Freitag, 24. März 2017

"Neun Monate bis Weihnachten"

Am 24. März 2017 war nicht nur der neunzigste Geburtstag von Martin Walser, sondern auch der erste Jahrestag des „Absturzes“ der „Gemanwings“-Maschine in den Französischen Alpen, bei dem 150 Menschen ums Leben kamen. 
Im „Wort zum Tag“ durch den Trierer Priester Altfried G. Rempe, der am Montag bereits eine schöne „Predigt“ zum Josefstag (am Vortag) gehalten hat[1], wurde ich kurz vor acht auf SWR2 an die Ermordung des elsalvadorianischen Priesters und Erzbischofs Oscar Romero[2] vor 37 Jahren, am 24. März 1980 erinnert.  Der ursprünglich konservative Erzbischof Romero (geboren am 15. August 1917) stellte sich nach dem Militärputsch in dem kleinen mittelamerikanischen Staat auf die Seite des Volkes und schrieb einen offiziellen Brief an US-Präsident Jimmy Carter, der im Jahr 1980 noch regierte. Die Hintergründe des Mordes sind heute weitgehend aufgeklärt. Den Auftrag hat ein gewisser Robert d’Aubuisson Arrieta gegeben, der in der amerikanischen Diktatoren- und Folterknechte-Ausbildungseinrichtung „School of the Americas (SOA) „studiert“ hat. Der Ermordung des Priesters vor dem Altar folgte ein zwölfjähriger Bürgerkrieg in El Salvador (zu Deutsch: "der Heiland"), in dem über 80000 „Zivilisten“ ihr Leben verloren.

Heute (25.03.2017) erinnert der Katholik an den Festtag „Mariä Verkündigung":

„Neun Monate noch bis Weihnachten. Kann schon sein, dass das im Moment nur mäßig interessant scheint; „drei Wochen nur bis Ostern“: das wäre jedenfalls näherliegend. Und trotzdem feiern die Kirchen heute genau das: Neun Monate bis Weihnachten.
Martin Luther hat es „eines der fürnehmsten Feste“ genannt. Und im katholischen Feiertagskalender ist es ein Hochfest. Und heißt „Verkündigung des Herrn“. Die Christen feiern den Tag, an dem ein Engel eingebrochen ist in den Alltag einer jungen Frau in der kleinen Stadt Nazaret in Galiläa. Mit einer Botschaft an Mirjam oder Maria: Du wirst schwanger und sollst einen Sohn zur Welt bringen. Und du sollst ihn Jesus nennen – Gott ist der Retter heißt das – und er wird König von Israel sein…
Wen wunderts: Maria ist erst mal erschrocken und dann ratlos. Wie soll sie schwanger werden – ist ja kein Mann da oder jedenfalls noch keine eheliche Verbindung. Und dann erzählt der Engel, wie das Wunder geschehen wird. Maria lässt sich darauf ein; vermutlich, ohne es zu verstehen. Aber das ist ihre Art, zu glauben: Sie lässt sich auf so eine riesige Herausforderung ein, obwohl sie sich damit selbst in Gefahr bringt. Unverheiratet schwanger – da drohte schon damals Schlimmes in der orientalischen Gesellschaft.
Aber mal ehrlich: Wer hätte bis heute verstanden, was da passiert. Um so wichtiger, das alles sozusagen zu erden und mit der wirklichen Realität zu verbinden. Deswegen heute, neun Monate vor dem Fest der Geburt: Fest der Ankündigung dieser Geburt. So wunderlich seltsam die Geschichte sein mag: Sie lässt sich am Kalender festmachen und an den natürlichen Abläufen.
Wie jeder andere Mensch braucht der kleine künftige Jesus neun Monate im Bauch seiner Mutter, bis er das Licht der Welt erblicken kann. Denn zur Welt kommt da einer von uns. Ganz Mensch eben.
Gottes Sohn sein: das wird er lernen. Weil er ein besonderes Verhältnis zu Gott hat und Gottes Liebe so sehr an sich heran lässt, dass er sie weitergeben kann. Das wird ihm eine ganz besondere Kraft geben – er wird Kranke gesund machen und Tote zurückrufen ins Leben.
Aber das dauert noch – erst mal neun Monate bis zur Geburt. Und dann dreißig Jahre unauffälliges Leben im Dorf Nazaret. Da können wir ruhig Karfreitag und Ostern feiern, in drei Wochen. Liegt im Moment einfach näher…“

Natürlich sind das rein katholische Sichtweisen, die hier „unters gläubige Volk“ gebracht werden. Aber ich finde es immer wieder gut, an die kirchlichen Festtage erinnert zu werden, auch wenn in diesen heute von den meisten Menschen nichts „Spirituelles“ mehr gesehen werden kann, weil sie einfach aus dem geistigen „Zeitenstrom“ heraus gefallen sind.

Martin Walser ist noch drin. Und deswegen schätze ich ihn.




[1] Wie das wohl war in so einer orientalischen Gesellschaft: Josef, der Zimmermann, verlobt mit einer jungen Frau aus dem Dorf, erfährt irgendwie: Mirjam ist schwanger. Vor der Ehe. Und jedenfalls von einem anderen Mann. Dass er noch nicht mit ihr zusammen war, weiß er ja mal mindestens.
Noch bis vor ein paar Jahren wäre so was selbst hier bei uns gefährlich gewesen; Menschen in südländischeren Gegenden haben so was ganz selbstverständlich gefunden: Ausgestoßen oder gleich gesteinigt worden wäre „so eine“ damals, in Galiläa, Israel, vor zweitausend Jahren. Hätte sogar eine vorgeblich religiöse Begründung gehabt.
Aber der Zimmermann tickt offensichtlich anders. Er vergisst, dass er blöd dastehen könnte –  der gehörnte Verlobte. Ihm ist das offensichtlich gleichgültig. Er nimmt seine Verlobte zu sich, berichtet die Bibel. Er wird dem Kind ein guter Vater, auch wenn das Kind sehr wahrscheinlich einen anderen Vater hat. “Das ist doch der Sohn des Zimmermanns“, sagen sie später im Dorf über Jesus, den Sohn der Maria; wissen also nichts von einer ungeklärten Vaterschaft. Ist doch einer von uns – was hat der uns von Gott zu erzählen… Der Sohn des Zimmermanns – und Josef steht vielleicht daneben. Und ich bin sicher: Er denkt und fühlt, dass sie Recht haben, obwohl er es ja eigentlich besser weiß.
Das, finde ich, ist die wirkliche Größe des Zimmermanns Josef aus Nazaret: Dass er treu gewesen ist, obwohl doch alles gegen diese Treue sprach. Vielleicht ist ihm ja wirklich ein starker und geschickter Engel erschienen, der ihm das alles erklärt hat, was bis heute kaum jemand richtig versteht…
Der hat es ihm jedenfalls so gut erklärt, dass Josef ein paar Jahre später sogar mit der nächsten seltsamen Geschichte zurechtgekommen ist: der frühpubertäre Jesus, gerade mal zwölf Jahre jung, bleibt einfach im Tempel in Jerusalem zurück; obwohl die Familie am Ende der Wallfahrt nach Nazaret unterwegs ist. Und blafft die Eltern an: Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss…
Glückwunsch allen Josefs, Jupps, Joes – und den Josefas und Josefines – gestern hatten sie Namenstag, aber weil gestern Sonntag war, ist das Hochfest auf heute verlegt. Und ich wünsche Ihnen und allen anderen jedenfalls Mut; den Mut, treu zu sein – wie damals der Zimmermann in Nazaret.

[2]Romero wurde am 24. März 1980 während einer Predigt in der Krankenhauskapelle der Divina Providencia (deutsch: Göttliche Vorsehung) vor dem Altar von einem Scharfschützen erschossen. Der in der von den USA betriebenen Militärakademie School of the Americas ausgebildete Major Roberto D’Aubuisson Arrieta war stellvertretender Geheimdienstchef und Drahtzieher der Todesschwadronen in El Salvador.“ (Wikipedia)

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