Samstag, 17. November 2018

Malcom McLaren (1946 - 2010) - der Inspirator des Punk


Gestern kam eine Dokumentation auf Arte, in der Campino, der Leadsänger der „Toten Hosen“[1] erzählt, wie er als 14jähriger in diesem Schlüsseljahr zum ersten Mal in London war und die Atmosphäre dieser Zeit tief verinnerlicht hat: „London’s Burning: Campino auf den Spuren des Punk“ von Hannes Rossacher und Simon Witter (Deutschland 2016).
In jenem Jahr, ein Jahr vor dem Silber-Jubiläum der Thronbesteigung von Königin Elisabeth im Jahre 1952, geriet die Wirtschaft des Landes durch zahllose Streiks, die durch die Gewerkschaften angeführt wurden, in eine ihrer schlimmsten Krisen nach dem Zweiten Weltkrieg. Weil auch die Müllmänner streikten, häufte sich der Müll zum Jubiläum 1977 auf Londons Straßen zu Bergen. Von diesem „Müll“ haben die „Punks“ ihren Namen.
Die depressive Stimmung der Jugendlichen, die sich Sicherheitsnadeln ins Gesicht stachen, zerfetzte Kleider trugen und wilde Frisuren liebten, drückte sich in dem Slogan „No Future“ aus.
Ich habe diesen Musikstil nie geliebt und auch die ganze Mode war mir zuwider. Wenn ich solche Jugendliche sah, dann waren sie mir nur fremd und noch heute trennen mich Welten von ihnen. Zu einer menschlichen Begegnung kam es nie, auch wenn ich hin und wieder einen Schüler hatte, der sich als Punk fühlte. Sie repräsentieren wie die vielen anderen anschließenden Stilrichtungen wie „Gothic“ oder „Metal“ eine Welt, zu der ich keinen Zugang habe und auch keinen Zugang suche. Ich bin in der Studenten- und Hippiegeneration groß geworden und trug viele Jahre (bis 2009) lange Haare.
In einem Lied höre ich in der Dokumentation, die ich etwa bis zur Hälfte angeschaut habe zweimal ein Lied, in dem die Zeile vorkommt: „I am an Antichrist – I am an Anarchist!“ Hier erkenne ich die Entgegensetzung zu den „ich-bin“-Worten des Christus. Ich bin überzeugt, dass dieser Musikrichtung, die mit allen bisherigen Traditionen des Rock’n Roll brach, noch deutlicher als bei den Beatles und den Rolling Stones eine Inspiration Ahrimans zugrundeliegt. Was 1968 mit „Sympathy with the Devil“ als Eröffnungssong auf dem Album „Beggars Banquet“ die Tür zum Bösen aufstieß, nahm mit Black Sabbath, Alice Cooper und ACDC offen satanistische Züge an und erreichte mit den „Sex-Pistols“ acht Jahre später im Jahr 1976 seinen selbstzerstörerischen Höhepunkt.
Was Pattie Smith in dieser Szene suchte, ist mir bis jetzt unklar. Diese Frau schätze ich eigentlich, seitdem ich ein Interview mit ihr und Christoph Schlingensief anlässlich einer Ausstellung im Münchner „Haus der Kunst“ gesehen habe. Auch der Sänger Lou Reed, den ich ebenso schätze, hatte offenbar einen stilprägenden Einfluss auf die Punk-Szene, besonders sein Album „Rock’n Roll Animal“. Auf dem Cover des Albums trug er ein silbernes Halsband, das Modegeschichte schrieb.
Die „Sex Pistols“ spielten ihren ersten Gig ausgerechnet in einer Kirche, der Kirche Notre-Dame im Londoner Stadtteil Soho, wie der Fremdenführer auf den Spuren der Wurzeln des Punk, der 40 Jahre später durch London führt, erklärt. „Punk“ ist heute offenbar ein Teil der „Pop-Kultur“, oder wie Mike Clewley, der Kulturmanager Londons Campino erklärt, „Teil des britischen Nationalerbes“. Der (ahnungslose) Mann erklärt, dass Punk junge Menschen heute noch in der ganzen Welt „inspirieren“ würde. Da hat er wohl recht, aber ganz anders, als er denkt.
Obwohl die Band damals landesweit verboten war, ließ sie die katholische Kirche spielen. Merkwürdig, dass der „Antichrist“ aus einer christlichen Kirche in die Welt kam…

„London’s Burning“ (London brennt) ist ein guter Titel für die Dokumentation. Was es heißt, wenn eine Stadt wirklich brennt, konnte ich vorgestern, gestern und heute im Fernsehen sehen: es wurden in den Nachrichten Bilder von der vollkommen zerstörten Stadt Paradise in Kalifornien gezeigt. So etwas habe ich noch nie gesehen: Über 20000 Häuser bis auf die Grundmauern zerstört, über 70 verkohlte Leichen. Unglaublich!
Feuer ist immer ein Zeichen für das Wirken von Widersachermächten. Nicht umsonst wird die Hölle in der Tradition immer als Feuer-Pfuhl dargestellt. Aus dem Paradies ist so eine Art Hölle von heute geworden.
Natürlich habe ich Mitleid mit den Menschen, die dort alles verloren haben oder die in den Flammen grausam umgekommen sind. Ich stelle mir vor, ich fahre auf einer Straße und versuche zu fliehen und rechts und links brennt der Wald. Die Hitze im Auto wird immer unerträglicher und schließlich steht der Tank in Flammen. Da ist kein Entkommen mehr. Ein Alptraum.
Wenn Campino vor seinem inneren Auge die britische Hauptstadt "brennen" sieht, dann deutet er unbewusst auf einen ähnlichen Zusammenhang.
Campino scheint richtig begeistert zu sein von der Punk-Bewegung. Und doch glaubt er im Gegensatz zu den echten Punkern offensichtlich noch an eine Zukunft und ist in der Lage, die Ereignisse von vor 40 Jahren zu reflektieren. Viele sind es nicht mehr, denn sie sind im Kampf mit der Droge unterlegen wie zum Beispiel der Lead-Sänger der Sex-Pistols, Sid Viciuos. Der im Jahr 1957 in London  geborene Punk-Musiker starb erst 22-jährig am 2. Februar 1979 an einer Überdosis Heroin in New York. Mit bürgerlichem Namen hieß er Simon John Ritchie.
"Vicious" bedeutet „lasterhaft“, „böse“; ein „vicious circle“ ist ein Teufelskreis. Die englische Redewendung „to break the vicious circle“ bedeutet: den Teufelskreis durchbrechen.
Auch die New Yorker Band „Richard Hell & the Voidoids“ klingt ziemlich schräg. Was Voidoiden[2] sind, weiß ich nicht, aber was „hell“ bedeutet, schon: Hölle. Die Band sang 1977 das Lied „Blank Generation“. Das englische Wort „blank“ heißt „blass“, „leer“, „ohne Leben“, gemeint ist vermutlich die leere Seele als das perfekte Einfallstor für Dämonen. Jedenfalls wurde diese Art von Musik und Mode durch Malcolm McLaren[3], den Manager der Sex Pistols, nach London gebracht und hat dadurch das Gesicht der Stadt an der Themse für die nächsten zehn Jahre geändert, erzählt der Sänger und Autor Chris Sullivan Campino in dem Film.
Man kann hier mit Mephisto sagen, dass der Name schon verrät, wes Geistes Kind man ist: „nomen est omen“
Auch der Name der Band „The boomtown rats“ (die Boomstadtratten) mit dem Sänger Bob Geldorf deutet auf den geistigen Stand der „Musiker“ hin. Ich frage mich, wie man sich selbst solche Namen wie die „Sexpistolen“ und die „Stadtratten“ geben kann. Das wird heute gerne als Provokation gedeutet. Aber für den, der tiefer sieht, drückt sich darinnen mehr aus: diese „Musiker“ sind „inspiriert“ von einem Widersachergeist.
Bob Geldorf sagt in der Dokumentation, dass es in der wirtschaftlichen Krisenzeit Ende der 70er Jahre überall Ratten in London gab, weil der Müll nicht mehr entsorgt wurde. Das wäre immerhin eine rationale Erklärung für den Namen seiner Band.
1979 war die englische Regierung am Ende. Dann kam die „eiserne Lady“, Maggie Thatcher.
Auch Deutschland machte in jener Zeit eine heftige Krise durch. Die RAF entführte und tötete Industrielle. Im Herbst 1977 erreichte der Terror seinen Höhepunkt mit der Entführung des Passagierflugzeuges „Landshut“, der Ermordung Hans-Martin Schleyers und dem Selbstmord der Führungsriege der RAF im Hochsicherheitstrakt in Stuttgart-Stammheim. Ich war mitten in den Vorbereitungen auf mein Staatsexamen. Ich wohnte mit I. in einer winzigen Einzimmerwohnung im Dachgeschoss eines gründerzeitlichen Hauses in der Schwarenbergstraße im Stuttgarter Osten.
Eine weitere New Yorker Band beeinflusste den Londoner Punk maßgeblich, „The Ramones“,  von der ich zum ersten Mal von meinem Kollegen Thomas Roder gehört habe, der selbst ein begeisterter Musiker ist und immer wieder in Ellwanger Kneipen auftrat. Die beinahe schon mythischen „Ramones“ spielten im New Yorker CBGB-Club 1977 den Song „Blitzkrieg Bop“. Das ist wieder so ein provokanter Titel, der halbbewusst an die Nazi-Zeit erinnert und damit eigentlich nichts Gutes heraufbeschwört. Wer will schon „Blitzkrieg“?
New York, so wird erzählt, war eine kreative Insel in einem Riesenland. Dort entstanden die Ideen. In London wurden sie dann aufgegriffen und von Großbritannien aus über die ganze Welt ausgebreitet.
Mir kommt das Ganze so vor, als spielten sich dumme Jungs, die nicht einmal Gitarre spielen oder richtig singen konnten, zum Zentrum einer „Idee“ auf, die alle, die progressiv sein wollten, ergriff und den Rest als Nerds betrachtete. Über diese „20jährigen“, die schon fertig sein wollen und ihre Meinung überall hinausposaunen, lästert schon Rudolf Steiner in seinen Vorträgen vom Januar 1917.
Die Medien, die an dieser Antikulturrevolution mächtig verdienten, bliesen diese Möchtegern-Musiker zu Popstars auf, die sie eigentlich gar nicht sein wollten. Die teuflischen Inspirationen lebten manche bis zum bitteren Ende, ohne zu merken, wer sie da in Wirklichkeit verführt hatte. Aber zumindest war ihr Leben nicht langweilig, dank der Musik, der Mädchen und der Drogen. Was dieses schnelle Leben jedoch nachtodlich für die jungen Leute bedeutet, das kann man nur erahnen. Es dürfte für einige nicht sehr angenehm sein, sondern eher einer schrecklichen, nicht enden wollenden Achterbahn gleichen.
Der „Impresario“ Malcolm McLaren ist immerhin schon 1946 geboren und war 1976 bereits über dreißig Jahre alt. Von ihm hätte man ein wenig mehr Reife und Vernunft erwarten können. Ohne ihn wären die „Sex Pistols“ vielleicht noch eine ganz brauchbare Band geworden, wie zum Beispiel die „Pussycats“[4], die 1976 mit „Mississippi“ einen Nummer-eins-Hit in Großbritannien landeten. Aber genau gegen diese weichgespülte Pop-Musik und gegen die Kommerzialisierung des Rock rebellierten die zornigen jungen Männer und Frauen von London 1976. Als Viv Albertine von der Mädchenband „Slits“ damals Johnny Rotten[5], den Gründer der „Sex Pistols“, spielen hörte, war sie begeistert.
Julien Temple, der Filmemacher, der den ersten Musikfilm mit den Sex Pistols drehte („The great Rock’n Roll Swindle“[6]), sagte, dass sie damals wie Menschen vom Mars oder mit ihren stacheligen Haaren wie "Insektenmänner" aussahen. Sie schrien in einem “Song”  „I hate you!“ statt „I love you“ und zerstörten ihn dadurch zugleich. Der Filmemacher wurde zunächst verjagt und ging dann auf ein zweites Konzert. Dort waren nur etwa 15 Zuhörer und er sagt, sie sahen aus wie „verrückte Alptraumfiguren aus einem Cartoon“.
Die „Sex Pistols“ existierten eigentlich nur 18 Monate und nahmen nur ein Album auf.
Durch ihren Auftritt bei der Bill-Grundy-Show im britischen Fernsehen wurden sie über Nacht in ganz Großbritannien berühmt. Die Boulevardpresse tat ihr übriges, um die Empörung auszubeuten und weiter anzuheizen. Aus den harmlosen Jungs wurden die „Schädlinge“ der Nation. Von da an war die Welt für viele Jugendliche unter 25 eine andere. In Deutschland griff Nina Hagen die „Idee“ des Punk auf und sang 1979 mit dem Lied „Auf’m Bahnhof Zoo“ einen der ersten deutschen „Punksongs“. Im österreichischen Fernsehen zeigte sie zur besten Sendezeit, wie sich Frauen selbst befriedigen, und begründete das damit, dass das Leben ja ohne guten Sex doch nur „die Hölle“ sei. Auch dieser völlig unreifen Frau gelang es damals durch ihre freche Art, die guten Bürger nachhaltig zu erschrecken, was ihr ohne Fernsehen nie gelungen wäre.
McLaren, der in der Londoner Kings Road den Modeladen „Sex“ führte, hatte Wilhelm Reichs „Die Mysterien des Orgasmus“ studiert und wollte der „ultimative disraptor“ sein, der die alte Ordnung stürzt und sehen will, was dann passiert. Er hatte für sein „Punk-Paket“ vier Prinzipien: Nonkonformität, Antiautorität, Do it Yourself und Chaos.
McLaren war der „spiritus rector“ hinter der Punkbewegung.
Durch ihn wurde sie erst groß und bekannt.


[1] Mein ältester Sohn liebte früher die „Toten Hosen“ und hat sie mindestens zweimal „live“ erlebt. Einmal habe ich ihn von Pforzheim aus zu einem Konzert nach Karlsruhe gefahren. Ich mag die Band, die mit Liedern wie „Du lebst nur einmal“ zeigt, wie materialistisch sie eingestellt ist, nicht, besonders seit sie meint, sich „gegen rechts“ positionieren zu müssen. Das erscheint mir für einen Musiker wie Campino, der immerhin mit Wim Wenders zusammengearbeitet hat, ein wenig „billig“.
[2] Der Name klingt nach einer ausgestorbenen Saurier-Art.
[3] Der Schotte wurde als zweijähriger von seinem Vater verlassen und wurde von der jüdischen Großmutter (mütterlicherseits) Rose Corre Isaacs erzogen, einer Tochter von einst reichen portugiesischen Diamanten-Händlern. McLaren erzählte später, dass seine Großmutter ihm gesagt hatte: „To be bad is good … to be good is simply boring“ (schlecht sein ist gut – gut sein ist nur langweilig). Als Malcom sechs war, heiratete seine Mutter den Juden Martin Levy, und öffnete mit ihm einen Frauenkleiderladen im Londoner East End. https://en.wikipedia.org/wiki/Malcolm_McLaren. Immer wieder fällt mir auf, dass hinter den großen Pop-Gruppen jüdische Impresarios stehen. Der wohl bekannteste ist Brian Epstein, der Manager der Beatles. McLaren interessierte sich für die Philosophie von Wilhelm Reich. Das war der Grund, warum er seinen Modeladen in London „Sex“ nannte.
[4] Der Name der Band „Pussycats“ erinnert an eine erotische Komödie aus dem Jahr 1965: „What’s new, pussycat?“ von Clive Donner. In dem Film, dessen Drehbuch aus der Feder des sexbesessenen Woody Allen stammte, spielen neben Peter O’Toole und Peter Sellers auch so bekannte weibliche Schauspielerinnen wie Ursula Andress und Romy Schneider mit. Wenn man das „Pussy“ durch „Sex“ und das „Cats“ durch „Pistols“ ersetzt, dann hat man im Grunde genau die Gegenthese zur These.
[5] „rotten“ heißt „verdorben“ und klingt ein bisschen wie „Ratten“. Der Gründer von The Sex Pistols wurde  1956 als John Joseph Lydon in Irland in eine katholische Familie geboren und katholisch erzogen. Später sagte er:”I never had any godlike epiphanies or thought that God had anything to do with this dismal occurrence called life” https://en.wikipedia.org/wiki/John_Lydon
[6] Der Titel Swindel bedeutet „Schwindel“ und geht auf McLarens Grundregeln zurück, „wie man das Publikum täuscht und betrügt“ (Campino).

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