Mittwoch, 13. September 2017

Wahlkampf in den "neuen Bundesländern"

Gestern war also Herr M. M. aus Rumänien bei mir und wir haben von 19.00 – 21.15 Uhr zusammen Deutsch geübt. Dabei habe ich als Grundlage den Anfang der Titelgeschichte aus dem neuen „Spiegel“ (Nr. 37 vom 9.9.2017) gewählt, die sich mit dem derzeitigen Bundestagswahlkampf in den östlichen Bundesländern der Republik – also in der ehemaligen kommunistischen DDR – beschäftigt. In gewisser Weise ist dieser „Bericht“ vom Wahlkampf eine Illustration dessen, was ich gestern über das „sich befehdende Parteiwesen“ als Mittel Ahrimans aus dem Züricher Vortrag von Rudolf Steiner zitiert habe.
Unter dem Titel „Früchte des Zorns“ erläutert der Autor: „Selten wurde in der deutschen Politik so erbittert gestritten und gehasst wie derzeit auf den Marktplätzen und im Internet. Mit der AfD wird die Wut wohl in den Bundestag einziehen.“
Es ist interessant gewesen, meinem Schüler dabei den Unterschied zwischen „Zorn“ und „Wut“ zu erklären. In der deutschen Sprache spricht man vom alttestamentarischen „Zorn Gottes“, aber nicht von seiner „Wut“.
John Steinbeck meinte einen höheren Zorn, als er 1939 seinen Roman „Die Früchte des Zorns“  schrieb, der von einer Farmersfamilie handelt, die ihre Heimat im mittleren Westen verlassen musste, weil der Humus der umgebrochenen und zum Ackerland verwandelten Prärie in einer gigantischen Staubwolke („Dust Bowl“) davongetragen wurde. Das fand in den 30er Jahren tatsächlich statt und ist ein frühes Beispiel für den völlig falschen Umgang der weißen Farmer mit der Natur in der Neuen Welt. Solch ein „Fehlverhalten“ rächt sich, wie wir auch heute wieder an der Erwärmung der Ozeane durch den „Künstlichen Treibhauseffekt“ sehen können, der zu den bisher stärksten Hurrikanen geführt hat, die Nordamerika getroffen haben. Diese Ereignisse können religiöse Menschen mit dem „Zorn Gottes“ erklären.
Den Titel des Romans verdankte John Steinbeck seiner Frau, die in ihm eine Anspielung auf einen Vers aus der „Offenbarung des Johannes“ widergeben wollte: „Und der Engel schlug seine Sichel an die Erde und schnitt den Weinstock der Erde und warf ihn in die große Kelter des Zornes Gottes“ (Off. 14,19).
Obwohl die Bürger der ehemaligen DDR seit der Wiedervereinigung viel Geld aus dem Westen erhalten haben, um ihr „rückständiges“ Land in eine „blühende Landschaft“ zu verwandeln, fühlen sie sich von der Politik nicht wahrgenommen. Sie greifen den alten Slogan aus den Montagsdemonstrationen vor der „Wende“ auf und deklamieren auf ihren Versammlungen: „Wir sind das Volk“, und beklagen sich dabei, dass die Politik sie als Volk gar nicht ernst nimmt. Ihr Protest hat ausgerechnet in einer aus der ehemaligen DDR stammenden Kanzlerin ihr Ziel gefunden: „Merkel muss weg! Wir sind das Volk!“
Der Artikelschreiber zeigt sich, wie die meisten Medienvertreter, zunächst einmal parteiisch und versucht, die AfD und die Ossis, wie üblich, pauschal in die rechte Ecke zu stellen. Auch er nimmt die wahren Gründe für den Protest nicht wirklich wahr. Zum Schluss lenkt er jedoch ein wenig ein, als er den Politik-Professor Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin zitiert: „An der Polarisierung der Gesellschaft seien aber nicht nur die Spalter in der AfD schuld, (…) sondern auch ‚viele der Anständigen‘, die im Gefühl der moralischen Überlegenheit im Herbst 2015 jegliche, auch sich später als berechtigt herausstellende Äußerung zur Flüchtlingsfrage in die ‚rechte Ecke‘ gestellt hätten“ (S 20).
Durch die Flüchtlingskrise wurden in den Menschen in Ostdeutschland bis dahin unbewusste Ängste geweckt, die sich seit zwei Jahren in Bewegungen wie Pegida und in einer Partei wie der AfD Luft machen.
Die tiefere Ursache für diese „Hassgefühle“ aber will niemand untersuchen.
Sie hängen meiner Überzeugung nach damit zusammen, dass sich die westdeutsche Politik nach der Wiedervereinigung lediglich um die Wirtschaft gekümmert, aber die Kultur vernachlässigt hat. Ich meine die wahre, geistige Kultur, nicht das, was zum Beispiel an der Berliner Volksbühne durch einen Frank Castorf betrieben wurde. Das war Kulturzertrümmerung.
Die ehemalige DDR wurde vom Westen materiell aufgebaut, aber an die Stelle der „Idee des Kommunismus“ trat: nichts. Der Kommunismus war, so falsch er auch war, immerhin eine Idee, die den Menschen auch einen gewissen Halt gab. Nach dessen „Verteufelung“ entstand bei ihnen ein geistiges Vakuum, in das nun all die Hass-Gefühle, die natürlich auch von Demagogen angestachelt werden, hineinwirken können.
Bei ihrer Kritik an der „Überflutung" Deutschlands durch die Flüchtlinge geht es diesen Menschen im Grunde um Kultur. Sie haben Angst vor einer Überformung der abendländischen Kultur durch die aus ganz anderen Kulturen kommenden Menschen.
Ich habe bei meinen Besuchen in Naumburg, Jena, Weimar und Dresden immer wieder erleben dürfen, wie informiert und geradezu stolz die dortigen Bewohner auf ihre Kultur sind. Immerhin waren Thüringen und Sachsen im 18. Jahrhundert die Zentren deutscher Hochkultur.
Nicht der Materialismus ernährt die Menschen.
Er bringt nur „Früchte des Zorns“ hervor.
Was den Menschen wirklich ernährt, ist eine geistige Kultur, die den Namen verdient, so wie sie noch von Goethe, Schiller, Lessing und Herder vertreten wurde. Wer nur ein paar Zeilen dieser Dichter liest, wird merken, wie weit wir uns in unserem Denken und Fühlen von diesen inzwischen entfernt haben.
In ihrer Tradition stehen auch Rudolf Steiner und seine Geisteswissenschaft.

Beide werden heute von den meinungsbildenden Medien konsequent ignoriert.

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