Mittwoch, 17. Oktober 2018

Good old boys clubs - zum neuesten Gemälde im Weißen Haus




Als ich Lena vorhin nach Uttenhofen fuhr, hörte ich auf SWR2, dass Donald Trump in den vergangenen Tagen ein Bild in einem Büroraum des Weißen Hauses aufhängen ließ, das er selbst in Auftrag gegeben hat: Es zeigt ihn in fröhlicher und amerikanisch lockerer Runde an einem Tisch mit acht republikanischen US-Präsidenten. Rechts neben ihm sitzt Präsident Dwight D. Eisenhower, links neben ihm Präsident Richard Nixon. Donald Trump scheint sich gerade mit einem seiner berühmtesten Vorgänger zu unterhalten, der inzwischen zum Mythos geworden ist, mit Abraham Lincoln, den wir nur in Rückenansicht sehen. Allerdings wurde er vom Künstler (oder Auftraggeber?) vermutlich ganz bewusst in den Vordergrund gesetzt, steht also gewissermaßen an vorderster Stelle. Er und Richard Nixon bilden dabei, auch durch ihre ähnlich dunklen Jacketts hervorgehoben, eine Art Rahmen für ein Dreiergespann, das wie eine Pyramide rechts von einer Säule gruppiert ist, die hinter Donald Trump aufragt und vermutlich die Decke des Saals trägt, der mit seinen drei Rundbögen am anderen Ende etwas Sakrales ausstrahlt und mich sofort an das Erste Goetheanum erinnerte: Dwight D. Eisenhower, Donald Trump und Gerald Ford.

Einen zweiten Rahmen für die Dreier-Gruppe bilden die Präsidenten George Bush Senior links und Theodor Roosevelt (nicht der Demokrat Fedor!). Eine zweite Pyramide steht der ersten, zentralen, am linken Rand vor einer weiteren, allerdings ferneren Säule gegenüber. Dabei sitzt der jüngere Bush gleich neben Abraham Lincoln im Vordergrund, denn er war ja der letzte republikanische Präsident vor Donald. Sein Vater bildet den Kopf der Pyramide und Präsident Ronald Reagan, der smarte Hollywoodschauspieler, scheint mit seinem blauen Hemd und seinem charmanten Lächeln alle zu überstrahlen. Präsident Trump hat Jackett und Weste abgelegt und trägt als einziger ein vollständig unbedecktes weißes Hemd, dazu eine rote Krawatte. Alle neun Präsidenten präsentieren sich in fröhlicher Runde als Strahlemänner und demonstrieren amerikanische Lässigkeit. Vermutlich hat Abraham Lincoln einen Witz erzählt; das erscheint mir ein wenig makaber, da dieser Präsident durch die Kugel eines Attentäters ermordet wurde.
Das Gemälde von Andy Thomas hat den Titel „The Republican Club“.
Es hat auch einen exakten Mittelpunkt. Es ist die Nase von Dwight D. Eisenhower (1890 – 1969), jenes Präsidenten, der die Nachkriegsordnung bestimmte und am 17. Januar 1961 bei seinem Abschied aus dem Amt vor dem „militärisch-industriellen Komplex“ warnte. Eisenhower, der erst mit 62 Jahren 1952 zum 34. Präsidenten der USA gewählt wurde, obwohl er gar nicht Politiker werden wollte, war sehr populär. Er war der große Held des Zweiten Weltkrieges, der als Oberbefehlshaber der amerikanischen und britischen Truppen die Deutschen von den Nazis befreit hatte. Seine Vorfahren waren selbst deutsche Mennoniten aus dem Rheinland, die unter William Penn nach Amerika ausgewandert sind. Pennsylvania war am Ende des 17. Jahrhunderts zu einem Zufluchtsort europäischer Glaubensflüchtlinge geworden. Dort fanden Mennoniten, Hugenotten, Quäker, Böhmische Brüder und Juden eine neue Heimat. Später zogen die Eisenhowers nach Texas und dann nach Kansas. Die Mutter trat von der mennonitischen Brüdergemeinde zu den Zeugen Jehovas über.
Interessant ist, dass der amerikanische Künstler Andy Thomas auch ein Bild des demokratischen Präsidenten-Clubs gemalt hat, das ganz ähnlich aufgebaut ist: Auf diesem Bild steht der Krawattenknopf (Kehlkopf) Barak Obamas, des ersten farbigen Präsidenten, im geometrischen Mittelpunkt. Dieser einst wie ein neuer Messias gefeierte Präsident und umstrittene Friedensnobelpreisträger trägt ein weißes Hemd mit blauer Krawatte. An der Stelle Trumps des aktuellen Gemäldes sitzt hier John F. Kennedy, der mit Sicherheit populärste Präsident der Vereinigten Staaten, der wie Abraham Lincoln durch die Kugel eines Attentäters endete. Auf dem Bild sind ebenfalls neun ehemalige US-Präsidenten um einen Tisch versammelt und blicken auf den rauchenden Woodrow Wilson im Vordergrund, der durch seine 14 Punkte die europäische Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg verwirrte.

Sowohl auf dem Bild des republikanischen Clubs, als auch auf dem Bild des Demokratischen Clubs kann man im Hintergrund eine Frau erkennen, die auf den Tisch des Clubs der mächtigen Männer zuschreitet. Der Künstler erklärt in einem Interview mit CNN Politics, dass er mit dieser Frau auf die erste weibliche US-Präsidentin in der Zukunft hinweisen wollte.[1]
Vielleicht ist mit dieser Dame auch „Miss Liberty“ gemeint. Jedenfalls schaut sie ernster drein als die lachenden Präsidenten, die angesichts der dramatischen Weltlage auf den Gemälden einen übertriebenen Optimismus ausstrahlen. In Amerika wird Politik offenbar in Männerclubs gemacht, bei Bier, Wein und Cola on the Rocks.

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