Dienstag, 31. Oktober 2017

Festgottesdienst zum Reformationstag

Ausnahmsweise ist dieses Jahr der Reformationstag wieder einmal in ganz Deutschland Feiertag, weil sich heute der Thesenanschlag Martin Luthers zum fünfhundertsten Mal jährt.

In seinem Vortrag vom 15. Januar 1917 spricht Rudolf Steiner auch über die Reformation auf eine Weise, dass mir zum ersten Mal die tieferen Zusammenhänge klar werden. Er sagt, dass sich im vierten nachatlantischen Zeitraum, in der griechisch-römischen Kulturepoche der theokratische Charakter der dritten nachatlantischen Kulturepoche, der ägyptisch-chaldäischen noch einmal wiederholt. Träger der Theokratie sind die südeuropäischen Länder Italien und Spanien. Dort bildet sich als hierarchisch-theokratische Macht die römisch-katholische Kirche heraus, die im Hohen Mittelalter, also im 13. Jahrhundert, berechtigterweise zu ihrer vollen Machtfülle heranwuchs. Aber damals begannen schon Gegenströmungen. Rudolf Steiner verweist auf Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach, die ein Christentum abseits von Rom anvisierten. Zur eigentlichen Opposition zu der Machtfülle der römisch-katholischen Kirche kommt es aber erst zu Beginn der Neuzeit mit John Wiclif, Johannes Hus und Martin Luther. Immer, wenn sich ein Impuls überlebt hat, tritt ein neuer Impuls auf, um den alten abzulösen. Das sind die geistigen Gesetze.
Der nächste Impuls ist das Diplomatische der Franzosen, der eigentlich auf ein verborgenes Königtum einer früheren Kulturepoche zurückgeht. Die ganze gebildete Welt sprach im 17. Und 18. Jahrhundert Französisch. Diesem Impuls entstand eine Opposition in der deutschen Klassik mit Schiller und Goethe.
Der dritte Impuls schließlich geht von Großbritannien aus und betrifft das Kommerziell-Industrielle. Er will sich über die ganze Welt ausbreiten, was ja heute durch die Globalisierung bereits der Fall ist. Die Opposition zu diesem Impuls, so deutet Rudolf Steiner zart an, stellt die Geisteswissenschaft dar.

Ich hatte mich entschlossen, heute am Reformationsfeiertag einmal in den zentralen Gottesdienst in der Stadtkirche Sankt Michael zu gehen und nicht in den Familiengottesdienst in der Kreuzäckergemeinde.
Es war mein erster Gottesdienst in der schönen spätgotischen Michaelskirche, in der Johannes Brenz 1527 die Reformation eingeführt hat, zehn Jahre nach dem Thesenanschlag. Es war ein „Ökumenischer Festgottesdienst zum Reformationstag“ mit der Dekanin Anne-Kathrin Kruse, die ich dadurch zum ersten Mal predigen gehört habe.  Außer ihr gestalteten Pastorin Ute Armbruster-Srephan von der Evangelisch-Methodistischen Kirche, Bettina Koch von den Baptisten und Pfarrer Thomas Hertlein von der katholischen Kirche den Gottesdienst, der gleichzeitig vom südwestdeutschen Rundfunk für den Sender SWR4 übertragen wurde.
Die schöne Einführung für die Hörer sprach Rundfunkpfarrerin Dr. Lucie Panzer, die ich schon oft im Radio gehört habe. Nun sehe ich die schlanke, sportliche Frau zum ersten Mal. Sie hat mir mit ihrer schönen Aussprache am meisten gefallen.
Lustig fand ich, wie die vier Pfarrerinnen im nördlichen Kirchenschiff auf einem Bänkchen Platz genommen hatten und ihre Auftritte erwarteten, alle, außer Lucie Panzer und Frau Koch in festlichem Ornat. Der katholische Geistliche, ebenfalls festlich gekleidet, der – wie ich annehme – nicht verheiratet ist, saß als fünfter genau in der Mitte der Frauen.
Dieser äußere Kontrast zeigt im Grunde mehr als all die frommen Worte, die in den Beiträgen gesprochen wurden, das wahre Verhältnis zwischen Evangelischer und Katholischer Kirche. Ein Abendmahl gab es nicht, obwohl es ein Festgottesdienst war. Auch das ist bezeichnend für die Kluft, die die beiden Kirchen immer noch trennt und die nicht so leicht zu überbrücken ist.
Das Zölibat und die unterschiedliche Abendmahlsauffassung sind die beiden Streitpunkte, die die Kirchen seit 500 Jahren trennen.
Nach dem Festgottesdienst lud Oberbürgermeister Pelgrim zum Empfang ins Rathaus ein, in jenen Rokoko-Bau, der genau gegenüber der Michaelskirche an der Stelle steht, an der vor dem großen Stadtbrand bis zum 31. August 1728 die Jakobskirche stand. Es gab im restaurierten Sitzungssaal Wein, Wasser, Orangensaft und verschiedene Arten von Croissants.

Atemberaubend ist der einmalige Blick vom Balkon des Sitzungssaales auf den Marktplatz, die Treppe, den romanischen Turm und das Schiff der Michaelskirche. Vom Untergeschoss des Turmes grüßt die wunderbare Michaelsstatue, also das Abbild des Stadtpatrons von Schwäbisch Hall.

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