts.
Der Kommunismus war, so falsch er auch war, immerhin eine Idee, die den Menschen
auch einen gewissen Halt gab. Nach dessen „Verteufelung“ entstand bei ihnen ein
geistiges Vakuum, in das nun all die Hass-Gefühle, die natürlich auch von Demagogen
angestachelt werden, hineinwirken können.
Bei ihrer Kritik an der „Überflutung" Deutschlands durch die Flüchtlinge geht es diesen Menschen im Grunde um Kultur.
Sie haben Angst vor einer Überformung der abendländischen Kultur durch die aus ganz
anderen Kulturen kommenden Menschen.
Ich habe bei meinen Besuchen in Naumburg,
Jena, Weimar und Dresden immer wieder erleben dürfen, wie informiert und geradezu
stolz die dortigen Bewohner auf ihre Kultur sind. Immerhin waren Thüringen und Sachsen
im 18. Jahrhundert die Zentren deutscher Hochkultur.
Nicht der Materialismus ernährt die
Menschen.
Er bringt nur „Früchte des Zorns“
hervor.
Was den Menschen wirklich ernährt,
ist eine geistige Kultur, die den Namen verdient, so wie sie noch von Goethe, Schiller,
Lessing und Herder vertreten wurde. Wer nur ein paar Zeilen dieser Dichter liest,
wird merken, wie weit wir uns in unserem Denken und Fühlen von diesen inzwischen
entfernt haben.
In ihrer Tradition stehen auch Rudolf Steiner und
seine Geisteswissenschaft.
Beide werden heute von den meinungsbildenden
Medien konsequent ignoriert.
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