Samstag, 16. November 2019

Sündenfall, 2. Fortsetzung




Mir war, als ich gestern den Text über den Beginn des Jugoslawienkrieges schrieb, wobei ich eine lange Passage aus der „Pflichtlektüre“ „Und immer wieder Versailles“ von Willy Wimmer abtippte, nicht bewusst, dass exakt vor 20 Jahren, im November 1999 beim Bundesparteitag der Grünen in Bielefeld ein Farbbeutel mit roter Farbe den damaligen Außenminister Joschka Fischer am Hinterkopf getroffen hat, weil sich Mitglieder der Partei, die nicht nur aus der Umweltbewegung, sondern auch aus der Friedensbewegung hervorging, darüber erregten, dass sich die erste Rot-Grüne Koalition von den Amerikanern in den NATO-Krieg auf dem Balkan, also in den ersten Krieg auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg, hineinziehen ließ. Das war in der Tat der „Sündenfall“ der Grünen, einer Partei, für die ich einmal viel Sympathie und die ich mehrmals gewählt hatte.
Gestern begann – zwanzig Jahre nach dem „Sündenfall“ wieder ein Parteitag der Grünen in derselben Stadt und die Nachrichtensendung „heute“ blendete bei der Berichterstattung auch Bilder aus jenem Parteitag ein, eben jene Szene mit dem Farbbeutel, an die ich mich sehr gut erinnern kann.
Ich kann mich auch noch an die Begründung Joschka Fischers erinnern, der meinte, Deutschland habe nach Auschwitz eine Verpflichtung, sich gegen Völkermord einzusetzen, und wenn es sein muss, auch mit Waffengewalt. Er meinte mit dem Völkermord das Massaker von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 angeblich 8000 Bosniaken von Serben hingerichtet worden sind, obwohl in der Schutzzone UNO-Blauhelme stationiert waren.
Auf der Wikipedia-Seite lese ich dazu:
„Lange Zeit wurde in vielen serbischen Medien das Massaker von Srebrenica geleugnet. Auch in westlichen Print- oder Onlinepublikationen wurde gelegentlich die Behauptung aufgestellt, die Ereignisse hätten gar nicht stattgefunden oder seien in den Medien falsch oder verzerrt dargestellt worden.
Im deutschsprachigen Raum relativierte vor allem Jürgen Elsässer in der Tageszeitung ‚Junge Welt‘ das Massaker, unter anderem durch Berufung auf serbische Kriegsopfer. Die Klassifizierung des Geschehens als Völkermord nennt Elsässer eine ‚Lüge‘ und einen ‚Mythos‘. Er behauptet, eine Reihe von muslimischen Toten seien im Sommer 1995 Opfer von Liquidationen geworden, die andere Muslime um Naser Oric verübt hätten. Dem Haager Kriegsverbrechertribunal wirft Elsässer unter Bezugnahme auf dessen Urteil gegen Oric vor, es urteile einseitig zuungunsten serbischer Angeklagter. Elsässer streitet vereinzelte Massaker nicht ab, betont jedoch, dass diese nicht gezielt und systematisch vorgenommen worden seien. Die Taten seien allein von ‚marodierenden serbischen Einheiten zu verantworten. Viele der Soldaten kamen aus der Region um Srebrenica und wollten den Tod von Angehörigen rächen, die zuvor bei moslemischen Überfällen getötet worden waren.‘ Die Beweise für die systematische Planung und Durchführung der Verbrechen sind jedoch in den Prozessen vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal aktenkundig.
Ähnlich relativierende, serbische Kriegsverbrechen und den Genozid in Srebrenica als ‚Rachemassaker‘ für vorausgegangene bosnische Kriegsverbrechen deutende Positionen finden sich auch in den Reiseberichten, Texten und Interviews des österreichischen Schriftstellers Peter Handke, begleitet von vehementer Kritik an der vermeintlich ‚einseitigen‘ journalistischen Berichterstattung. Die Opferrechtsorganisation ‚Mütter von Srebrenica‘ forderte die Schwedische Akademie auf, die Vergabe des Literatur-Nobelpreises 2019 an Peter Handke zu revidieren. Die Organisationsleiterin Munira Subasic wird in diesem Zusammenhang mit den Worten zitiert: ‚Es ist traurig, dass ein so wichtiger Preis dem Leugner des Genozids in Srebrenica verliehen wurde, wenn alle wissen, was in Srebrenica passiert ist. (…) Mit dieser Entscheidung wurden die Mütter von Srebrenica, die ihre Söhne, Männer und Brüder verloren haben, noch einmal verletzt und ins Herz getroffen.‘
Zu jenen, die den Begriff ‚Völkermord‘ ablehnen, gehört der ehemalige serbische Präsident Tomislav Nikolic. Milorad Dodik bestritt Anfang Juli 2015, dass ein Völkermord stattgefunden habe, nachdem er diesen und die Zahl von 8000 Opfern bereits im April 2010, vor seiner Wahl zum Präsidenten der Republik Srpska, in Zweifel gezogen hatte. 2015, zum 20. Jahrestag des Massakers forderte er, Srebrenica müsse auch zu einem Gedenkort für den ‚Völkermord an den Serben‘ erklärt werden. Der Begriff wird in einigen Fällen auch abgelehnt, weil nur männliche Personen dem Massaker zum Opfer gefallen seien, keinesfalls alle bosniakischen Flüchtlinge. Im Gerichtsurteil gegen Radislav Krstic wird allerdings betont, dass die systematischen Morde an der männlichen Bevölkerung einen katastrophalen Einfluss auf die stark patriarchalischen Familien der Bosniaken Srebrenicas hatten und damit diese ethnische Gruppe zerstörten, was den Tätern bewusst gewesen sei. Die Journalistin Diana Johnston leugnete den genozidalen Charakter des Massakers in ihrer ersten Publikation 2002 sowie 2015; die Begründung des ICTY sei weit hergeholt, behauptete sie.
Der Völkerrechtler William Schabas bewertete 2009 die Verbrechen in Srebrenica und während des gesamten Krieges in Bosnien eher als ethnische Säuberung, nicht als Genozid.
Häufig wird die Gesamtzahl der ermordeten Bosniaken relativiert. Die Zweifler betonen, die hohen offiziellen Opferzahlen hätten den Zweck, die serbische Seite zu dämonisieren und von Verbrechen gegen die Serben abzulenken, in der Region Srebrenica selbst oder zu anderen Gelegenheiten, wie etwa der ‚Operation Sturm‘. Statt von 7000 bis 8000 Opfern des Massakers von Srebrenica sei von einer deutlich niedrigeren Zahl auszugehen. Gestützt wird dies unter anderem mit der Behauptung, 1996 seien in Wählerverzeichnissen zu Wahlen in Bosnien-Herzegowina 3000 Vermisste und angeblich Tote wieder aufgetaucht. (…)
Zweifel an der etablierten Darstellung der Ereignisse werden auch vorgebracht, weil seit Juli 1995 Tausende von Leichen nicht gefunden bzw. exhumiert wurden. Von den Exhumierten wiederum sind bislang viele nicht identifiziert.“[1]
Das Thema vom „Völkermord in Srebrenica“ wird also durchaus kontrovers diskutiert. Es erscheint mir deutlich, dass die westliche Seite versucht, das Massaker im Nachhinein als Rechtfertigung für den völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen die Serben zu instrumentalisieren. Die Serben sind bis heute mit Russland verbündet. Der NATO-Krieg war also eine Art Startsignal, um indirekt Russland zu warnen, das sich damals anschickte, mit dem im August 1999 zum Ministerpräsidenten gewählten ehemaligen KGB-Offizier Wladimir Putin von den Wirren der 90-er Jahre zu erholen.
Die serbische Geheimorganisation „Schwarze Hand“ hatte schon – im Auftrag dubioser Hintermänner – dafür gesorgt, dass es mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers und seiner Frau einen Anlass gab, den Ersten Weltkrieg auszulösen. Das Ende der Geschichte war, dass im Jahre 1919 durch den Zusatzfrieden von Trianon der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn zerschlagen und zerstückelt wurde, eine Folge der fatalen Idee des „Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ von US-Präsident Woodrow Wilson bzw. der hinter ihm stehenden Zirkel, die wohl genau wussten, was sie damit erreichen wollten. Den Krieg auf dem Balkan muss man auch in diesem Zusammenhang sehen.
Aber es fällt schwer, 100 Jahre Geschichte im Bewusstsein zu halten und es macht Mühe, die Dokumente zu studieren, insbesondere dann, wenn sie der „offiziellen Geschichtsschreibung“ widersprechen. So geht diese bis heute im Prinzip von der „Alleinschuld Deutschlands“ am Ausbruch des Ersten Weltkriegs aus oder verschweigt – wie Christopher Clark in seinem Buch „Die Schlafwandler“ – die Rolle des Britischen Empires und der Französischen Republik.
Genauso will man im Fall des Massakers von Srebrenica eine „Alleinschuld“ der Serben unter ihrem damaligen Präsidenten Milosevic „konstruieren“, denn das passt in die „langfristige Planung“ jener Netzwerke, die im Hintergrund die Politik gestalten und die Politiker nur als Marionetten benützen.
Ich selber habe das Vertrauen in unsere Politiker schon lange verloren. Was ich sage, klingt nach „Verschwörungstheorie“. Aber ich stelle nur Fragen und bezweifle seit langem Vieles, was offiziell verkündet wird, so zum Beispiel die offizielle Version vom Anschlag auf die WTC-Türme am 11. September 2001. Inzwischen gelten solche „Verschwörungstheorien“ bereits als „Hetze“ und als „rechtsextrem“.[2]
Das sind in meiner Sicht Schritte zu einem allgemeinen Denkverbot, das immer mehr durch Gesetze wie das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, oder das bereits im Jahre 1993 beschlossene Gesetz gegen „Volksverhetzung“  (Strafgesetzbuch § 130) institutionalisiert werden muss. Dazu gehört natürlich insbesondere jede Kritik an Israels Besatzungspolitik.
Als die Sängerin Anna Loos am 9. November bei der Feier zum Mauerfall-Jubiläum, die im ZDF übertragen wurde, ein Video mit der Botschaft „Genug mit Besatzung“ in hebräischer Schrift zur besten Sendezeit einblendete, das wohl kaum jemand entziffern oder verstehen konnte, titelte die traditionell israelfreundliche Bildzeitung auf der ersten Seite ihrer Ausgabe vom 11. 11. In gewohnter rot-weißer Großschrift: „Anti-Israel-Hetze auf Mauerfall-Feier“. Es wird der Botschafter des Staates Israel, Jeremy Issacharoff zitiert:
„‚Am 9. November haben wir den Mauerfall gefeiert, aber auch würdevoll an die Progromnacht vor 81 Jahren erinnert, die auch symbolisch für die Schrecken des damals nahestehenden Holocaust steht‘ Es sei eine Schande, dass einige es für angebracht hielten, dieses Ereignis für politische Zwecke gegen Israel zu instrumentalisieren.“ (Bild vom 11.11.2019, S 2)



[2] In den Nachrichten wurde gestern von einem AfD-Stadtrat aus Halle berichtet, der aus dem Kulturausschuss der Stadt „entfernt“ wurde, weil von ihm ein angeblich „rechtsextremes“ Video aufgetaucht sei. In dem Videoausschnitt, der in „3SAT-Kulturzeit“ gezeigt wurde, tut er nichts anderes, als die offizielle Version der New-Yorker-Anschläge in Frage zu stellen. Ihm wird zum Vorwurf gemacht, dass er dabei auf die Tatsache hinweist, dass beim Einsturz der Türme kaum Juden umgekommen waren, weil sie die Gebäude rechtzeitig verlassen hätten. Das sei antisemitisch.

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