Montag, 25. September 2017

"Wer nicht denken will, fliegt raus!" - Zum Ergebnis der Bundestagswahl 2017

Politiker müssen Machtmenschen sein. Wenn sie es nicht sind, dürfen sie nicht Politiker werden. 
So weit, so gut. 
Aber Politiker müssen auch Ideen haben.  Genau das aber vermisst „das Volk“ – vielleicht noch mehrheitlich unbewusst – bei einer Kanzlerin Merkel, die ohne Zweifel ein Machtmensch ist, wenn sie auch als „Kohls Mädchen“ angefangen hat und heute von vielen „Mutti“ genannt wird. Ihr „Basta“ hört man nicht wie bei ihrem Vorgänger, aber sie ist ein „Kontrollfreak“, wie der Fotograf Konrad R. Müller, der alle Kanzler fotografiert hat, feststellt (Spiegel 37 vom 9.9.2017). Nun fand ihr politischer Herausforderer, der SPD-Kanzler-Kandidat am Wahlabend eine Metapher, die zwar verletzend ist, aber meines Erachtens den Nagel auf den Kopf trifft: er nannte Frau Merkel einen „Ideenstaubsauger“.
Dieses Bild passt. Auf der einen Seite schnappt die Kanzlerin aus ihrer Umgebung Ideen auf, auf der anderen stößt sie heiße Luft aus. 
Die Ideen werden ihr vorwiegend von ihren amerikanischen Verbündeten eingeflüstert, wie jederman weiß, der sich wundert, dass sie sich nicht deutlicher gegen das Ausspionieren Deutschlands von englischen und amerikanischen Geheimdiensten gewehrt hat.
Wenn die deutsche Bundeskanzlerin meint, sie müsse sich im Interesse der von Amerika geführten Nato für Sanktionen gegen Russland entscheiden, obwohl das nicht nur der russischen, sondern auch der deutschen Wirtschaft schadet, dann kann ich das mit gesundem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehen: Die gut Russisch sprechende ehemalige Ostdeutsche hätte, wenn sie ihre eigentliche Aufgabe ergriffen hätte, die perfekte politische Gesprächspartnerin für den gut Deutsch sprechenden russischen Staatschef Putin werden können.
Diese Chance hat sie tragischerweise verpasst!
Stattdessen stellt sie sich auf die Seite Amerikas, das nichts mehr fürchtet, als ein Zusammengehen deutschen Know-Hows mit dem riesigen Rohstoff-Reich Russland. 
Dazu musste erst einmal von jenen Kräften, die im Namen der verlogenen „Open Society“ des amerikanischen Spekulanten George Soros auf der ganzen Welt bunte Revolutionen fördern, die Ukraine destabilisiert werden. Als sich dann die Krim durch eine Volksabstimmung für unabhängig erklärte, war ein willkommener äußerer Grund für die von Amerika geforderten Sanktionen da. Als sich der Kosovo Jahre zuvor für unabhängig von Serbien erklärte, feierte man das als einen Sieg des Westens.
Aber das war nur der Endpunkt jenes unseligen Jugoslawienkrieges, für den die Nato 1998 sogar den ersten grünen Außenminister Joschka Fischer zum Verbündeten gewann. Dafür hat er von seinen Parteifreunden, die das als Verrat an den pazifistischen Idealen der Partei verstanden haben, die Rechnung in Form von Tomaten umgehend serviert bekommen. Auch Frau Merkel musste sich im eben zu Ende gegangenen Wahlkampf Tomaten gefallen lassen. 
Herr Steinmeier hat schon Recht, dass „Tomaten keine Argumente“ sind. Das meine ich auch.
Aber wenn unsere Staatslenker ihre Macht missbrauchen, dann antwortet die Volkswut auch einmal mit Pfiffen und Tomaten. Und Frau Merkel hat ihre Macht mehrmals – völlig undemokratisch – missbraucht: Ihre Beschlüsse hat sie am Parlament und am Gesetz vorbei völlig spontan gefasst: das war 2008 bei der Bankenrettung so, das war bei dem Umschwung in der Energiepolitik 2011 so, und das war schließlich bei der „Flüchtlingskrise“ im September 2015 so.
Der letzte spontane Fauxpas der Kanzlerin war ihr Interview, in der sie plötzlich von der konservativen CDU-Position abwich, und meinte, man könne ja mal über die „Ehe für alle“ nachdenken. Eine Woche später wurde daraus ein Bundestagsbeschluss – für mich der endgültige Beweis dafür, dass unsere Politiker nicht denken wollen. Der Begriff „Ehe“ ist, wie ich in einem früheren Blog aufgezeigt habe, eindeutig definiert und kann nicht auf „alle“ ausgedehnt werden.
Joseph Beuys sagte einmal in einer seiner Versammlungen etwas provokativ: „Wer nicht denken will, fliegt raus!“
Ich denke, das miserable Abschneiden der Großen Koalition bei der Bundestagswahl zeigt, dass Joseph Beuys recht hatte. Viele Genossen und Christdemokraten sind „rausgeflogen“.
Aber wer kommt nun „rein“?
Die Politiker der AfD greifen – völlig zu Recht – die allgemeine Volksunzufriedenheit auf. Die meisten Wähler haben diese Partei nicht aus Überzeugung gewählt, sondern aus Enttäuschung über die Politik der „Groko“.
Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass die AfD-Politiker besser denken können, als viele der bisherigen Abgeordneten des Bundestages. Aber sie stellen zumindest schon einmal zahlreiche liebgewonnene „Dogmen“ in Frage. Diese „Glaubensgrundsätze“ sind nur die Meinungen weniger, die aber bisher in den Medien vorherrschend waren.
Das dürfte sich nun ändern. Und das sehe ich als eine reale Chance für unsere Demokratie, nicht als Gefahr. Unsere durch viele Krisen gestärkte parlamentarische Demokratie braucht kein „Bollwerk“ (Martin Schulz) gegen andere Meinungen, solange diese sachlich vorgetragen werden. Da haben allerdings manche Politiker der AfD noch einen Lernprozess zu absolvieren, wie zum Beispiel der frühere CDU-Politiker, Alexander Gauland, der sich gerne mal im Ton vergreift.
Aber wie sieht es mit der künftigen Regierung aus. Wenn nicht noch etwas völlig Überraschendes passiert, dann wird die christliche „Union“ mit den freien Demokraten und den Grünen eine schwarz- gelb-grüne Jamaika-Regierungs-Koalition bilden.
Um die Denkfähigkeit dieser „Wahlgewinner“ zu prüfen, sollte man sich einmal ihre flotten Werbesprüche auf den Wahlplakaten anschauen. Ich greife nur zwei heraus: Die Grünen ließen texten: „Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts!“ Das ist so, wie es da steht, gedanklicher oder sprachlicher Quatsch. Richtig kann es heißen: „Umweltpolitik ist nicht alles, aber ohne Umweltpolitik ist alles nichts“.
Den Vogel schießt aber die FDP ab, die in ihrem Wahlkampf ausdrücklich  ein „neues Denken“ propagierte, wenn sie texten lässt: „First digital, Second bedenken“.
Das erinnert mich, abgesehen von dem Mischmasch aus Deutsch und Englisch und der bewussten sprachlichen Konnotation zu „America first“ von D.T., stark an den Schnellschuss von Bundeskanzler und Leo-Kirch-Freund Helmut Kohl, als er 1984 eigenmächtig die Privat-Fernseh-Sender in Deutschland einführte und dadurch den letzten Rest an Kultur, den zwei Weltkriege und die sogenannte „Westorientierung“ im deutschen Volk noch übrig gelassen hatten, nachhaltig zerstören ließ.
Ähnlich wird es mit der sogenannten Digitalisierung gehen, durch die man jetzt schon den Verlust von so wichtigen Kulturtechniken wie Kopfrechnen oder Kartenlesen verzeichnen kann und die uns in den nächsten elf Jahren schleichend in den totalen Überwachungsstaat führen wird.
Wenn die FDP auf ihren Wahlplakaten von dem „Ende der Geduld“ sprach, und die Tugend der Geduld einen „Schlachthof für Ideen“ nennt, dann ist das eine philosophische Bankrotterklärung. Herr Lindner hat vermutlich nie ein Philosophie- oder Theologie-Seminar besucht.
Was Herr Schulz und seine Partei unter „Gerechtigkeit“ verstehen, weiß ich bis heute nicht. Mit Sicherheit nicht das, was Plato und Aristoteles, die einst von den vier Kardinaltugenden sprachen, damit gemeint haben. Bis ins Mittelalter, ja bis ins 18. Jahrhundert waren diese Begriffe – genau wie der Begriff „Ehe“ – klar definiert und sie standen in vielen alten Bauwerken als Personifikationen den noch nicht alphabetisierten Abendländern als „Iustitia“, Patientia“, Temperantia“ und „Fortitudo“ vor Augen.

Wenn unsere Politiker, von den Grünen bis zur AfD, den Begriff „Fortitudo“ richtig verstanden haben, dann wissen sie auch, dass „Macht“ eine positive Tugend ist, die sich in ein Laster verkehrt, wenn sie missbraucht wird.

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