Dienstag, 29. Oktober 2019

"Religion? Ja. Aber Kirche?" Gedanken aus einem Vortrag von Wolfgang Gädeke am 29.10.2019 in Schwäbisch Hall.


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Der Mensch ist ein übersinnliches Wesen, das mit anderen übersinnlichen Wesen verbunden (Religio) ist. Immer mehr Menschen werden sich dieser Tatsache bewusst. Der Körper ist nur eine Hülle, mit denen sich die Wesen umgeben. Im Kern aber sind alle Wesen übersinnlich: vom Mineral über die Pflanze und das Tier bis zum Menschen. Erst wenn ich das erkannt habe, kann ich in mir erleben, welche „Mission“ ich habe, denn jedes übersinnliche Wesen hat eine Mission, für das es sich vor der Geburt entschieden hat (nicht nur Greta Thunberg).
Dann brauche ich im Grunde keine Kirche mehr: „Alle Menschen, die in sich den Christus erleben, dürfen sich vereint fühlen in einer (unsichtbaren) Kirche“, heißt es im „Credo“ der Christengemeinschaft.
Gestern Abend gegen 18.40 Uhr, als ich müde und abgearbeitet auf dem Sofa lag und eine interessante Sendung über den Skandal des Buches „Lady Chatterlys Liebhaber“ von D.H. Lawrence[1] in der Arte-Mediathek anschaute, fiel mir plötzlich ein, dass es um 19.00 Uhr in der Christengemeinschaft einen Vortrag von Wolfgang Gädeke aus Kiel gab, zu dem ich gehen wollte, weil an diesem Dienstag mein Russisch-Kurs wegen der Herbstferien ausfiel.
Wolfgang Gädeke habe ich vor vielen Jahren schon einmal in Stuttgart sprechen gehört. Er verwaltet das Archiv der Christengemeinschaft und hat insbesondere über den angeblichen Konflikt zwischen Christengemeinschaft und Anthroposophischer Gesellschaft geforscht und publiziert. Der Konflikt war dadurch entstanden, dass verschiedene Aussagen Rudolf Steiners von maßgeblichen Mitgliedern beider Strömungen missverstanden worden waren.
An diesem Abend sprach Wolfgang Gädeke über das Thema „Religion? Ja. Aber Kirche?“
Zum Vortrag waren etwa 50 Zuhörer gekommen, vorwiegend Mitglieder der hiesigen Gemeinde. Fremde sah ich fast keine. Der noch recht frisch wirkende, langjährige emeritierte Priester der Christengemeinschaft sprach frei und führte seine Gedanken wie ein Musikstück am Thema entlang logisch in einer Sprache aus, die jeder Zuhörer verstehen konnte. Es war ein Vortrag für die Öffentlichkeit, kein interner. Obwohl er im Kirchenraum sprach und wir Zuhörer mit dem Rücken zum Altar in einem Halbkreis um den Redner saßen, blieb er verständlich und ohne allzu gewagte Ausflüge in die Esoterik. Das ist auch gar nicht nötig, denn, wie ich schon oben, seinen wichtigsten Gedanken aufgreifend, festgestellt habe, haben alle Wesen nicht nur eine materiell-körperliche Seite, sondern auch eine seelisch- und eine geistig-übersinnliche. Nur der Körper ist sichtbar und tastbar, aber schon die Gefühle und erst recht die Gedanken gehören einer nicht sinnlichen Sphäre an, in der auch die anderen geistigen Wesen, die man Elementarwesen, Engel oder Götter nennen kann, leben. Dort begegnen wir auch den Verstorbenen, die uns einst in ihrem irdischen Leben nahe standen.
Wenn man aufmerksam darauf wird, kann man diese anderen geistigen Wesen immer wieder im eigenen Leben erleben. Das sind dann bereits die ersten übersinnlichen Erlebnisse; das habe jedoch nichts mit „Stimmen hören“ zu tun. Allerdings gäbe es immer mehr Menschen, die jemanden sehen, der etwas Wichtiges zu ihnen sagt, und dann plötzlich wieder verschwunden ist.
Drei solcher Beispiele führt Wolfgang Gädeke an: Das erste ist ein Erlebnis, das der Ulmer Beamte Udo Wiczorek in seinem Buch „Seelenvermächtnis“ (1997) beschreibt. Als er einmal mit seiner Frau auf den Höhen der Dolomiten in Südtirol unterwegs war, sprach ihn ein Mann an, der auf einer Bank saß. Als er seine Rede im Weitergehen noch bewegte, drehte sich Udo Wiczorek noch einmal nach ihm um, aber außer der Bank war weit und breit niemand zu sehen. Wolfgang Gädeke hat – so berichtet er – zweimal mit dem Autor, der kein Anthroposoph ist, telefoniert, um Näheres zu erfahren.
Das zweite Beispiel, das er erwähnt, hat ihm eine Frau erzählt, die zusammen mit drei anderen Frauen in der Entbindungsstation der anthroposophischen Filderklinik lag. Da trat ein ihr völlig fremder Mann an sie heran und sagte, sie solle ihr Kind, wenn es dann geboren ist, drei Jahre lang stillen. Danach ging der Fremde zu den drei anderen Frauen im Zimmer. Das Merkwürdige war, dass die Erzählerin die anderen Frauen durch den Mann hindurch sehen konnte. Als er mit allen drei Frauen gesprochen hatte, war er plötzlich verschwunden. Die Berichterstatterin hat anschließend ihre Zimmernachbarinnen gefragt: alle drei hatten den Mann gesehen.
Das dritte Beispiel handelt von dem Kind einer Frau eines Christengemeinschaftspriesters der ersten Generation. Als sie beim Bügeln war, kletterte das etwa drei- oder vierjährige Bübchen auf die Brüstung des geöffneten Fensters und stürzte aus dem zweiten Stock mehrere Meter in die Tiefe. Die Mutter rannte sofort hinaus. Da stand der Junge völlig unversehrt und strahlte. Die Mutter sagte erstaunt: „Du hast aber einen guten Schutzengel!“
Der Bub erwiderte: „Zwei, Mama!“
Es gibt in unserer Zeit, in der die traditionellen Kirchen ihre Mitglieder verlieren, viele Menschen, die solche Erlebnisse haben und wieder beginnen zu glauben. Eine Kirche ist dann nur noch dazu da, die Sakramente (Taufe, Konfirmation, Trauung, Beichte, Priesterweihe, das Abendmahl und die letzte Ölung) zu spenden, die den Gläubigen an Leib, Seele und Geist zu stärken vermögen.




[1] Die Erzählung hatte der britische Autor bereits im Jahre 1928 in Florenz, wo er damals lebte, als Privatdruck veröffentlicht, sie wurde aber in Großbritannien sofort verboten und durfte erst im November 1960 nach einem spektakulären Gerichtsprozess in London bei Penguin-Books unzensiert erscheinen. Ein anglikanischer Bischof, der beim Prozess aussagte, meinte, D.H. Lawrence habe in seinem Buch tiefe religiöse Gefühle vermittelt, sowohl, was die Beziehung des Menschen zur Natur ,als auch, was die (sexuelle) Beziehung zwischen Mann und Frau anbelangt. In dem Film „Der Prozess der Lady Chatterly – Orgasmus und Klassenkampf in einem englichen Garten“ von Mathilde Demoisel (Frankreich 2019) wird der Prozess minutiös nachgearbeitet: https://www.arte.tv/de/videos/085404-000-A/der-prozess-der-lady-chatterley/

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